Grundschule (5)

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Scal

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Der Opa mag mich und der Papa und die Mama mag mich auch. Das weiß ich, weil ich spür das. Darum macht mir das eigentlich gar nix aus, wenn zum Beispiel die Mama manchmal was sagt, wo ich mir denke: „Komisch, wieso sagt sie das jetzt?“.

Es war nämlich so: Ich bin hinter unserm Haus bei unseren Kulimuh's vorbei bis zum Waldrand hinaufgegangen. Das mache ich öfter so, weil dort sind die riesengroßen Felssteine und dazwischen wachsen die Wurzelschlangen von den Bäumen und die ganzen Heidelbeergestrüppe. Ja, die großen Steine, das ist wirklich schwer, dass man sich die richtig vorstellen kann, wenn man die nicht sieht. Außerdem, das ist, glaube ich, sogar ziemlich ganz unmöglich, dass man das jemanden sagen kann, wie das ist, wenn man auf den Steinen herumklettert und dann droben drauf steht. Die Steine, die lehnen so schräg und buckelig aneinander, wie Freunde, und da gibt's auch einige, die übereinander liegen oder aufeinander. Also, man kann's nicht beschreiben, man muss das einfach alles in Echt spüren.

Einer von denen ist mein Liebling, der schaut irgendwie besonders nett aus, ich mag ihn sehr. Er hat so eine knollige Nase und das Moos macht Haare und da ist eine dicke Ritze, das sind seine Augen. Zwar ist er immer ganz still, wenn ich anschau, aber ehrlich gesagt, irgendwie bin ich mir sicher, dass er mich sieht und genau zuhört, wenn ich zu ihm was sage. Und weil ich ihn so gern mag, hat er von mir einen Namen gekriegt. Huckli heißt er, Huckli. Das kommt davon, weil er so hucklig hockt.

Na ja, was ich eigentlich auch noch erzählen möchte, ist, dass ich ja manchmal auch mit dem Stefan im Wald bin. Der Stefan ist schon ein bisserl größer wie ich und kann schon richtig ein Buch lesen. Und da hat mir der Stefan neulich gesagt, dass er ein Buch lest von einem Buben aus Amerika und dem seinem Freund, und dass die auch so viel herumgelaufen und herumgekraxelt sind und ganz ganz viele spannende Sachen erlebt haben. „Huckliberrifinn“ hat er gesagt, der Stefan, so heißt der Bub. Das hat mir sehr gefallen und drum hab ich mir das gut gemerkt und ja, wie ich dann heute wieder daheim war, da habe ich zur Mama gesagt: „Mama, ich hab vorhin dem Huckli von Huckliberrifinn erzählt, ich glaub, das hat ihm ganz viel Freude gemacht!“ Na ja, und da hat dann eben die Mama nur den Kopf geschüttelt und hat laut gemurmelt: „Du bist wirklich manchmal ziemlich komisch“.

Aber, wie schon gesagt, das macht mir nix. Hauptsache, sie mag mich. Davon bin ich felsenfest überzeugt, weil das spür ich.
 
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Huckli heißt er, Huckli. Das kommt davon, weil er so hucklig hockt.
Ich weiß jetzt ganz genau, wie der Huckli aussieht und wie er hockt.

Inzwischen bin ich schon ein bisserl zu steif, um selbst hucklig zu hocken, aber ich weiß, dass ich das als Kind im Wald selbst oft gemacht habe. Zum Beispiel, wenn ich stundenlang kleine Wasserstraßen und Hafenbecken beim kleinen Bach am Wanderweg gegraben und angelegt habe. Wenn man das richtig kann, kann man stundenlang hucklig hocken, ohne dass was weh tut.
 

Scal

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Dankeschön fee,

mir geht's auch so. Ich spiel mit meinem kleinen Enkel gerne am Bach und muss mich viel viel öfter recken und aufrichten als in früheren Jahren - logisch und schade.
Ich vermute mal oder bin mir ziemlich sicher, dass es gewisse Ähnlichkeiten in unserer österreichischen Kinderzeit gegeben hat. Ich bin ja noch bei Petroleumlicht in einem kleinen Nähzimmer auf die Welt gekommen und es gab daheim keinen Fernseher, kein Telefon und kein Auto - bis in die späteren Jugendjahre hinein. Meine Eltern sagten oft zu uns Kindern: "Geht's do auss! Is eh so schee draußn!" Das haben wir gerne befolgt. Draußen tummelten wir uns dann mit den anderen Kindern.
Ich bin ja sehr froh, dass ich so aufwachsen durfte.

