Hallo Ralf,
vielen Dank für die interessanten Anmerkungen. Ich will dir gerne antworten.
Das Gedicht ist vor etwas mehr als zwei Jahren entstanden, nachdem ich mit einem Freund die Gedenkstätte Bergen-Belsen besucht hatte und wir dort die dem Gedicht zugrunde liegenden Aufnahmen gesehen hatten. Der Hinweis, dass der Kameramann sein Leben lang vor diesen Aufnahmen geflohen ist, hat mich zu dem Gedicht inspiriert.
Die konsequente Großschreibung am Zeilenanfang ändere ich. Ich habe es damals so gestaltet, weil ich es interessant fand, es mir so vorkam, dass die Großschreibung die Wichtigkeit jeder Zeile unterstreiche. Das sehe ich heute mit Abstand nicht mehr so und werde es ändern. Danke für den Hinweis.
Die Zeilenumbrüche funktionieren gewissermaßen als Interpunktion. Sonst braucht das Gedicht keine, denke ich. Oder hast du noch etwas anderes gemeint?
"Dieser Moment" am Anfang der letzten Strophe fasst das bisher Gesagte der vorherigen Strophen zusammen. Durch die leichte Veränderung im Rhythmus dieser immer wiederkehrenden Strophen-Kopfzeile entsteht ein Hinweis auf die kommende Wendung/Weiterführung des Inhalts in der letzten Strophe. Es ist ein minimales dramatisches Mittel, dass ich einsetze.
Es ist ein stilleben, eine momentaufnahme des schrecklichen, des unsagbaren, aber und ieses aber ist groß, mich holt der text als leser nicht ab. Ich weiß wie „wichtig“ und wie schwierig die verarbeitung solcher themen sind.
hm, die tragische figur, die person die dieses gedicht trägt ist ja der kameramann, der seine bilder nie wieder anschauen kann. Das hätte mich persönlich sehr interressiert, da hätte ich dichterisch gerne mehr erfahren.
Stillleben, Momentaufnahme, ja, aber Verarbeitung, weiß nicht. Mein Text will zunächst beschreiben. Das, was ich in dem Film gesehen habe, darüber hinaus das, was ich beim Anschauen diesen Bildern nicht zusammenbekomme habe: den massenhaften Tod mit dem vorausgegangenen ebenso großen Leid gegenüber der maschinelle Beseitigung der Leichen, die bis dahin ein ausschließliches Mittel der Täter war. Und da lehne ich mich bewusst kaum aus dem Fenster, lasse lieber die Beschreibung wirken. Deshalb auch die wenig lyrische Sprache. Der Schwerpunkt des Textes liegt für mich zunächst in dieser Schilderung, das will ich mit ihm sagen. Und auch der Kameramann (der übrigens ein Soldat war) in seiner Flucht- und Angstreaktion weist durch sein Verhalten zurück auf die nicht verarbeitbaren Inhalte der ersten drei Strophen. Das Gedicht über den Kameramann als tragische Figur würde mMn. ein anderes sein.
mir persönlich ist die hinarbeitung zu dieser entscheidenden strophe zu lang.
Ich habe es mir darauf hin angeschaut. In jeder der ersten drei Strophen gibt eine Fortführung der Schilderung, jeweils in den Zeilen 3 und 4. Die Zeilen 1,2 und 5 bleiben ähnlich, geben den Bildern eine rhythmische Umgebung, die man sicher auch kürzen könnte. Ich denke mal darüber nach.
wobei ich grundsätzlich denke das die reduzierte sprache als stilmittel – sie vertrömt ein wenig das kalte beiläufige der „aufräumarbeiten“ durchaus angebracht ist.
Das sehe ich auch so und diese Herangehensweise war der Ausgangspunkt für das Gedicht. Abschließend möchte ich einen Auszug aus einem Kommentar (nicht in der Leselupe) von Jörn Bünning hinzufügen, der wie ich finde, gut formuliert hat, worum es geht:
Allerdings ist die Gefahr des Scheiterns auch immens, denn es gibt ein Grauen, das durch sprachliche Gestaltung nur verlieren kann. Derartiges in Sprache zu "kleiden" bedeutet zugleich, etwas Unbegreifliches fassbar zu machen. Im Sprechen über etwas bemächtigt sich der Geist der Dinge. Damit geht allerdings auch eine Relativierung einher, ein Abmildern und auch ein affektives Verarbeiten der Ereignisse.
Vielen Dank für deine Beschäftigung mit dem Text.
Gruß von APO