Am Vorabend hatte sie Bauchschmerzen. Übel war ihr auch, aber das kam vielleicht von Zigaretten, die man ihr spendierte. Sie musste immer an Klaus denken, der am Samstag dran war. Klaus hatte Angst. Er warf sich ins staubige Gras und krallte sich mit den Fingern in die Erde ein. Die Männer mussten ihn dann hinzerren und seine Finger gruben wie kleine Pflüge Spuren ein.
Sie hielt sich die Fäuste zur Magengrube und lief die Baracke auf und ab.
„Jetzt versuche doch zu schlafen. Mensch, du machst uns alle wahnsinnig. Jetzt komm` her. Komm`.“
„Ich hab nicht mal saubere Wäsche“, weinte sie plötzlich los. „Ich muss mich doch ausziehen vor ihm und ich bin so häßlich, ich stinke wie eine Ratte in diesen dreckigen Lumpen. Ich bin so häßlich geworden, ich will nur noch sterben.“
„Das Mädel hat den Verstand verloren vor Angst“, meinte einer Jungs, „morgen soll sie unter der Peitsche stehen und sie faselt was von der Wäsche?“
„Du verstehst nichts von Frauen“, antwortete der Ältere, „also halte lieber den Mund.“ Dann wandte er sich zum Mädchen. „Wir kümmern uns drum, Mädel, versprochen! Leg Dich hin und schlaf`. Morgen kriegst Du was Frisches zum Anziehen, vertraue mir!“
Sie hat sich wirklich hingelegt. Der Mann umarmte ihren schmächtigen Körper ganz fest und wiegte ihn ein wenig. Sie presste das Gesicht in seine Achsel und fiel in einen kaputten Dämmerschlaf. Der Mann drehte sie vorsichtig auf die Seite, stand auf und verschwand leise aus der Baracke.
Ihr Schlaf fiel eher wie ein Horrortrip aus und brachte keine Erholung. In der Früh mussten sie die Jungs vom Bett aufstützen. Sie torkelte sofort zur Latrine und hatte wässrigen Durchfall. Sie schwitzte fürchterlich und fror in ihrem kalten widerlichen Angstschweiß, sie zitterte als hätte sie den St. Vitus Tanz gefangen, aber das mit dem Bauchweh wurde besser, nachdem sie wenigstens scheißen konnte.
Ihre Klamotten waren durchnässt und stanken.
„Du musst dich waschen, Mensch. Lass dich doch nicht so miserabel gehen, bitte.“ Die Jungs brachten sie raus zum Bach und halfen ihr beim Waschen. Sie winselte vor Kälte und wehrte sich, aber sie ließen nicht nach. Jemand spendete ein winziges Stück Kernseife aus seiner eisernen Reserve und man rieb sie ab, bis ihre Haut rosig leuchtete. Dann trocknete man sie mit einem Fetzen.
„Schau, was wir für dich haben, - ein frisches Hemd.“
Der alte Kamerad schleppte tatsächlich ein frisches, weißes Hemd heran. Das Ding stach richtig ab vom ganzen Barackendreck, es war echt weiß, fast unglaublich weiß und es sah fast wie gebügelt aus. Das Mädchen kam ein wenig runter von ihrer Panik und starrte das Hemd an.
„Ist es für mich? Wie gibt`s denn so was?“
„Tja, man hat so seine Tricks, wenn man länger hier ist“, strahlte der noble Schenker, „zieh es mal an, dann sieht die Welt auch gleich anders aus.“
Sie stand in einem arg zu großen sauberen Männerhemd und hielt die Hände hilflos nach vorne. Ein weinerliches kleines Lächeln zog über ihren Mund, doch dieses Lächeln war echt.
Der noble Schenker nahm sie an den Wangen und lächelte zurück. „Du siehst hübsch aus, Mädel! Wirklich, du siehst sehr hübsch aus. Siehe zu, da krempeln wir die Ärmel noch ein bisschen auf und den Kragen lassen wir offen. So ist es perfekt. Und jetzt hör` mir gut zu.“ Er sprach laut und deutlich. „Hör` mir gut zu: du vergisst alles, was du hier bis jetzt gesehen hast. Vergiss` es! Bei dir wird es anders. Du brauchst nur Mut für die paar Schritte. Nach dem ersten Schlag kannst du dich dann wegschreien, - das nimmt dir keiner übel. Aber die kleine Strecke davor, die machst du wie ein Mensch, - verstehst du mich? Du reißt dich jetzt zusammen und gehst wie ein Mensch hin. Du gehst gerade hin und schaust nach vor. Und du bettelst nicht.“
„Lass sie doch in Ruhe“, sagte einer von den Jungs.
