Gräsermeer

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Um dunkle Halme gehst, Geheimnisvolle,
du -wie in den Wind geboren

Und um das Üppige der Ähren rinnt
-als wäre er zum ersten Mal geworden-
der Morgen

Dein Flüstern
-als habe es mich hochgehoben-
aus einem grasmeergleichen Gestern
Als sei vor deiner Nacktheit in den Grasmeerwogen
aus weißer Muschelseide schüchtern
(halb sinkend und halb hochgezogen)
ein Kleid aus einem Stern
gewoben

Die hohe Stirn ins Licht gehoben
lächelst du
Wohin hast du mich aufgehoben
Ich kann das Ufer sehen!
 
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G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Hallo Dionysos,

ich habe den Eindruck, dass sich deine Lyrik im Moment in einem Prozess befindet, welcher dich ein bisschen von deinem barocken Stil entfernt. Ich persönlich finde das spannend, da dieses Gedicht mir zeigt, dass dein Schreiben an Klarheit gewinnt, ohne an Poesie zu verlieren.

Was mir hier aber am besten gefällt, ist der Klang deiner Zeilen. Assonanzen und Reime wechseln sich ab und erzeugen eine Tonlage, die wie ein Klavierstück in Moll immer um den eher dunklen Vokal o kreist: So tragen allein 10 der 17 Verse im letzten Wort diesen Buchstaben in sich! Dadurch entspringt dem Gedicht die von mir sehr geschätzte Mischung aus einem zärtlichen und manchmal beschwingten Inhalt und der nötigen Portion Melancholie.

Gern gelesen!

Liebe Grüße
Frodomir
 

James Blond

Mitglied
Mir sind es allerdings etwas zu viele Reimwaisen, Wortwiederholungen und unreine Reime, die ein heterogenes Bild abgeben.
 
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G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Assonanzen können ja auch zum Klang eine Menge beitragen. Auf mich wirkt das Gedicht melodisch, warum sollte ich mich also dafür interessieren, wie viele Reime nun im Detail zu finden sind?
 

James Blond

Mitglied
Ja, richtig: auch der Klang ist wichtig - aber unter Gereimtes verstehe ich etwas anderes. Ich finde, das Gedicht wäre insgesamt besser im Ungereimten aufgehoben. Da können ja durchaus auch Reime vorkommen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Wahrscheinlich lassen sich Argumente für beide Kategorien finden - für mich ist es deshalb, mit Verlaub, nicht so wichtig, wo ich das Gedicht nun lesen kann.
 

James Blond

Mitglied
Für mich spielt es allerdings schon ein Rolle, wo das Gedicht zu finden ist, weil ich nur im Gereimten unterwegs bin. :)
In der einleitenden Erläuterung (#1 im Gereimten) wird ein Wiki-Artikel zum Thema Reim zitiert. Der sollte als Orientierung dienen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Dann hast du doch Glück. dass Dionysos das Gedicht hier eingestellt hat - sonst wäre es dir entgangen :)
 

James Blond

Mitglied
Ich würde das allerdings nicht als Glück bezeichnen ...
Gewöhnlich entgehe ich im Gereimten solchen Gedichten. :cool:

Gute Nacht!
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 24777

Gast
Ich denke, du wirst es überleben ;)

Schlaf gut!

Liebe Grüße
Frodomir
 

fee_reloaded

Mitglied
Ich finde es im Ungereimten auch richtig aufgehoben, lieber Dio!

Und wieder einmal genieße ich, wie du mit Wortklang und Rhythmus etwas webst, in das ich mich beim Lesen sinken lassen kann wie in ein kostbares, schmeichelndes Tuch.

Schon alleine deshalb würde ich der Zuordnung deiner Texte ins Ungereimte prinzipiell den Vorzug geben, denn wer in der Rubrik "Gereimtes" liest, hat - zu Recht - bestimmte Erwartungshaltungen an Reimabfolgen und Rhythmus (die aber eben viel strenger und starrer angesetzt sind). Dadurch geht man beim Lesen mit der falschen Einstellung an deine Texte heran und deine Intention hinter dem teilweisen Spiel mit sauberen und auch unsauberen Reimen und rhythmischen Klangbildern, die viel freier ist, kann dabei gar nicht erfasst werden. Und das finde ich schade, denn du nimmst dir damit diese Chance selbst.

Einige Wortwiederholungen möchte ich allerdings - trotz des Genusses der Lektüre - hier markieren, die dem Text von seiner Eleganz und Verspieltheit nehmen:

Um dunkle Halme gehst, Geheimnisvolle,
du -wie in den Wind geboren

Und um das Üppige der Ähren rinnt
-als wäre er zum ersten Mal geworden-
der Morgen

Dein Flüstern
-als habe es mich hochgehoben-
aus einem grasmeergleichen Gestern
Als sei vor deiner Nacktheit in den Grasmeerwogen
aus weißer Muschelseide schüchtern
(halb sinkend und halb hochgezogen)
ein Kleid aus einem Stern
gewoben

Die hohe Stirn ins Licht gehoben
lächelst du
Wohin hast du mich aufgehoben
Ich kann das Ufer sehen!
Die letzte Strophe an sich ist vom Klanglichen m.M.n. etwas zu - ich weiß auch nicht besser, wie ich das nennen soll - "oh- und ho-lastig". Da ist die hohe Stirn, zwei Mal gehoben und noch das Wohin....viele "h" prallen da klanglich auf engstem Raum aneinander. Vielleicht findest du ja für das eine oder andere einen eleganteren Ersatz, der besser zu deiner ansonsten tänzerisch-verspielten Sprache passt....

