Hallo Walther,
... nachfolgend der Versuch einer Kritik, die wie ich hoffe, kritikfähig und respektvoll daherkommt:
Der vorgelegte Text bemüht sich um das Gedenken an die vielfach auch deutschsprachigen Dichterhochburgen Czernowitz, Lemberg bzw. das ungarische Galizien. Es wird versucht, die totalitären Angriffe der Nationalsozialisten auf das freie Denken zu bezeichnen, weshalb auch ein Zusammenhang zu Anne Frank, damals in Frankfurt, Aachen und Amsterdam bis zur Verhaftung lebend, hergestellt wird. Die letzte Strophe schließlich benennt Wert und Bedeutung der Texte, den uns die im vorliegenden Gedicht stellvertretend genannten Dichter aus der Sicht des Autors nahelegen.
Zur Kritik im Einzelnen:
Der Titel ist gelungen.
Die Wiege mosaisch deutscher Symbiose kann ich nicht nachvollziehen. Das Leben der jüdischen Familien dort ist nicht mehr als deduldetes Ghetto. Die Nazis schließlich ließen bis dahin bestenfalls ruhende Kettenhunde planvoll von der Leine. Träfe der Begriff Symbiose, dann müsste das totalitäre Deutsche mit den getöteten Juden mit untergegangen sein. Ist es aber nicht. Bis heute jedenfalls nicht, wie die vielfach zu beobachtenden lebensverachtenden Bemühungen in unserem Land wasserdicht belegen. Dieses Zusammenleben in der Bukowina mosaisch zu nennen erschließt sich mir aus dieser Sicht ebenfalls nicht. Die Vorgänge dort dokumentieren einen lebesverachtenden Willen, dem der Rest Europas nichts zu entgegnen hatte. Aus Gründen, die heute zwar zu erschließen sind. Einen verbreieteten Willen, das zu tun, kann ich aus der aktuellen Aktenlage heraus nicht erkennen.
Sodann wird versucht, falls ich mich auf der richtigen Fährte bewege, die Texte der bezeichneten Dichter als Rebellion und aufbegehren gegen den Nationalsozialismus zu bezeichnen. Gut, diese Dichter bezeichnen die drohenden Gefahren, sie benennen das Unmenschliche und die in der Luft liegende Verachtung. Aus meiner Sicht sind die Gedichte Paul Celans jedoch in erster Linie Hilferufe eines im Leben bedrohten, der dieser Bedrohung verzweifelt einen letzten Rest Leben abringt. Es sind Hilferufe, die heute als Echo zu vernehmen sind aus Syrien, dem Irak, aus Afghanistan, aus dem Sudan, an den EU-Außengrenzen und aus der benachbarten Flüchtlingsunterkunft, wo Menschen auf das unwürdigste verwaltet werden, sind sie zu vernehmen. Sie werden noch immer nicht gehört. Dies wäre ein Verrat, falls eine namhafte Anzahl Menschen Ohren hätte. Falls Konsens herrschte, die unteilbare Menschenwürde betreffend. Die Tatsachen jedoch widersprechen. Vielfach ist es sorgfältig kalkulierter Wille, dieses Unrecht nicht nur gewähren zu lassen. Es ist letztlich offenbar auch ein lukratives Geschäft, so die richtungsgebenden Überzeugungen. Eher kein Verrat also, sondern planvoll Strukturen und nicht Leben heiligende kalkulierte Absicht.
Aus dieser Sicht komme ich nicht umhin, den Schluß des vorgelegten Gedichtes mindestens als unglücklich anzusprechen,
da dort die Texte beispsw. einer Rose Ausländer als geschenkte Absolution an die Nachgeborenen vereinnahmt werden.
Da deren Texte offenbar, nicht wie o.g. aus einer verzweifelten Lebenslage geborene Bitten darum, Leben leben zu lassen und zu respektieren, sondern gewissermaßen als Medikament bezeichnet werden, das das Böse stellvertretend für uns wirksam bekämpft. Als ob es reichte, Hilferufe zu hören. Es reicht nicht, wie die Umstände damals dokumentieren und es reicht heute nicht, wie wir aus aktuell zu erlebenden Umständen entnehmen könnten.
Immerhin, ich rezipiere und respektiere diesen Text hier als den Versuch, Fährte aufzunehmen, den Verhältnissen auf den Grund zu kommen und dem Mut der Bedrängten, die noch in der Verzweiflung die Fahnen der Mitmenschlichkeit und der Menschenwürde zu pflegen bereit waren, als Nachgeborene den nötigen Respekt zu erweisen. Das ist nicht wenig.
Ein Versuch allerdings der aus o.g. Gründen dringendst einer eingehenden und umfassenden Inspektion bedarf.
lg
die Dohle