„Nein. Ich lass` sie nicht in Ruh`. Sie wird es gut machen, - für sich selber, für „nachher“. Und auch für uns alle. Für alle, die es nicht geschafft haben. Sie macht es bestimmt ganz gut.“
So stand sie vor dem Kommandanten, - barfuß, mit nackten Beinen, mit rosig leuchtender sauberer Haut. Sie hielt das Kinn hoch und trug ihr „melde gehorsamst“ geradezu herausfordernd vor. Sie roch nicht nach Angst.
„Was für ein Glanz in meiner Hütte!“ Setzte er höhnisch an, „ganz in Weiß! Willst du mich etwa heiraten? Aber Respekt. Respekt, - ich bin wahrlich andere Auftritte gewohnt zum gegebenen Anlaß.“ Der Kommandant wurde nachdenklich. Begnadigt wurde sie nicht. Doch er behandelte sie anders als die verzweifelten heulenden Opfer der Vortage. „Ich muss Sie bitten das Hemd abzulegen und zu dulden, dass ich Ihnen die Hände festbinde. So ist die Vorschrift.“ - Sagte er ruhig und man wußte nicht, ob es noch Hohn oder schon Höflichkeit ist.
Sie bekam ihre Peitschenschläge in voller Härte, aber keine Tritte und Watschen dazu. Er schrie mit ihr auch nicht rum und ließ zwischen den Hieben immer genug Zeit, damit sie gut durchatmen kann. Es schien, als wäre er als ihr Henker mit ihr in einen Bund getreten und gönne ihr den Sieg. Tatsächlich blieb sie auf eine fast übernatürliche Weise gefasst und gab keinen Schmerzlaut von sich.
Ein Feldscher wurde herbeigerufen und sie bekam einen Verband um ihren zerschlissenen Rücken. Dann nahm der Kommandant das Hemd und half ihr selbsthändig in die Ärmel. Sie nahm diese Geste mit Selbstverständlichkeit und Würde entgegen, - eine Grande Dame, der man ihren kostbaren Pelz um die Schultern legt.
„Welch eine Frau“, sinnierte der Kommandant und rief wieder und wieder ihre schlanke Gestalt, ihre leuchtende Haut und stolzes Gesicht in Erinnerung, „welch eine Frau! Wie soll ich mich ihr bloß nähern, ich armseliger kleiner Offizier? Nicht mal angesehen hat sie mich…“ Der selbstverständliche Gedanke, dass er sie doch zu allem Erdenklichen zwingen könnte, kam ihm gar nicht in den Sinn.
Sie hielt sich die Fäuste zur Magengrube und lief die Baracke auf und ab.
„Jetzt versuche doch zu schlafen. Mensch, du machst uns alle wahnsinnig. Jetzt komm` her. Komm`.“
„Ich hab nicht mal saubere Wäsche“, weinte sie plötzlich los. „Ich muss mich doch ausziehen vor ihm und ich bin so häßlich, ich stinke wie eine Ratte in diesen dreckigen Lumpen. Ich bin so häßlich geworden, ich will nur noch sterben.“
„Das Mädel hat den Verstand verloren vor Angst“, meinte einer Jungs, „morgen soll sie unter der Peitsche stehen und sie faselt was von der Wäsche?“
„Du verstehst nichts von Frauen“, antwortete der Ältere, „also halte lieber den Mund.“ Dann wandte er sich zum Mädchen. „Wir kümmern uns drum, Mädel, versprochen! Leg Dich hin und schlaf`. Morgen kriegst Du was Frisches zum Anziehen, vertraue mir!“
Sie hat sich wirklich hingelegt. Der Mann umarmte ihren schmächtigen Körper ganz fest und wiegte ihn ein wenig. Sie presste das Gesicht in seine Achsel und fiel in einen kaputten Dämmerschlaf. Der Mann drehte sie vorsichtig auf die Seite, stand auf und verschwand leise aus der Baracke.
Ihr Schlaf fiel eher wie ein Horrortrip aus und brachte keine Erholung. In der Früh mussten sie die Jungs vom Bett aufstützen. Sie torkelte sofort zur Latrine und hatte wässrigen Durchfall. Sie schwitzte fürchterlich und fror in ihrem kalten widerlichen Angstschweiß, sie zitterte als hätte sie den St. Vitus Tanz gefangen, aber das mit dem Bauchweh wurde besser, nachdem sie wenigstens scheißen konnte.
Ihre Klamotten waren durchnässt und stanken.
