haiku - 07.09. '22

Walther

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hi,
ein haiku interpretiert nie. es beschreibt, was gesehen wird.
du hast keinen edelstein gesehen, also summt er nicht ums haus.
lg W.
 

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Natürlich hab ich einen Edelstein gesehen, lieber Walther.

Und er flog auch noch! Das ist doch keine Interpretation, sondern eine Assoziation. Und die ist für Haiku typisch.
Zusätzlich zur reinen Naturbeschreibung braucht (und kann) ein haiku schon noch mehr, um haiku zu sein. Danke aber fürs Vorbeischauen!

LG,
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Walther

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Natürlich hab ich einen Edelstein gesehen, lieber Walther.

Und er flog auch noch! Das ist doch keine Interpretation, sondern eine Assoziation. Und die ist für Haiku typisch.
Zusätzlich zur reinen Naturbeschreibung braucht (und kann) ein haiku schon noch mehr, um haiku zu sein. Danke aber fürs Vorbeischauen!

LG,
fee
ach, fee,
es ist dein gedicht, und daher wird dich der 2. bug, der mit dem ersten zusammenhängt, auch nicht weiter stören. es ist die doppelbenennung ein und desselben gegenststands der betrachtung.
die assoziation ist bei haiku und bei guter dichtung immer im auge des lesers. wie gesagt, dein gedicht, du entscheidest, was du wie tust und schreibst.
es formal nicht gelungen zu finden, darf ein interessierter leser dennoch. ich habe damit übrigens nicht gesagt, dass der text keine poesie wäre. nur auf die verbesserungsbedürftigkeit habe ich mir die freiheit genommen zu verweisen.
ich werd's ganz bestimmt nicht wieder tun - sei dessen versichert.
lg W.

ps: meine aussage gilt für beide varianten.
stahlblau in letzter wärme
summt ein edelstein ums haus -
besuch der holzbiene




Variation:

stahlblau im herbstlicht
summt ein edelstein ums haus -
besuch der holzbiene



.sept_2022
 

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Lieber Walther!

Bitte nicht aufhören zu kritisieren! So war es nicht gemeint.

Angelehnt an ein haiku von Buson

Hier und da drei oder vier
Trittsteine
wie schwimmende Lotosblätter


habe ich es gewagt, die Holzbiene mit einem Edelstein zu vergleichen.
Außerdem wage ich mich gerade in die Tiefen des zeitgenössischen Haiku vor und fand gerade dabei die Lektüre von

Der Ruf des Hototogisu - Grundbausteine des Haiku

sehr hilfreich und inspirierend. Ich lerne also selbst gerade viel dazu und versuche mich an den neu gewonnenen Erkenntnissen.
Deine Kritik hat mich in keinster Weise angegriffen. Alles gut.

Liebe Grüße,
fee
 

molly

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stahlblau in letzter wärme
summt ein edelstein ums haus -
besuch der holzbiene
Liebe Claudia,
wenn dir der Edelstein so gut gefällt, mach einen Dreizeiler daraus und lasse ihn ins ungereimte verschieben.

Ich habe noch einen Vorschlag für Dich und hoffe, es ist ein haiku:

in letzter wärme
summt ein tier um unser haus
eine Holzbiene?

Liebe Grüße molly
 

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Danke für den Tipp, molly!

Weißt du...ich habe vor Jahren schon eine Phase gehabt, in der ich mich intensiver mit haiku beschäftigt und viel dazu gelesen habe und damals wäre ich mit dir und Walther völlig einer Meinung gewesen.
Inzwischen habe ich - um wieder in das Thema einzusteigen - weiterführende Literatur von anerkannten westlichen Haiku-Experten dazu gelesen und offenbar hat sich die Rezeption und Auffassung von Haiku inzwischen international erkennbar weiterentwickelt und man beginnt, sich von einigen - anscheinend vorwiegend amerikanisch geprägten - absoluten "Regeln" der letzten eineinhalb Jahrhunderte (wie z.Bsp. dem völligen Zurücktreten des Autors hinter die Aussage des haiku, das strikte Verbot von Vergleichen, angedeuteten Gefühlsäußerungen etc.) wieder abzuwenden und den Meistern der klassischen aber auch der modernen japanischen Haiku-Tradition wieder anzunähern. Nicht alles, was beim Versuch, haiku für die westliche Welt zu erschließen, als Regelwerk festgelegt wurde, entspricht dem eigentlichen Geist des haiku, wie es in alter und auch moderner japanischer Art und Weise aufgefasst und geschrieben wird.

Auch können manche japanischen Regeln und Merkmale nicht gradlinig in unserem Kulturkreis umgesetzt werden. Dadurch ging einiges aber verloren, was den Geist des haiku ausmacht.

