Gefangen in der Freiheit des Chaos

Easmael

Mitglied
Jeder Mensch denkt - der Eine mehr, der Andere weniger.
Denken, produziert Gedanken - mal sehr strukturiert, häufig sehr chaotisch.
Und Gedanken, sind quasi wie die Innenarchitektur, wie das innere Design des menschlichen Verstandes, das gestalterische Konzept eines Palastes – der Gedankenpalast.
Je wahrhaftiger, echter und authentischer man lebt, desto mehr überträgt sich dieses Design auf die Fassade des Palastes: Das Leben.
Es ist das Leben, welches die Hülle des Palastes ausbildet - nicht der physische Körper des Menschen.
Scheint das Leben vieler Menschen sehr geordnet zu sein, ist es doch - gerade bei den Kreativen und Denkern - oft nur der Versuch, mit diesem Fassadenbild Ruhe und Ordnung in das tiefste Innere, eigentlich doch absolut chaotische Design des Palastes zu bringen.
Die verzweifelte Hoffnung das laute Chaos und die unaufhaltsame Bewegung, die Unruhe, zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen.
Doch egal wie sehr man seine Vorhangfassade versucht aufzuräumen, sie ist und bleibt nur die Hülle.
Eine Hülle, welche die Innenarchitektur versteckt, ummantelt und verkleidet.
Ein Art Karneval.

Sie hilft – zumindest in gewissem Maße - das tiefe innere Empfinden, welches rauscht und tobt wie die stürmische Hochsee und immer in wilder Bewegung bleibt, zu dämpfen.
Wie ein Schalldämpfer.
Sie mildert das laute, markerschütternden Geräusch des Schusses einer Waffe.
Doch am Schuss selbst, ändert sie nicht viel - das Chaos im Palast bleibt.
Es ist – zumindest durch den Einfluss der Fassade - unveränderlich, die Hülle kann keine Einwirkung auf die Innenarchitektur nehmen.
Sie kann sie nur verstecken und für einen Moment den Anschein von Ordnung und Ruhe erwecken. Möchte man jedoch tatsächlich Klarheit und Frieden finden, so kann dies nur von innen heraus auf Dauer funktionieren. Man muss erst das innere Design entsprechend anpassen, bevor man dieses auf die Fassade überträgt. Wie bei einem Mandala: Man muss von innen nach außen vorgehen.

Nun bin ich leider Architekt des Hochbaus, der sich primär mit der Fassade und im Inneren nur um die Funktion, die Position und Dimension von Raumgefügen, Wänden und Öffnungen kümmert, weniger um die ästhetische Erscheinung und Dekoration eben dieser.
Wie soll man so bloß seine inneren Ruhe finden?

Im Chaos einer unordentlichen, beinahe messiehaften Wohnung fühle ich mich unsagbar wohl. Es ist das physische Abbild meines Gedankenpalastes.
Es ist ein Gefühl von Freiheit.
Meine Freiheit!
Und ich liebe sie.
Gleichzeitig ist es manchmal mein Gefängnis, welchem ich nicht entfliehen kann. So sehr ich es auch versuche etwas Neues zu entdecken, raus zu kommen, ändere ich doch eigentlich nur die Verkleidung - hülle meinen Palast in ein anderes Kostüm.
Wie oft habe ich riesige Fenster entworfen, durch die man wunderschöne Orte sieht. Ruhige, friedliche und aufgeräumte Orte.
Doch egal wie groß diese Fenster auch waren, die Orte lagen immer außerhalb der Hülle, weit entfernt von meiner Fassade – weit entfernt von meinem Leben.
Scheinbar unerreichbar.

Und hat man es doch mal nach draußen geschafft, um die Fassade komplett aufzuräumen und zu ordnen, um für einen Moment das Gefühl von Ruhe und Ordnung zu genießen, so sehnt man sich schon bald nach dem Gewohnten: Dem Chaos.
Dem Chaos, welchem man schon so oft mit aller Kraft und voller Verzweiflung zu entfliehen versuchte.
Und ehe man sich versieht, hat die Hülle ihre Maskerade wieder abgelegt.
Komischerweise ist dieser Moment der Erkenntnis meist mit sehr positiven Gefühlen verbunden. So, als käme man von einer langen Reise endlich wieder ins traute Heim.
Dieses Wahrnehmung ist nur leider nie von Dauer, schnell erkennt man, dass man zurück in seiner Zelle ist.
Zurück in der Gefangenschaft.
Zurück, am Anfang seiner Reise.
Zurück, um diese von vorne zu beginnen.
Zurück, obwohl man nie wirklich weg war.
Der ständige Kreislauf seines Lebens.

Man erbaut einen Palast und nach der Vollendung beginnt man von vorn.
Man muss ihn renovieren und sanieren, Stück für Stück erneuern und verbessern, ihn immer wieder neu erfinden.
Wieder und wieder und wieder.
Bis der Lebenszyklus des Gebäudes vorüber geht - dann heißt es Abschied nehmen.
Der letzte Schritt ist der Abriss, die endgültige Zerstörung dieser jahrzehntelangen Anstrengung.
Nichts bleibt erhalten.
Vollständige Vernichtung.
Tod.
Ruhe.

Endlich Ruhe.
 