„Du musst dich waschen, Mensch. Lass dich doch nicht so miserabel gehen, bitte.“ Die Jungs brachten sie raus zum Bach und halfen ihr beim Waschen. Sie winselte vor Kälte und wehrte sich, aber sie ließen nicht nach. Jemand spendete ein winziges Stück Kernseife aus seiner eisernen Reserve und man rieb sie ab, bis ihre Haut rosig leuchtete. Dann trocknete man sie mit einem Fetzen.
„Schau, was wir für dich haben, - ein frisches Hemd.“
Der alte Kamerad schleppte tatsächlich ein frisches, weißes Hemd heran. Das Ding stach richtig ab vom ganzen Barackendreck, es war echt weiß, fast unglaublich weiß und es sah fast wie gebügelt aus. Das Mädchen kam ein wenig runter von ihrer Panik und starrte das Hemd an.
„Ist es für mich? Wie gibt`s denn so was?“
„Tja, man hat so seine Tricks, wenn man länger hier ist“, strahlte der noble Schenker, „zieh es mal an, dann sieht die Welt auch gleich anders aus.“
Sie stand in einem arg zu großen sauberen Männerhemd und hielt die Hände hilflos nach vorne. Ein weinerliches kleines Lächeln zog über ihren Mund, doch dieses Lächeln war echt.
Der noble Schenker nahm sie an den Wangen und lächelte zurück. „Du siehst hübsch aus, Mädel! Wirklich, du siehst sehr hübsch aus. Siehe zu, da krempeln wir die Ärmel noch ein bisschen auf und den Kragen lassen wir offen. So ist es perfekt. Und jetzt hör` mir gut zu.“ Er sprach laut und deutlich. „Hör` mir gut zu: du vergisst alles, was du hier bis jetzt gesehen hast. Vergiss` es! Bei dir wird es anders. Du brauchst nur Mut für die paar Schritte. Nach dem ersten Schlag kannst du dich dann wegschreien, - das nimmt dir keiner übel. Aber die kleine Strecke davor, die machst du wie ein Mensch, - verstehst du mich? Du reißt dich jetzt zusammen und gehst wie ein Mensch hin. Du gehst gerade hin und schaust nach vor. Und du bettelst nicht.“
„Lass sie doch in Ruhe“, sagte einer von den Jungs.
„Nein. Ich lass` sie nicht in Ruh`. Sie wird es gut machen, - für sich selber, für „nachher“. Und auch für uns alle. Für alle, die es nicht geschafft haben. Sie macht es bestimmt ganz gut.“
So stand sie vor dem Kommandanten, - barfuß, mit nackten Beinen, mit rosig leuchtender sauberer Haut. Sie hielt das Kinn hoch und trug ihr „melde gehorsamst“ geradezu herausfordernd vor. Sie roch nicht nach Angst.
„Was für ein Glanz in meiner Hütte!“ Setzte er höhnisch an, „ganz in Weiß! Willst du mich etwa heiraten? Aber Respekt. Respekt, - ich bin wahrlich andere Auftritte gewohnt zum gegebenen Anlaß.“ Der Kommandant wurde nachdenklich. Begnadigt wurde sie nicht. Doch er behandelte sie anders als die verzweifelten heulenden Opfer der Vortage. „Ich muss Sie bitten das Hemd abzulegen und zu dulden, dass ich Ihnen die Hände festbinde. So ist die Vorschrift.“ - Sagte er ruhig und man wußte nicht, ob es noch Hohn oder schon Höflichkeit ist.
Sie bekam ihre Peitschenschläge in voller Härte, aber keine Tritte und Watschen dazu. Er schrie mit ihr auch nicht rum und ließ zwischen den Hieben immer genug Zeit, damit sie gut durchatmen kann. Es schien, als wäre er als ihr Henker mit ihr in einen Bund getreten und gönne ihr den Sieg. Tatsächlich blieb sie auf eine fast übernatürliche Weise gefasst und gab keinen Schmerzlaut von sich.
Ein Feldscher wurde herbeigerufen und sie bekam einen Verband um ihren zerschlissenen Rücken. Dann nahm der Kommandant das Hemd und half ihr selbsthändig in die Ärmel. Sie nahm diese Geste mit Selbstverständlichkeit und Würde entgegen, - eine Grande Dame, der man ihren kostbaren Pelz um die Schultern legt.
„Welch eine Frau“, sinnierte der Kommandant und rief wieder und wieder ihre schlanke Gestalt, ihre leuchtende Haut und stolzes Gesicht in Erinnerung, „welch eine Frau! Wie soll ich mich ihr bloß nähern, ich armseliger kleiner Offizier? Nicht mal angesehen hat sie mich…“ Der selbstverständliche Gedanke, dass er sie doch zu allem Erdenklichen zwingen könnte, kam ihm gar nicht in den Sinn.