Mein Textlein liegt im kleinen Nähzimmer von der Dichterburg, im Stübchen links unten, dort im Eck, wo der Efeu sehr dicht ums Fensterchen wuchert, also ziemlich weit weg vom zugigen Haupteingang, der da drüben zu den Treppen, Sälen und anderen Gemächern führt. Man hört da kaum die Stimmen von den Fluren, wenn man sich hineinsetzt.

Lieben Gruß
Scal
 

petrasmiles

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Ach, eigentlich muss noch nicht Schluss sein, oder?
Weil es doch eine Realität ist, wenn es eine Realität war - ich argumentiere schon wie Dein LyrI-Bub :D
Was ich meine: Alles, was man erfährt - gerade, wenn es so anders ist als die Jetztzeit - bereichert. Man muss Worte dafür haben, was man denken will!!

Diese Freiheit in der Kindheit, die ist überhaupr das Wichtigste. Dieser Satz 'Ich geh raus spielen', der so gar nicht hinterfragt wurde, sondern höchstens ergänzt durch 'zum Essen bist Du wieder da', und dann einfach losgehen, klingeln und fragen 'kann die Moni raus?' und dann los in die Felder oder den Wald, oder auch Ballspielen, Rollschuhe. Es ist für mich noch immer unvorstellbar, dass diese Zeit 'nach den Schulaufgaben' mittlerweile 'organisiert' wird.

Und die Glotze - die kam recht spät, und war natürlich Tabu. Gerade mal Sonntagnachmittag, oder wenn der Vater Sportschau schauen wollte - aber wen interessierte das schon. Ich kann mich nur an eine Sache erinnern, die ich heimlich mit meinem großen Bruder schaute, wenn die Eltern aus waren: "Belphégor oder Das Geheimnis des Louvre" von 1965 und bescherte mir natürlich Alpträume, aber der Rest war nur ein Rauschen und ich erinnere eher die soziale Situation im Kreis der Familie - denn das war es ja damals: ein Familienereignis, Peter Alexander Show und so :)
Ich will das Medium nicht verteufeln, aber es ist dafür verantwortlich, dass das Visuelle gegenüber dem Haptischen den Vorrang bekommen hat. Na ja.

Liebe Grüße
Petra
 

Scal

Mitglied
Danke Petra,

ja, genau, das Läuten beim Nachbarblock – „deaf da Herbert owakumma?“ ...
da fängt die Spule der Erinnerungen zu rollen an ….
mit den Eltern in die Stadt übersiedelt ...a Gschtett'n rundumadum ….in den Ferien wieder am Land bei den Großeltern …
Luftrollerwettfahrten auf den Steinplatten um den Häuserblock….
neben dem Haptischen die Phantasie: sich aus dem Stehgreif spannende, geheimnisvolle Geschichten erzählen im Schatten unter den Sträuchern, Mädels und Buben gemeinsam …
die Abenteuer am Schulweg …
um 19 Uhr kommt im Radio „das Traummännlein“ - phantastisch …
vermutlich wirken sich derlei Kindheitserlebnisse (im Kontext der damaligen Hippie-Aufbruchsstimmung) weiter aus ..
dementsprechend - später: die ganzen bürgerlichen Werte: pfui, wie armselig! ...Dylan, Cohen, Kerouac, Gary Snyder, The Byrds, King Crimson, Tim Buckley, Philosophie, Spiritualität, Literatur, Lesen, Lesen ...
hartnäckige Weigerung beim Bundesheer (Zivildienst gibt’s noch nicht) auf Pappkameraden zu schießen (würd ich heute noch so machen) …
Hungerlohn – egal, darum geht’s nicht ...alternativer Buchladen mit Freunden ...die ganze Szene geht dort ein und aus …
wir wollen's anders machen: Gründung einer Landkommune mit einem Freund ...Geld gemeinsam, ein Auto gemeinsam, Ziegen, Schafe, bio-dyn ...Leute aus Neuseeland, Portugal, England, Deutschland kommen dazu, ein Pärchen mit Kind, das sich schließlich entschließt, nach Portugal auszuwandern, sie starten los mit Fahrrädern, das ganze Hab und Gut auf dem Anhänger draufgepackt, voila`...
und dann … und dann … und dann …. Karma, Verantwortung und Poesie …

Lieben Gruß
Scal

@Tula
Danke!
 

