Grelling-Nelson

mondnein

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"Daktylus" und "Anapäst" sind zwei Verfußnamen, die sowohl bei iktischer als auch bei quantitierender "Betonung" autolog sind.

Wichtiger ist aber vielleicht: daß wir eigentlich nur zwei Versfüße haben, wenn sie keinem Einbein den Fuß machen, sondern in mehrfüßigen Zeilen aufeinander folgen.
In der im Abendland entwickelten Musik-Notation setzt man Taktstriche vor die Hauptbetonungen der "Takte", und schreibt ganz vorne vor die Noten, gleich nach dem Notenschlüssel und den Kreuzchen und Bes, ob es ein Dreier- oder Vierertakt ist, seltener ein Fünfer- oder Siebener-Takt. Das entspricht den sprachlichen Versfüßen, insofern wir meistens Zweiertakte und Dreiertakte haben: zweitaktig sind Jamben und Trochäen, dreitaktig die Daktylen, Anapäste und Amphibrachyen, (und auch die Spondeen als kongruent mit den Daktylen).

In Musik-Notationssystem kann die Phrase mit einem Auftakt beginnen, das wäre (metrisch gesprochen) ein Iambus, wenn es sich um einen Vierertakt handelt, und ein Trochäus, wenn die Melodie mit dem Haupttakt nach dem 'Taktstrich beginnt. Es ist in der taktstrichgeordneten Notation gewissermaßen egal, ob der Einstieg als Iambus oder als Trochäus mit Auftakt aufgefaßt wird, und ob zwei Nebentaktschläge vor dem Taktstrich stehen und den daktylischen Dreiertakt mit einem Anapäst anfangen lassen. Bei den "männlichen" und "weiblichen" Versenden ist ja auch nicht namengebend, ob es trochäisch (weiblich) endet oder iambisch (männlich).
Iam | bus iambus iambus iam | bus ...
= Auftakt | Trochäus trochäus trochäus ...

und entsprechend bei den Verfüßen, die man als "daktylisch" bezeichnet, auch wenn sich die einzelnen Wortgruppen als Anapäste und/oder Amphibrachyen gliedern lassen.

Das nur ins Grobe geschrieben.

grusz, hansz
 

mondnein

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mir ist klar, warum der zuerst ziemlich flüssige Dialog mit meinem Beitrag abbricht: das Thema war ja auf die Autologie von Daktylus und Anaäst und die Nichtautologie von Iambus und Trochäus beschränkt.

tschuldigung, ich würde meinen seiteneinsteigenden Beitrag gerne löschen, denn das Abwürgen der etwas abundanten "Diskussion" ist mir peinlich
 

mondnein

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Auch wenn man sich nicht genau an die lateinische Aussprache hält, kann man bei dem Vergilvers "Quatrupedante putrem sonitu quatit ungula campum", in dem ein wilder, "vierfüßiger" Galopp geschildert wird, hoffentlich einen daktylisch-lautmalerischen Pferdegalopp heraushören. Aber tatsächlich sind dabei keineswegs alle betonten Silben kurzvokalig.
natürlich nicht:
die betonten Silben sind selbstverständlich allesamt lang!, denn der Vers ist quantitierend zu lesen.
Quátrupedánte putrém sonitú quatit úngula cámpum
Dabei sind zwei Regeln zu beachten:
1. die Positionslängen, d.h. Silben, bei der auf einen naturkurzen (oder ohnehin problemlos naturlangen) Vokal zwei Konsonanten folgen, gelten als lang, z.B. "pedante" mit dem "nt" nach dem naturkurzen "a", was auch gut verständlich ist, da der Doppelkonsonant die Aussprache der Silbe verzögert;
2. eine Ausnahme davon ist die "muta cum liquida", aber es ist nur eine mögliche, keine zwingende Ausnahme, d.h. die Doppelkonsonant-Verbindung von hartem oder weichem Explosivlaut vorne und einem unmittelbar folgenden langsprechbarem Laut wie z.B. einem Nasal (m. n) oder Halbvokal (j, v, geschrieben als i und u, uns bekannt beim qu) oder l oder r wird meistens als kurz gemessen. Die Ausnahme von dieser Ausnahme, also Weitergeltung der Regel 1, ist bereits die erste Silbe des zitierten daktylischen Hexameters Vergils, wo trotz der muta cum liquida "tr" die Silbe "Quatr" als lang gelten muß, sonst paßte sie nicht in den Hexameter, der unbedingt mit einer langen Silbe anfangen muß.
Bei "putrem" allerdings gilt "muta com liquida", d.h. die erste Silbe des Wortes ist die zweite unbetonte des Daktylus an dieser Stelle, also eine kurze Silbe. Die zweite Silbe eben dieses Wortes ist lang (und bewirkt eine Endbetonung des zweisilbigen Wortes), denn dem naturkurzen e folgen die beiden Konsonanten "m s"; und "ungula" beginnt lang, da dem naturkurzen u die beiden Konsonanten n und g folgen; und "campum" beginnt lang, da das naturkurze "ca" von den Konsonanten m und p geschlossen wird.

