Danke für den Tipp, molly!
Weißt du...ich habe vor Jahren schon eine Phase gehabt, in der ich mich intensiver mit haiku beschäftigt und viel dazu gelesen habe und damals wäre ich mit dir und Walther völlig einer Meinung gewesen.
Inzwischen habe ich - um wieder in das Thema einzusteigen - weiterführende Literatur von anerkannten westlichen Haiku-Experten dazu gelesen und offenbar hat sich die Rezeption und Auffassung von Haiku inzwischen international erkennbar weiterentwickelt und man beginnt, sich von einigen - anscheinend vorwiegend amerikanisch geprägten - absoluten "Regeln" der letzten eineinhalb Jahrhunderte (wie z.Bsp. dem völligen Zurücktreten des Autors hinter die Aussage des haiku, das strikte Verbot von Vergleichen, angedeuteten Gefühlsäußerungen etc.) wieder abzuwenden und den Meistern der klassischen aber auch der modernen japanischen Haiku-Tradition wieder anzunähern. Nicht alles, was beim Versuch, haiku für die westliche Welt zu erschließen, als Regelwerk festgelegt wurde, entspricht dem eigentlichen Geist des haiku, wie es in alter und auch moderner japanischer Art und Weise aufgefasst und geschrieben wird.
Auch können manche japanischen Regeln und Merkmale nicht gradlinig in unserem Kulturkreis umgesetzt werden. Dadurch ging einiges aber verloren, was den Geist des haiku ausmacht.
Vieles hat sich gelockert - und dadurch lustigerweise wieder den alten japanischen Klassik-Merkmalen angenähert, wird aber natürlich immer noch und weiter heiß diskutiert - und nicht allgemein gültig festgeschrieben - werden, weil die oben erwähnten westlichen, starren Regeln nach wie vor das sind, was einem als Erstes unterkommt in Foren und Co.
Doch - wie in allen Kunstgattungen - auch hier unterliegen die Regeln gewissen Trends und auch die Umsetzung von haiku in Sprachen anders als ihrer Herkunftssprache erfordert in vielen Aspekten andere "Kunstgriffe". Ich kann hier jetzt nicht ein ganzes Buch zusammenfassen...müsste das aber eigentlich, um das Wesen des haiku in seiner Tiefe und seinem Anspruch voll beleuchten zu können. Ich kann jedenfalls das oben erwähnte Buch ganz besonders empfehlen. Es ist von Klaus Dieter Wirth geschrieben, einem international anerkannten Haiku-Experten.
Ein so direkter Vergleich wie mein Holzbienen-Edelstein-Vergleich ist sicher eher eine grenzwertige Sache...bei Buson aber findet man etliche ähnliche, direkte Vergleiche. Es kommt bei allen eingesetzten Stilmitteln darauf an, dass nichts zu aufdringlich ist. Nichts ist aber tatsächlich so strikt verboten. Bzw. nicht
mehr...oder
wieder nicht mehr.
Ich bin selbst noch daran, das alles für mich auszuloten. Ich würde mal sagen - wirklichr gute Haiku schafft man nicht am laufenden Band und auch nicht so nebenbei als "Momentaufnahme" - denn meist bleiben sie dann - gemessen an der japanischen Tradition - zu flach in ihrer Aussage.
Ach, - um den lieben Walther zu zitieren - man könnte vermutlich endlos über die Qualität eines Haiku diskutieren. Manche der Kriterien sind sehr schwer fassbar. Und nicht alle lesen haiku in der ihnen gebührenden Tiefe. Und nicht alle schreiben haiku in der ihnen gebührenden Tiefe. Das macht es nicht einfacher.
Liebe Grüße,
fee