petrasmiles

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Vor allem unverfälscht. Man hatte den einzigen richtigen Lehrmeister in der Natur. Egal, wieviel man an 'Wissen' mitgenommen hat (oder wie wenig), was man da draußen lernt, das sind die Basics von Größenordnungen und Zusammenhängen und auch Verantwortung. Ich fand mal eine Plastiktüte im Wald und hatte nichts besseres zu tun, als möglichst viele Frösche zu fangen (ich hatte mich eigentlich geekelt, und da war es fast eine Mutprobe), die ich dann mit nach Hause nehmen wollte - aber dann bin ich wieder umgekehrt. Was soll ich mit den Fröschen zu Hause bei mir, da gehören sie nicht hin. Heute denke ich, das war eine Lektion in 'Macht vs. Verantwortung', auch, wenn ich es nie hätte benennen können. Es war ein gutes Gefühl, die Frösche wieder in den Bach glitschen und hüpfen zu sehen. (Was ich wohl mit der Plastiktüte gemacht habe???)

Ich könnte Dir immer weiter zuhören wegen der schönen Assoziationen :)

Liebe Grüße
Petra
 

Scal

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Dein Zuhören freut mich natürlich sehr, Petra, aber ich muss mein galoppierendes Assoziationspferdchen schon auch wieder mal zügeln, der Knochen wegen, die brauchen öfter Ferien (im Nähzimmer links unten) als damals noch, als
Fische eine Welt für sich im streunenden Wind
und jeder der Freunde wie eine Gitarre ...

Herzlichen Gruß
Scal
 

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Und ich hör euch beiden gerne zu!

Ich glaub, ich bin ein kleines bisserl später dran als ihr, aber viel kann's nicht sein. Aber das gab's bei mir schon auch noch so - nach dem Mittagessen und Hausaufgaben raus zum Spielen mit den Nachbarskindern und den halben Tag hat daheim niemand auch nur annähernd so etwas wie Sorge gehabt deswegen. Die wussten, wir Kinder passten aufeinander auf. Und für uns Kinder war das selbstverständlich, dass man da aufeinander schaute. Da lernte man dann auch so wertvolle Dinge wie für andere Verantwortung zu tragen.

Heute bekommen die Kinder zum Teil nicht einmal mehr die Chance, selbst für sich Verantwortung übernehmen zu müssen. So auf dem Spielplatz frei nach Dieter Nuhr "Lauf nicht - sonst fällst du hin!" Und man spielte mit dem, was da war - genauer gesagt: es brauchte nichts Besonderes da zu sein, denn man erfand sich seine Welten selbst. Noch heute freu ich mich riesig, wenn ich auf meinen Spazierrunden in Wald und Moos von Kinderhand aus Totholz gebaute Hütten und Dämme sehe.

Zu meiner Zeit konnte man Kinder auch gar nicht vor der Glotze parken, denn das Kinderprogramm war - bei grade mal vier empfangbaren Sendern - auch auf Wochenende (und im Sommer auch da nur bei Schlechtwetter) und jeweils eine Stunde am späten Nachmittag beschränkt. Und auch diese Sendungen hatten mehr Tiefe als man sie heute findet. Mitdenken und -fühlen war da noch Thema. Empathie-Schulung findet heutzutage nicht mehr statt im Kinder-TV. Da ist jeder nur noch Superheld und alles muss mit ganz viel Äktschn und Coolness präsentiert werden.

In der Natur wirst du auf dich selbst zurückgeworfen, kannst du dich selbst erkunden, während du auch ein Außen erkundest. Das fehlt heute an allen Ecken und Enden.

Ich glaube, jetzt muss ich mir mal überlegen, aus welchem Zimmerchen und welcher Art von Dichter-Gebäude das bei mir grad heraussprudelt. Ich stell mir deine Dichterburg unheimlich schön, weil so natürlich mit dem Leben gewachsen (ein Anbau hier, ein Durchbruch da...) vor, Scal! Ein sehr schönes Bild! Kein Wunder, wenn in deinem Nähzimmerchen solch herrliche Gedanken gedeihen!
 

petrasmiles

Mitglied

Dein Zuhören freut mich natürlich sehr, Petra, aber ich muss mein galoppierendes Assoziationspferdchen schon auch wieder mal zügeln, der Knochen wegen, die brauchen öfter Ferien (im Nähzimmer links unten) als damals noch, als
Fische eine Welt für sich im streunenden Wind
und jeder der Freunde wie eine Gitarre ...

Herzlichen Gruß
Scal
Ich nehme, was ich kriegen kann :D - und von Dir, fee, natürlich auch :)

Liebe Grüße
Petra
 



 
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