Können wir wieder zum Thema zurückkommen? (Zerfleischen oder Anhimmeln meines Werkes
)
Kein Problem, vielleicht noch ein Viertelchen Hackepeter?
Oder darf's auch ein bisschen mehr sein?
Lieber Bernd,
ich stimme dir einerseits zu, wenn du schreibst, dass es doch ein gutes Zeichen ist, wenn der Vokalverzicht nicht sonderlich auffällt. Das bedeutet ja, dass die Sprache nicht gezwungen wirkt, die Worte ihrem natürlichen Lauf folgen und den Sinn nicht sonderlich verbiegen. Darüberhinaus versucht das Gedicht ja auch noch den Bezug zu Goethes Vorbild zu halten. Darin liegt schon eine gewisse Leistung.
Was aber, wenn man die Rahmen nicht kennt, denen sich das Gedicht einzupassen sucht? Für den Goethe-Rahmen mag das schwer vorstellbar sein, doch was die Vokalbeschränkung anbelangt, so wirkt sie als solche doch nur innerhalb einer vorgegebenen oder selbstgestellten Aufgabe. Will damit sagen, sie hat keinen besonderen Wert außerhalb ihrer selbst, sie erhöht weder die phonetische Attraktivität noch verbessert sie den klanglichen Charakter des Gedichtes; es ist so, als würde man mit Badelatschen den Mount Everest bezwingen - am Ergebnis ändert sich dadurch nichts, außer dass man eventuell mehr Bewunderung einheimst, dass man es auf diese Weise geschafft hat. Doch zählt in der Lyrik nicht die Leistung, sondern das Ergebnis!
Vielleicht verdeutlicht sich meine Kritik, wenn ich eine andere Formvorgabe zum Vergleich heranziehe: Angenommen, du hättest Goethes Gedichtlein in ein Sonett umgewandelt, dann könnte es sein, dass der Text davon profitierte, denn die Sonettform impliziert eine spezielle Wirkung auf den Leser, die man sich zunutze machen kann. Ich schreibe das wohl wissend, dass genau dies bei vielen Sonetten leider nicht der Fall ist, dass auch hier die Leistung in den Vordergrund rückt und nicht das Ergebnis: Man ist stolz, formal ein Sonett zustande gebracht zu haben, wenn auch ohne jeden inneren Bezug.
Grüße
JB