Vieles hat sich gelockert - und dadurch lustigerweise wieder den alten japanischen Klassik-Merkmalen angenähert, wird aber natürlich immer noch und weiter heiß diskutiert - und nicht allgemein gültig festgeschrieben - werden, weil die oben erwähnten westlichen, starren Regeln nach wie vor das sind, was einem als Erstes unterkommt in Foren und Co.
Doch - wie in allen Kunstgattungen - auch hier unterliegen die Regeln gewissen Trends und auch die Umsetzung von haiku in Sprachen anders als ihrer Herkunftssprache erfordert in vielen Aspekten andere "Kunstgriffe". Ich kann hier jetzt nicht ein ganzes Buch zusammenfassen...müsste das aber eigentlich, um das Wesen des haiku in seiner Tiefe und seinem Anspruch voll beleuchten zu können. Ich kann jedenfalls das oben erwähnte Buch ganz besonders empfehlen. Es ist von Klaus Dieter Wirth geschrieben, einem international anerkannten Haiku-Experten.

Ein so direkter Vergleich wie mein Holzbienen-Edelstein-Vergleich ist sicher eher eine grenzwertige Sache...bei Buson aber findet man etliche ähnliche, direkte Vergleiche. Es kommt bei allen eingesetzten Stilmitteln darauf an, dass nichts zu aufdringlich ist. Nichts ist aber tatsächlich so strikt verboten. Bzw. nicht mehr...oder wieder nicht mehr. :cool: Ich bin selbst noch daran, das alles für mich auszuloten. Ich würde mal sagen - wirklichr gute Haiku schafft man nicht am laufenden Band und auch nicht so nebenbei als "Momentaufnahme" - denn meist bleiben sie dann - gemessen an der japanischen Tradition - zu flach in ihrer Aussage.

Ach, - um den lieben Walther zu zitieren - man könnte vermutlich endlos über die Qualität eines Haiku diskutieren. Manche der Kriterien sind sehr schwer fassbar. Und nicht alle lesen haiku in der ihnen gebührenden Tiefe. Und nicht alle schreiben haiku in der ihnen gebührenden Tiefe. Das macht es nicht einfacher. :cool:

Liebe Grüße,
fee
 

Walther

Mitglied
Blauschwarzes summt
ums Haus - die Holzbiene vom
Wengert zu Besuch

die natur will genau beobachtet sein.

PS: ich vertraue keiner Basho interpretation aus dem 19. jahrhundert und schon gar keiner indirekten übertragung eines japanischen haiku aus dem englischen. damit sind fast alle übertragungen alter haijin, die man zu lesen bekommt, vom tisch als mustervorlagen.
 

Tula

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Hallo fee
Ob Haiku oder nicht, in lyrischer Hinsicht gefällt mir Variante 2 besser. Erst die Biene, dann der poetische Vergleich.
Könnte auch ein längeres Gedicht werden, warum nicht?

LG
Tula
 

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Lieben Dank, Tula,

für die Rückmeldung. Ja, die Variante ist wohl am neutralsten.
Der Holzbiene könnte man tatsächlich ein längeres Gedicht widmen. Sie ist ein so schönes Insekt! Mal sehen...

LG,
fee
 
G

Gelöschtes Mitglied 24409

Gast
Liebe Fee,

'stahlblau' ist für mein Empfinden zu laut, ähnlich wie scharlachrot, giftgrün oder pechschwarz. Möglicherweise ist die Farbnennung sogar überflüssig, der Leser weiß wohl, dass die Holzbiene blau schimmert. Der Hinweis auf einen Edelstein würde entgültig sein Erinnern auf Trab bringen.
In diesem Zusammenhang sollte man einen wesentlich kleineren Raum anbieten, nicht gleich ein ganzes Haus. Vielleicht beim Mittagstee auf der Terrasse die Beobachtung, dass sich an einem Balken diese Kostbarkeit zu schaffen macht...

Sonst gefällt's mir, eine schöne Idee!

Der Ruf des Hototogisu von Klaus Wirth liegt bei mir schon auf dem Tisch, allerdings nur kurz angelesen.


Kristian
 

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Mitglied
'stahlblau' ist für mein Empfinden zu laut, ähnlich wie scharlachrot, giftgrün oder pechschwarz. Möglicherweise ist die Farbnennung sogar überflüssig, der Leser weiß wohl, dass die Holzbiene blau schimmert. Der Hinweis auf einen Edelstein würde entgültig sein Erinnern auf Trab bringen.
In diesem Zusammenhang sollte man einen wesentlich kleineren Raum anbieten, nicht gleich ein ganzes Haus. Vielleicht beim Mittagstee auf der Terrasse die Beobachtung, dass sich an einem Balken diese Kostbarkeit zu schaffen macht...

Sonst gefällt's mir, eine schöne Idee!

Der Ruf des Hototogisu von Klaus Wirth liegt bei mir schon auf dem Tisch, allerdings nur kurz angelesen.
Du stößt da einige sehr interessante Überlegungen an, lieber Kristian! Danke schön!

Ja, da macht eine nochmalige Beschäftigung mit dem haiku auch für mich nochmal Freude. Ich werde versuchen, deinen Anstößen zu folgen - sie erscheinen mir allesamt nachvollziehbar. Vor allem der "kleinere Raum" hallt bei mir nach.

Ich habe das Buch verschlungen und nehme es regelmäßig gerne zur Hand - sowohl fürs Verfestigen als auch als Anregung für den richtigen "Haiku-Geist".

LG,
fee
 



 
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