Fremde in der Nacht

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Winterling

Mitglied
Fremde in der Nacht

Gelb verrußt sind die Laternen,
und ihr Schein reicht bis zum Riss,
straßenblind und ungewiss
suchen Schatten nach den Sternen.

Jeder Horizont taucht unter
in ein unbekanntes Land,
Fremde reichen sich die Hand
über Straßen und darunter.

Jemand sucht die letzte Liebe
auf dem Weg zur Mitternacht,
überm alten Bahnhofsschacht,
wie im lauten Weltgeschiebe.

Grau gekachelt sind die Wände,
marmorlos und bilderblind.
Menschen suchen, wie sie sind,
einfach ein paar warme Hände.
 
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Tula

Mitglied
Hallo Winterling
Warum nicht der Plural der Laternen in V1?

Ein sehr schönes Gedicht, rein stilistisch erinnert es mich an eine andere Epoche; es hat irgendwie einen Hauch von Expressionismus.

LG Tula
 

Perry

Mitglied
Hallo Heike,
Bildfragmente wie Riss, Bahnhofsschacht etc. lassen eine schwere Zeit vermuten.
Bei der Formulierung
"Fremde reichen sich die Hand
über Straßen und darunter.
"
ist das "unter" real schwer vorstellbar, kann im übertragenen Sinn aber vielleicht als unter der Erde (Grab,Jenseits) gedeutet werden.
Gern Mitgesucht und LG
Manfred
 

Tula

Mitglied
Hallo Manfred
Ich las dabei die Ärmsten der Armen und vor allem Obdachlose heraus, jene, dich sich im übertragenen Sinne wie die Ratten in der urbanen Unterwelt verstecken (müssen). Gerade diese Stelle hat mich 'begeistert'.

LG Tula
 

Winterling

Mitglied
Lieber Tula, Lieber Perry,

@ Tula, ja da hast du ein wachsames Auge. Natürlich ist der reim mit " Sternen" viel besser. Ich hatte es auch schon so geschrieben, aber beim Hin - und - Her basteln ist mir der Gedanke abhanden gekommen.

@ Perry und Tula, ich habe dieses Gedicht geschrieben mit einer Stadt vor dem inneren Auge. Menschen, die auf der Suche sind, und einem Bahnhof, der eine Rolle spielt. Alles ist etwas surreal, und meine Ideen fanden diese Bilder dazu. Sicherlich kann jeder in dem Gedicht seine Gedanken und Bilder finden. Das finde ich auch gut so. Zu genau wollte ich es gar nicht benennen. :) Ein wenig Fremde oder Streunende oder einfach Suchende in der Stadt, die alleine sind, Reisende zwischen Häusern und Schächten.

Ich freue mich sehr über Eure Gedanken. Alle sind richtig.

Ich bedanke mich für die Sternchen * :)

Liebe Grüße Heike
 

sufnus

Mitglied
Ha!
Dass Tula hier auch die expressionistische Schwingung heraushört, freut mich besonders. Schwingungsschützenhilfe aus berufenem Mund, denn mir ging es ganz genauso und im Echoraum des Gedichtes spukten allerlei liebgewonnene Namen einer großartigen Lyrik-Ära herum. :)
Emmy Hennings würde ich hier vielleicht name-droppenderweise herauspicken. Die ist nämlich ebenso geringbekannt wie lesenswert. Wer in google Emmy Hennings Cabaret Voltaire eintippt kommt auf eine Seite mit schönen Kostproben. :)
LG!
S.
 

Winterling

Mitglied
Lieber sufnus,

Und ich freue mich auch über die anderen, die mir Sternchen geschickt haben. :)
Auch freue ich mich, weil ich mit so viel Rückmeldungen gar nicht gerechnet habe.

Ich kämpfe bei dem Wetter mit der Tastatur und der Brille.


Ein Gedicht von Emmy Hennings:


EIN WUNSCH

Ich glaube, es würde mich ewig reuen,
Wenn ich mich müsst alleine freuen.
Meine Freude war noch nie mein eigen,

Ich möchte sie allen und jedem zeigen.
Und meine Leiden, meine Mühen?
Wofür muss sich das Herz verglühen?
Für Alle. Dies darf Keinen kränken.
Wie eine Frucht will ichs verschenken.

Ich möchte lächeln noch im Grabe.
Gab ich denn alles, was ich habe?
Ein flüchtig Leben aus Liebe und Süsse
Will immer schweben wie viele Grüsse ....



sufnus, sehr interessant... expressionistische Dichter.:) Du hast hier eine Frau aufgeführt, ich werde Emmy Hennings googlen. Zauberhaft!
Liebe Grüße aus dem Norden von Heike
 
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