genug der Klugscheißerei

grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet:

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Mondnein, in welcher Form ist es in der deutschen Sprache verwendet, die ja nur selten mit langen und kurzen Silben arbeitet, meist in Musik oder musikartigen Stücken.
Ich meine, wie wird es deutsch gesprochen? Und ist es fachsprachlich anders als umgangssprachlich?

Soweit ich sehe, war die Diskussion bisher themenbezogen, ich sehe keinen Grund zu löschen, zumal alles aufeinander aufbaut.
 

sufnus

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Aber tatsächlich sind dabei keineswegs alle betonten Silben kurzvokalig. Das Betontungsempfinden war recht subtil und ich bin zu wenig in der Materie drin, um mich hier zu äußern, aber es kommt dabei in recht differenzierter Weise auf das Zusammenspiel von Vokalen und Konsonanten an - es ist also nicht einfach nur die Silbenlänge nach deutschem Verständnis. :)
natürlich nicht:
die betonten Silben sind selbstverständlich allesamt lang!, denn der Vers ist quantitierend zu lesen.
Danke für die gutgelaunte Verschreibe-Korrektur - obig sollte es bei dem Unterstrichenen natürlich heißen: … betonten Silben langvokalig… womit gemeint ist: im deutschen Sprachverständnis langvokalig wie bei "lahm" (vs. "Lamm").
Und sehr erfreulich, das Du nochmal die Basisregeln der quantitierenden Metrik so freundlich-zugewandt auf einen allgemeinverständlichen Nenner gebracht hast.
LG!
S.
 

mondnein

Mitglied
Hallo, Mondnein, in welcher Form ist es in der deutschen Sprache verwendet, die ja nur selten mit langen und kurzen Silben arbeitet, meist in Musik oder musikartigen Stücken.
Ich meine, wie wird es deutsch gesprochen? Und ist es fachsprachlich anders als umgangssprachlich?
Ich muß zuerst einmal überlegen, worauf genau Du Dich beziehst; es geht allgemein wohl um den Unterschied zwischen den quantitierenden antiken Hexametern, lateinisch und griechisch, und den iktischen deutschen, d.h. den "hexametrischen" Versen, die mit der Lautstärkenbetonung arbeiten.

