gewitternacht

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
turner turning around in his grave

der titel läßt ein direktes naturgedicht erwarten. das heißt: es wäre möglich gewesen, "sturm", "blitze" und "himmel" zu vermeiden, zu ersetzen, zu umschreiben, aufzubrechen und zu öffnen. aber "sturm" ist gleich das erste wort, und anstatt daß das meer dramatisch lebt, steht es glatt da, das substantiv:
sturm über dem nächtlichen meer
blitze entlang des horizonts
den himmel zerreißend
wenn die blitze am horizont entlang zucken - oder meinetwegen entlang des gehnietiefs -, verschwinden sie in ebendemselben. dann zerreißen sie den himmel nicht, den schon so oft von blitzen zerrissenen. immerhin passiert jetzt was. wie wäre es, wenn die blitze das meer zerrissen? und der himmel wie gischt zerspritzte? wolken wie flaschengrüne krokodile oder purpur-rosa englische minze (dieses zahnschmerzende zuckerzeug)?

ein leuchtfeuer
sendet einsame zeichen
ins tosende dunkel
"senden" könnte stark werden, wenn die radiometapher ausgebaut wäre, oder die propheten-archaik, - "einsam" ist überflüssig sentimental, das würde ich durch-ixen mit einer paradoxie, einer poetischen frechheit - "tosendes dunkel" ist dafür zu nett, obwohl jetzt endlich mal etwas dramatik hineinspielt, bevor das biedermeier das bildchen abrundet:
und hinter betropften scheiben
sitzen wir warm
staunend fern
von jedem schlaf
dionysische gewalt hätte es, wenn die staunenden nicht "fern" von jedem schlaf wären, sondern hypnotisch gebannt, also mit aufgerissenen augen schlafend, nicht selbstkontrolliert wach, sondern dem wahnsinn ausgeliefert. die scheiben bersten, innen ist außen, außen innen. aber so nun ein gewitter wie im fernsehen. vielleicht wetterbericht. sollte es so sein, so wenig? nun ja, warum nicht. geht alles.
 

anbas

Mitglied
Hallo mondnein,

ich danke Dir für die ausführliche Auseinandersetzung mit dem Gedicht. Viele Deiner Kritikpunkte kann ich nachvollziehen. Schade nur, dass Du diesen, wie ich finde, sarkastischen Unterton anschlägst - ohne ihn würde es mir jedenfalls leichter fallen, die Kritik auch anzunehmen.

Wie auch immer - ich lasse das Gedicht hier erst mal so stehen, werde es aber bei mir in den "Bastelordner" verschieben, wo all die Texte landen, an die ich bei Gelegenheit noch einmal ran will.

Schöne Grüße

Andreas
 
G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Hallo anbas!

Gedichte sind, im Gegensatz zu anderen Literaturformen, immer eine sehr persönliche Angelegenheit.
Wenn du die Kritik von mondnein annehmen und dein Gedicht entsprechend verändern würdest, wäre es nicht mehr dein Gedicht, sondern das von mondnein, und dann wahrscheinlich, weil es von dir und nicht von ihm wäre, ein schlechtes.
Mir gefällt dein Gedicht. Wenn ich mir die Szene vorstelle und selber ein Gedicht darüber schreiben wollte, würde es natürlich ganz anders aussehen. Aber das hat mit der Qualität deines Gedichtes nichts zu tun.

Gruß, Hyazinthe
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
grüßdich, anbas!
ja, ich habe mich mit deinem lied befaßt, und das ist ja zunächst auch nichts böses, denn leider ist es das normale hier in der lupe, daß auch gute, sogar sehr gute lieder shcon mal völlig unkommentiert liegen bleiben und in die vergessenheit wegrutschen.
du irrst dich aber, wenn du bei mir einen sarkastischen unterton vermutest. nein, das ist eine ziemlich alberne unterstellung (auch wenn ich schon mal ein bißchen zwischenscherze, ab und zu mal). ich will mich schließlich nicht darüber ärgern oder dafür schämen müssen, daß ich so im einzelnen auf ein lied eingegangen bin. nein. es hat mit einer gewissen nähe und vergleichbarkeit (auch des niveaus) unserer beider texte zu tun, daß ich gern sage, wie ich selbst bei einem naturgedicht vorgehen würde. ich denke, du hast mich gut verstanden (bis auf den sarkasmus-verdacht - der liegt daneben). kurz: ich schreibe vergleichbares.

