Ann-Kathrin Deininger
Mitglied
Ich sehe deine Augen und denke an früher.
Wir haben nebeneinander gewohnt. Wir haben jeden Tag zusammen gespielt. Ich bin nie groß gewesen, deshalb haben oft Größere mein Geld haben wollen. Du hast mich dann immer beschützt. Du warst wie mein großer Bruder, und ich war gerne dein kleiner Bruder. Wir haben uns manchmal beim Spielen mit Steinen beworfen. Aber wir haben uns immer wieder versöhnt. Du hast mich umarmt, und alles war wieder gut.
Wir sind immer wie wild durch die Straßen gerannt, außer am Sabbat. Da war ich zu Hause. Du hast dann immer Steine gesucht, damit haben wir am nächsten Tag eine Burg gebaut. Als wir älter wurden, sind wir zur Schule gegangen. Nicht auf dieselbe Schule. Aber das machte nichts. Du hast oft gewartet, bis ich fertig war. Dann sind wir zusammen nach Hause gegangen. Wir haben viel miteinander geredet. Wir haben uns mit Steinen beworfen, aus Spaß. Wir haben uns wieder versöhnt. Du hast mich umarmt, und alles war wieder gut.
Wir haben gemerkt, dass wir Unterschiede haben. Ich fand das nicht schlimm. Du hast gesagt, es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre. Ich habe versucht, mir eine Welt vorzustellen, in der alle so sind wie meine Eltern. Wir haben gelacht. Als wir älter wurden, haben wir zusammen den Mädchen hinterhergeschaut. Wir haben uns gefragt, wir ihre Haare wohl aussehen, und waren sicher, dass sie die schönsten Frauen der Welt sein müssten. Meine Eltern haben oft auf dich geschimpft. Ich habe versucht, nichts zu hören. Ich habe dich interessiert betrachtet, wenn du auf diesem kleinen Teppich gekniet hast. Du hast immer gewartet, wenn ich in die Synagoge ging. Wir haben uns mit Steinen beworfen, wegen einer Frau. Ich habe dich geschlagen, aber wir haben uns wieder versöhnt. Du hast mich umarmt, und alles war wieder gut.
Wir waren Freunde.
Dann seid ihr eines Tages nicht mehr da gewesen. Ich habe nichts mehr von dir gehört. Du warst einfach weg.
Dabei warst du mein Freund.
Jetzt sehe ich in deine Augen. Du hast einen Stein nach mir geworfen. Ich habe dich geschlagen. Diesmal versöhnen wir uns nicht. Ich löse meine Hand aus deiner. Ich würde gerne umarmt werden. Aber du umarmst mich nicht.
Mit zitternden Fingern schließe ich deine Augen.
Wir haben nebeneinander gewohnt. Wir haben jeden Tag zusammen gespielt. Ich bin nie groß gewesen, deshalb haben oft Größere mein Geld haben wollen. Du hast mich dann immer beschützt. Du warst wie mein großer Bruder, und ich war gerne dein kleiner Bruder. Wir haben uns manchmal beim Spielen mit Steinen beworfen. Aber wir haben uns immer wieder versöhnt. Du hast mich umarmt, und alles war wieder gut.
Wir sind immer wie wild durch die Straßen gerannt, außer am Sabbat. Da war ich zu Hause. Du hast dann immer Steine gesucht, damit haben wir am nächsten Tag eine Burg gebaut. Als wir älter wurden, sind wir zur Schule gegangen. Nicht auf dieselbe Schule. Aber das machte nichts. Du hast oft gewartet, bis ich fertig war. Dann sind wir zusammen nach Hause gegangen. Wir haben viel miteinander geredet. Wir haben uns mit Steinen beworfen, aus Spaß. Wir haben uns wieder versöhnt. Du hast mich umarmt, und alles war wieder gut.
Wir haben gemerkt, dass wir Unterschiede haben. Ich fand das nicht schlimm. Du hast gesagt, es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre. Ich habe versucht, mir eine Welt vorzustellen, in der alle so sind wie meine Eltern. Wir haben gelacht. Als wir älter wurden, haben wir zusammen den Mädchen hinterhergeschaut. Wir haben uns gefragt, wir ihre Haare wohl aussehen, und waren sicher, dass sie die schönsten Frauen der Welt sein müssten. Meine Eltern haben oft auf dich geschimpft. Ich habe versucht, nichts zu hören. Ich habe dich interessiert betrachtet, wenn du auf diesem kleinen Teppich gekniet hast. Du hast immer gewartet, wenn ich in die Synagoge ging. Wir haben uns mit Steinen beworfen, wegen einer Frau. Ich habe dich geschlagen, aber wir haben uns wieder versöhnt. Du hast mich umarmt, und alles war wieder gut.
Wir waren Freunde.
Dann seid ihr eines Tages nicht mehr da gewesen. Ich habe nichts mehr von dir gehört. Du warst einfach weg.
Dabei warst du mein Freund.
Jetzt sehe ich in deine Augen. Du hast einen Stein nach mir geworfen. Ich habe dich geschlagen. Diesmal versöhnen wir uns nicht. Ich löse meine Hand aus deiner. Ich würde gerne umarmt werden. Aber du umarmst mich nicht.
Mit zitternden Fingern schließe ich deine Augen.