Das Problem wurde eigentlich an der "muta cum liquida"-Regel besonders deutlich, kurz: Diese Regel hat im Deutschen keine Bedeutung, es gibt sie nicht. Sie betrifft nur die Längen- und Kürzen-Messung der Silben, und die ist für die Betonung deutscher Wörter unmaßgeblich.
Und da ist es schon mal auffällig, daß die Betonung im Deutschen mit den stärker oder lauter gesprochenen betonten Stellen der Wörter ausnahmslos an die einzelnen Wörter gebunden ist, während in den lateinischen und griechischen Versen die Längen und Kürzen so über die gesamten Verse, also über die einzelnen Wörter hinweg, gelesen und gemessen werden, daß man im Grunde alles ohne Pausa hintereinander schreiben könnte. Und siehe da: das ist tatsächlich die Schreibweise antiker Texte.
Im Deutschen dagegen ist die Betonung, der "ictus", der "stress", lexikalisch vorgegeben, man muß das Wort kennen oder im Lexikon nachschlagen.
Im lateinischen Vergil-Bespiel oben sind schon zwei Wörter aufgrund ihrer Stellung im Vers endbetont: putrém sonitú. von denen das erste durch das m am Wortende und, als ob es keine Pausa zwischen den Wörtern gäbe, durch das mitgezählte s (am Anfang von sonitu) positionslang endet; das zweite Wort, sonitu, endet nach zwei kurzen Silben auf einem naturlangen Ablativ-û.
Es spielt für das Lateinische nämlich keine Rolle, daß man in der Prosa oder bei Isolierung der einzelnen Wörter "pútrem" und "sónitu" lesen dürfte, Aber das könnte auch deutsche Schulaussprache sein, die durch die Jahrhunderte hindurch vieles "deutsch" verbogen hat. Es ist zu vermuten, daß auch in der Prosa der Redner, die immerhin mit quantitierenden Stilfiguren arbeitet, allerdings von denen der Dichtung etwas verschieden sind und andere Verteilungen von Längen und Kürzen "singt", die Wörter endbetont besprochen wurden, wenn sie z.B. auf dem langen Vokal eines Ablativs oder auf einem Diphthong endeten. Das wurde bei den Schlüssen von Abschnitten oder Sätzen besonders beachtet, sie wurden offensichtlich rezitierend "gesungen", ihre Betonung wurde nicht aus dem Lexikon und durch die lateinische Betonungsregel (ein einzelnes Wort wird auf der vorletzten Silbe betont, wenn diese positions- oder naturlang ist; sonst geht die Betonung auf die drittletzte Silbe zurück) vorgegeben.
Es klang gewiß noch flüssiger als im heutigen Italienischen, wo fast alle Silben offen enden, was diese Sprache so gesangstauglich macht.

Im Deutschen haben wir ein Spondeus-Problem. Der Spondeus, also der Zwei-Längen-Versfuß, ersetzt im Hexameter den Daktylus: die Doppelkürze in der zweiten Hälfte des Daktylus wird dann durch eine Länge ersetzt, die aber nicht betont gesungen wurde, die gewissermaßen nicht als Haupttakt hinter dem Taktstrich stand.

Die antiken Verse haben also drei Dimensionen der Betonungsweise:
1. die Tonhöhen des alten indoeuropäischen Tonhöhensystems, das noch in den Veden und in der griechischen Schrift (Akut, Gravis, Zirkumflex) geschrieben wird, für die rezitierende Dichtung (und die Rhetorik) bei den Griechen aber keine Rolle mehr spielt
2. den Iktus, den Haupttakt nach dem Taktstrich (in der musikalische Notationsweise), in der Regel Anfangssilbe des Trochäus und des Daktylus und zweite Silbe des Iambus
3. die quantitierende Silbenmetrik, die sich von den lexikalisch konservierten Tonhöhen (1.) und der lateinischen Betonungsregel absetzt, indem sie Endbetonungen erlaubt.

Iktische Spondeen sind im deutschen "Hexameter" nicht unterscheidbar von iktischen Trochäen. Deshalb können in der deutschen Dichtung die iktischen Daktylen von iktischen Trochäen ersetzt werden, wo also statt der Doppel-Unbetonten eine Einfach-Unbetonte zwischen den Betonten erscheinen kann, und keiner merkts, es sei denn, er beckmessert unangemessen rum. Das musikalische Sprachgefühl stört sich eher an den typisch deutschen Konsonantenhäufungen an iktisch unbetonten Stellen, vor allem dann, wenn die Doppel-Unbetonten von solchen kakophonischen Stolpersteinen vollgeladen werden.

Ich hoffe, das hilft,

grusz, hansz
 
Zuletzt bearbeitet:

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke sehr. Es erinnert mich an den Steinacher Dialekt, wo es sogar drei Längen gibt, die bedeutungsunterscheidend sind. (Nach Emil Luthardt: Mundart und Volkstümliches aus Steinach, Thüringerwald, und dialektgeographische Untersuchungen im Landkreis Sonneberg, im Amtsbezirk Eisfeld, Landkreis Hildburghausen und in Scheibe im Amtsgerichtsbezirk Oberweißbach, Landkreis Rudolstadt. Hamburg 1963
und nach eigener Erfahrung, gibt es Vokallängen dort, die "bis zum Mond reichen) ich bin dort geboren - und war oft dort.)

Kümmda neeee (netont) miii (unbetont oder Nebenbetonung) (Kommst du nicht mit? (enttäuscht: du kommst wohl nicht mit? Komm doch mit!)
 



 
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