Easmael

Mitglied
Dies ist mein aller erster Text überhaupt. Er liest sich sicherlich sehr holperig und ich habe vom Schreiben noch keine Ahnung, aber ich würde mich sehr über konstruktive Kritik oder auch einfach nur eure Gedanken beim Lesen freuen.
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das ist eine unsinnige Frage, die bloß der Logik der Grammatik folgt, die allem ein Subjekt unterstellen will. Die Gedanken sind das Denken und das Denken ist der Gedanke.
 

Easmael

Mitglied
Das ist eine unsinnige Frage, die bloß der Logik der Grammatik folgt, die allem ein Subjekt unterstellen will. Die Gedanken sind das Denken und das Denken ist der Gedanke.
Da würde ich dir eingeschränkt erstmal zustimmen...
Aber ist das nicht nur bei "neuen" Gedanken so? Wenn ich einen Gedanken bereits hatte, und nur die Erinnerung daran erneut abrufe, ist es ein bisschen was anderes finde ich.
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Easmael,
sprachlich finde ich den Text nicht schlecht. Er hat sich flüssig gelesen. Hier noch ein paar mehr oder weniger sortierte Gedanken zum Text:

Es gibt Füllwörter und Floskeln die ich streichen würde. Zb:
mal sehr strukturiert, häufig sehr chaotisch.
Hier und auch an anderen Stellen würde ich das "sehr" weglassen. Es kommt dir doch auf den Gegensatz zwischen chaotisch und strukturiert an. Der Gegensatz wird nur abgeschwächt, wenn du mit "sehr" noch verschiedene Grade des Chaos ins Spiel zu bringst.
Und Gedanken, sind quasi wie die Innenarchitektur,
Da du dich ja auf die Metapher festlegst, würde ich das "quasi" weglassen. Im Rahmen deines Textes sind die Gedanken die Innenarchitektur und sind es nicht nur "quasi". Auch andere Abschwächungen wie "beinahe ", "meist" usw würde ich meiden.

Den Titel finde ich wenig griffig. Prägnanter wäre doch: "Gefangen in der Freiheit"

Statt "man" solltest du lieber "ich" schreiben.

Für meinen persönlichen Geschmack ist der Text recht handlungsarm. Ich verstehe, dass es dir mehr ums philosophieren geht. Aber für den Leser wird es zwischendurch doch ein bisschen trocken. Du könntest aus der Metapher eine Handlung mit durchgehenden Spannungsbogen rausarbeiten. Hausaufbau, Umbau, Notreparaturen usw. Das Ende gefällt mir in diesem Sinne aber sehr gut. Der Abriss des Gedankengebäudes ist ein starkes Bild und ein handfester Schlusspunkt.

Viele Grüße
lietzensee
 

Easmael

Mitglied
Hallo Easmael,
sprachlich finde ich den Text nicht schlecht. Er hat sich flüssig gelesen. Hier noch ein paar mehr oder weniger sortierte Gedanken zum Text:

Es gibt Füllwörter und Floskeln die ich streichen würde. Zb:

Hier und auch an anderen Stellen würde ich das "sehr" weglassen. Es kommt dir doch auf den Gegensatz zwischen chaotisch und strukturiert an. Der Gegensatz wird nur abgeschwächt, wenn du mit "sehr" noch verschiedene Grade des Chaos ins Spiel zu bringst.

Da du dich ja auf die Metapher festlegst, würde ich das "quasi" weglassen. Im Rahmen deines Textes sind die Gedanken die Innenarchitektur und sind es nicht nur "quasi". Auch andere Abschwächungen wie "beinahe ", "meist" usw würde ich meiden.

Den Titel finde ich wenig griffig. Prägnanter wäre doch: "Gefangen in der Freiheit"

Statt "man" solltest du lieber "ich" schreiben.

Für meinen persönlichen Geschmack ist der Text recht handlungsarm. Ich verstehe, dass es dir mehr ums philosophieren geht. Aber für den Leser wird es zwischendurch doch ein bisschen trocken. Du könntest aus der Metapher eine Handlung mit durchgehenden Spannungsbogen rausarbeiten. Hausaufbau, Umbau, Notreparaturen usw. Das Ende gefällt mir in diesem Sinne aber sehr gut. Der Abriss des Gedankengebäudes ist ein starkes Bild und ein handfester Schlusspunkt.

Viele Grüße
lietzensee
Hallo Lietzensee,

vielen lieben Dank für dein ausführliches Feedback!
Du hast vollkommen recht mit deinen Anmerkungen, ich sollte den Text um einige Wörter reduzieren und mich auf man und oder ich festlegen.
Ich werde mir die Anmerkungen zu herzen nehmen und den Text überarbeiten :)
Wie läuft das hier im Forum mit Überarbeitungen ab? Postet man die als Kommentar unter den originalen Post oder macht man einen Post dafür auf?

Viele Grüße,
Easmael
 

lietzensee

Mitglied
Hallo Easmael,
es freut mich sehr, dass du meine Anmerkungen hilfreich findest. Du kannst direkt dein Ausgangsposting überarbeiten. Unter deinen eigenen Texten findest du immer einen Link: "Bearbeiten".

Viele Grüße
lietzensee
 



 
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