Gerne gelesen!
LG,
fee
 
Hi @Frodomir

Du hast alles Wesentliche wie immer wunderbar auf den Punkt gebracht. Merci !

@fee_reloaded ich freue mich, dass Du hier wieder aktiver bist. Das Forum gewinnt nicht nur durch Deine große Lyrik, auch durch Deine Besprechungen. Ich verstehe, dass das Spiel mit den Wortwiederholungen hier schnell kippen kann und für Dich auch gekippt ist. Ich hatte es mir als Aufgabe gesetzt möglichst viel mit den dunkleren Holz- / Erdklängen zu spielen. Dabei ist die Grenzwanderung nicht optimal geglückt. Schön, wie Du das hier beschreibst "ein kostbares, schmeichelndes Tuch". Das ist wunderbar ! merci !
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

Mitglied
Das Forum gewinnt nicht nur durch Deine große Lyrik, auch durch Deine Besprechungen.
Ach, das ist sehr lieb und aufmerksam von dir, das zu sagen, Dio. Herzlichen Dank dafür!

Ich war jetzt einige Zeit ziemlich angeschlagen, habe zwar stets mitgelesen, hatte aber das Gefühl, gar nicht erst mehr versuchen zu brauchen, mit den vielen mega-ausführlichen und langen Kommentaren der letzten Zeit konkurrieren zu wollen. Das ist auch nicht so meins, ehrlich gesagt, wenn der Kommentar den eigentlichen Text schon beinah erschlägt und in den Schatten stellt.

Umso mehr freu ich mich, wenn ich dir mit meinen Zeilen trotzdem eine Freude machen konnte.

LG,
fee
 
mit den vielen mega-ausführlichen und langen Kommentaren der letzten Zeit konkurrieren zu wollen.
hi Fee

ich glaube da macht es doch die Vielfalt, ohne, dass das eine mit dem anderen "konkurrieren" sollte. Ich bin ja auch gerne jemand, der sich bei Texten bei denen es sich für mich lohnt intensiv beschäftigt und recht ausschweifend kommentiert. Ich habe auc hschon mit großem Erkenntnisgewinn für mich vorzügliche Kommentare unter meinen Texten (lange wie kurze) vorgefunden, die meinen Horizont erweitert oder mir neue Perspektiven ermöglicht haben.

Das wird nicht von jedem Autor gemocht! Es gibt durchaus Autoren, die -insbesondere wenn man tiefer gräbt als es dem ein oder anderen lieb ist- abgeschreckt, ja möglicherweise auch abgestoßen sind. Mein Kollege Sufnus durfte ja zuletzt auch diese Erfahrung bei einem inhaltlich wirklich vorzüglichen und lehrreichen Kommentar machen.

Nun, das muss man in einem Literaturforum in Kauf nehmen. Niemand zwingt ja den Schreiber dazu seine Geschöpfe auf die Menschheit loszulassen. Insofern gehört also für mich das Empfangen langer und ausschweifender, aber auch kurzer knackiger Kommentare zum "allgemeinen Lebensrisiko" des Schreiberlings. Und was für den Schreiberling selber gilt, sollte erst recht für die anderen "Homeoffice-Workshopteilnehmer" dieses großen anonymen kreativen kollektiven Schreibkurses gelten und bei allem Gelassenheit: Vor dem Kommentar ist nach dem Kommentar.

Von meinen Kommentaren soll sich aber bloß niemand eingeschüchtert fühlen. Im besten Falle bloß: Herausgefordert oder im zugewandtesten Sinne provoziert ;-) Für mich ist die Grenze erst da erreicht, wo ein Werk absichtlich der Lächerlichkeit preis gegeben wird und eine Art Cyber-Mobbing oder Hetzjagd stattfindet zB durch etliche Iterationen von Verballhornungsgedichten auf das Werk des Angriffs. Da werde ich zur Furie (und bin es auch in der Vergangenheit schon geworden! Nicht bei meinen eigenen Werken wohlgemerkt aber bei anderen, die sich nicht so gut wehren können. Schließlich ist immerhin noch jeder aufrichtige Ausdruck von Geschriebenem ein unmittelbarer seelischer Ausdruck und damit per se wertvoll, jedenfalls aber würdevoll zu behandeln m.M.n.). Solange Kommentare aber sachlich im Text belastet sind und eine aufrichtige Auseinandersetzung mit dem Werk des Autoren erkennen lassen ist es doch völlig egal, wie sie gestaltet sind meiner Meinung nach.

compliments!

Dio
 
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sufnus

Mitglied
Hm... Fee hat mit den erschlagenden Kommentaren einen bedenkenswerten Punkt, den ich mal ein bisschen innerlich hin- und herwenden will ;) Nebenbefundlich freu ich mich aber natürlich sehr, dass Dio an dieser Stelle so freundlich
meiner gedenkt => Labsal für den inneren Sufnulus. :)

Für mich klingen die Zeilen übrigens sehr deutlich gereimt, auch wenn ich verstehe, was den Text in manchen Ohren ungereimt wirken lässt. Jedes Hörorgan ist eben anders gestimmt. Auf alle Fälle mag ich diesen Sound hier!

... und btw. vielen Dank an Frodomir fürs Aufmerksammachen auf die O-betonten Versausklänge! :)

LG!
S.
 



 
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