Guten Morgen liebe Sorgen,
seid ihr auch schon alle da!
Lasst uns noch mehr Sorgen borgen
und die Welt ist wunderbar.
Mir gefallen die stilistischen Kontraste zwischen Abstraktem („Anderssein ins Sein gewoben“) und Konkretem („goldener Schuss“) in Deinen Versen. Das offenbart keine Stilunsicherheit, sondern vielmehr eine Sprache, die fast selbstreferenziell wirkt. Alles ist von präziser Genauigkeit geprägt.
In Deinen Gedichten spüre ich häufig, dass wenig dem Zufall überlassen wird. Sei es die Anspielung auf das innere Kind oder die Wahrnehmungsumkehr dieses inneren Kindes zurück in die "echte" Vergangenheit, die sich in nur vier Zeilen zu einer reifen Akzeptanz entwickelt und die Raumforderung der Zukunft "fürchtet". "Nun denn. Leb wohl. Vergangenheit". Klingt wie jemand, der vor einem Grab steht und Abschied nimmt, etwas gespickt mit Gleichgültigkeit und einer Träne der Vergänglichkeit.
Ob wir wirklich mit der Zeit gehen, bleibt ungewiss. Bei Verständnisfragen im Leben suche ich oft Rat in der Natur. Ob sich dort alles verjüngt oder altert, beginnt oder endet, ist schwer zu sagen. Der Zyklus scheint wie ein Mond des Wandels. Es scheint, als ob wir Menschen Probleme oft in einer horizontalen Dimension erschaffen. Vielleicht erschaffen wir keine Probleme, aber wir versuchen Probleme an Orten zu lösen, die nur weitere Probleme im Angebot haben. Das Zuviel nach oben und das Zuviel nach unten, die ständigen Vergleiche, die jeder von uns anstellt. Auf eine gewisse Art schält sich das Ei bis zur nächsten Henne, die in ihrer Essenz stets eine Henne bleibt, doch mit jeder neuen "Inkarnation" in einem neuen Leben ein neues Erscheinungsbild annimmt. Zwar war dies nicht das zentrale Thema des Gedichts, doch Deine Verse treten sowas bei mir halt los.
Die Form des Werkes erinnert mich an das elisabethanische Naturell, nur eben verknappt. Diese Verknappung passt aber zum Inhalt. Und wenn eine Sache im Sein verknappt wird, dann die Existenz. Ja, vielleicht ist das innere Kind ja die Persona, die festgemeißelt werden soll, was ja typisch für die alten Elisabethaner war. Der Herr Shakes hat sich ja immer wie ein Terrier verbissen. Die erste Zeile der zweiten Strophe weiß mich zu umklammern: "Das Anderssein ins Sein gewoben, das Menschenglück ins Jetzt." Alleine diese zwei Verse lassen genügend essayistischen Raum für Gedanken, die ich hier aber so nicht austragen will.
Etwas Goethe, finde ich, dringt durch. Aber, lieber Sufnus, ich benutze diesen Hinweis nicht als epigonalen Sideslap. Alles ist miteinander verwoben.
Lg ev