und wenn wir nur persönliches sekretieren wollten, würden wir nicht die öffentlichkeit der lupe suchen.
 

anbas

Mitglied
Hallo Hyazinthe,

ich freue mich, dass Dir das Gedicht gefällt, und danke Dir für Deine Rückmeldungen und Gedanken zu mondneins Kommentar.

Ich sehe es durchaus wie Du, dass man nicht jede konstruktive Anregung "blind" aufnehmen sollte. Da geht in der Tat der eigene Stil verloren - zumindest besteht die Gefahr, dass dies geschieht.

In einem anderen Punkt kann ich Dir allerdings nicht ganz folgen:
Gedichte sind, im Gegensatz zu anderen Literaturformen, immer eine sehr persönliche Angelegenheit.
Zum einen hat für mich jeder Text auch eine persönliche Note. Egal, ob Prosa oder Lyrik - es gibt Werke, die sehr persönlich sind (in Prosa z.B. der Bereich "Tagebuch"). Dort stehen Form und Stil eher im Hintergrund. Wenn ich diese Texte aber in einem Literaturforum wie der Leselupe poste, muss ich damit rechnen, dass es genau hierzu auch Anmerkungen gibt - und das ist der Sinn und Zweck der Leselupe. Es geht hier darum, sich in seinem eigenen Stil weiterzuentwickeln - und das geht eben nur durch solche Rückmeldungen.

Natürlich bleibt es meine Sache, welche Kritikpunkte ich annehme und welche nicht. Ich habe hier in der Leselupe u.a. lernen müssen, dass a) kaum eine Kritik persönlich gemeint ist (auch, wenn es sich manchmal so anfühlt), b) ich nicht jeden Änderungsvorschlag übernehmen "muss", c) ich trotzdem für jeden Änderungsvorschlag offen sein sollte, d) dass es Kommentatoren gibt, mit deren Anmerkungen ich so gut wie nie etwas anfangen kann :D und e) dass es einige wenige Lupianer gibt, denen ich dann doch egozentrisch-überhebliche Klugscheißerei unterstellen möchte (wozu - um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen - mondnein für mich definitiv nicht gehört!).



Hallo mondnein,

für die Beschäftigung mit meinem Gedicht - oder, wie Du es nennst, "Lied" - habe ich Dir gedankt und danke noch mal (und das meine ich auch wirklich so!!!). Ich gebe Dir recht, dass viele Texte unkommentiert bleiben, obwohl sie eine Rückmeldung verdient hätten (wobei ich mir da auch an die eigene Nase fassen muss ;) ).

Deine Anmerkungen fand und finde ich weiterhin als gut und beachtenswert. Ob ich etwas davon übernehme, weiß ich noch nicht. Wie ich bereits schrieb, möchte ich mir damit Zeit lassen.

Was den sarkastischen Unterton betrifft, so nennst Du es eine "alberne Unterstellung". Ich wollte Dir nichts unterstellen und erst recht nicht albern sein. Mit der Formulierung "wie ich finde" wollte ich sagen, dass ich den Unterton als sarkastisch empfinde. Somit ist es keine Unterstellung, sondern ein Eindruck - vielleicht hätte ich das noch deutlicher als einen solchen beschreiben sollen.

Nun hast Du klargestellt, dass ich mit meiner Empfindung daneben lag. Damit ist die Sache für mich auch erledigt.


Euch beiden noch einmal meine herzlichen Dank für die Rückmeldungen.


Liebe Grüße

Andreas


... übrigens hat sich revilo, unser derzeit (leider) pausierender Kurzformlyriker :D , hinter den Kulissen zu diesem Text geäußert und auch eine sehr spannende konstruktive Kritik abgegeben - natürlich enthielt sie vor allem eine Reihe an Kürzungsvorschlägen ... :D
 



 
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