halblächlerinnen

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fee_reloaded

Mitglied
manchmal huscht der blick
ganz leicht zur seite
und das lächeln bleibt
wie stets nur halb

wie sie hofft, dass ich
privates vor sie breite
weil wir nachbarinnen
sind oder weshalb?

sie hat mich schon
öfter angelogen
auf dem mund ein lächeln
kalt die augen

denkt sich wohl sie hätt
mich mit erfolg betrogen
dass die seichten lügen
ihr zum siege taugen

doch die meisten davon
haben kurze beine
knicken hirnrachitisch
stets verlässlich ein

seitdem wink ich ihr
von fern zur wäscheleine
lächel auch nur halb
und wahr den schein





.aug_2023
 

mondnein

Mitglied
Oh ja, liebe fee,

das ist eine fruchtbare Perspektive: Begegnungssituation mit Subtext-Spannung unter den kommunikativen Blicken.

grusz, hansz
 

sufnus

Mitglied
Hey Fee,
wer lächelt, der lacht nicht. Erst durch zusätzliche Gesten wird aus dem Distanz-erzeugenden Lächeln ein zugewandtes Signal. Bei den (ganz) alten Griechen gibt es in figürlichen Darstellungen das "archaische Lächeln". Ein berühmtes Beispiel hierfür befindet sich jetzt in der Glyptothek in München, es handelt sich um die Giebelfiguren des Aphaiatempels. Auf dem einen Giebel sind in eigenartig starrer Symmetrie Krieger aus dem antiken Ägina dargestellt, einige davon offensichtlich tödlich verwundet, wobei in seltsamem Widerspruch zur Agonie auch einer der Sterbenden ein wie eingefroren wirkendes Lächeln zeigt (bei den anderen Sterbenden ist im Lauf der Zeit der Kopf verloren gegangen - wir können aber wohl davon ausgehen, dass auch diese Krieger lächelnd dargestellt waren). Dieses "Äginetenlächeln" soll - ein Sprung durch viele viele Jahrhunderte - auch Stefan George mit Vorliebe gezeigt haben. Ein elitärer Gesichtsausdruck, in den Verachtung hineinzulesen nicht allzu schwer fällt. Wer lächelt, der lacht nicht.
Ein paar Gedanken, die, natürlich relativ lose, an Dein Gedicht angelehnt sind. :) <- zugewandt lächelnder Smiley mit keinesfalls äginetischem Lächeln.
LG!
S.
 

Rachel

Mitglied
Hm, liebe Fee, ist nett und okay, könnte aber ein Geheimnis vertragen.

Zum Beispiel: wie ich hoffe, dass sie privates vor mir ausbreitet
und dann: ich habe sie schon öfter angelogen
und schließlich: habe sie ganz leicht mit meinem mann betrogen


Fände ich um einiges Aufregender. :cool:
 

kakadu

Mitglied
Liebe Claudia,

technisch hast du hier sehr effizient gearbeitet. Dafür ein großes Kompliment! Du verwendest nur wenige Reime: Jeweils zwei Strophen sind durch strophenübergreifende Endreime in V2 und V4 locker verbunden. Das entspricht gut der Beziehung der beiden Nachbarinnen. Hier herrscht nur wenig Gleichklang. Die Form ist klar strukturiert. Von außen betrachtet, wirkt sie recht ebenmäßig, aber das Metrum hat seine Tücken. Dem ist, wie auch der Nachbarin, mit Vorsicht zu begegnen.

Wäre der Inhalt subtiler, wären die metrischen Fußangeln ein gutes Stilmittel gewesen, um geschickt auf Unstimmigkeiten hinzuweisen. Da du aber in aller Deutlichkeit sagst, was hier faul ist, sehe ich nicht ganz ein, warum ich es nicht gleitenden Schrittes und mit Wohlklang im Ohr erfahren durfte. :D

Ich bin sehr angetan von Rachels Idee! Eine Umkehrung der Gegebenheiten, mehr angedeutet als auserzählt, könnte das Thema um einiges spannender machen. Hier würde mir auch eine Du-Ansprache gut gefallen.

LG Claudi
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

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Hey, Ihr Lieben! :)

Rachel, Dein Vorschlag ist mir persönlich noch nicht 100% klar geworden - sprich: Was Du genau mit Geheimnis meinst. Offenbar hat Claudi das direkt kapiert - aber ich bin auch glaub ich nicht mehr ganz auf der gedanklichen Höhe... das Problem düfte also auf meiner Seite liegen... :) Ein Geheimnis in dem Sinn, dass das (schlechte) Verhältnis zwischen den beiden Nachbarinnen ein solches (also ein schlechtes) ist, liegt sicher nicht vor, aber das würde ja auch durch die Andeutung von Affären (wenn mein unschuldiges Gemüt das richtig kapiert hat) nicht verunklart werden. Und indem eine Affäre (oder sonst irgendein Grollauslöser) angedeutet wird, nimmt doch das Geheimnisvolle nicht wirklich zu - bei Fees Fassung ist ja gewissermaßen noch viel geheimnisvoller, warum hier so eine scheinfreundliche Feindschaft vorlilegt. Naja... siehe oben... wahrscheinlich bin ich einfach grad etwas beschränkt im Auffassungsvermögen...

Was die Metrik angeht, Du hast drauf hingewiesen Claudi, ist das hier tatsächlich u. U. etwas vertrackt, aber hauptsächlich dann, wenn man (wie gewohnt) die Zeilenumbrüche als metrische Taktgeber auffasst. Wenn man über die Zeilenumbrüche hinwegliest ergibt sich ein relativ regelmäßiger Trochäus, vielleicht mal mit einer kleinen schwebenden Betonung oder einer leichten Reibung, aber im großen und ganzen recht locker durchfließend. Das find ich eigentlich gerade ganz interessant und hat mindestens anderthalb meiner Sterne induziert (aber ich lass die natürich trotzdem weiter leuchten, auch wenn unsere Fee jetzt die Zeilenumbrüche ins Metrum einbettete... ich würd nur ein bisschen rumheulen... das wär schon alles.... :p ).

LG!

S.
 

Rachel

Mitglied
Du hast recht, lieber Sufnus, es ist schnell verwirrend. Auch für mich:

Deshalb versuche ich eine Geheimniskrämerei:

Und los: Zwei Nachbarinnen haben/hatten ein Verhältnis. Die (mit einem Mann verheiratete) Erzählerin ist mittlerweile zurück beim Ehemann - heimlich. Die lesbische Nachbarin wird also mit dem Ehemann betrogen und angelogen.

Die Erzählerin träumt allerdings noch von der Nachbarin, da sie nicht weiß, warum sie zurück ist: ob aus sexueller Orientierungslosigkeit oder aus Konvention. Oder gar aus Lust am Dreieck? Sie verheimlicht/belügt/fantasiert sich ständig selbst, das heißt ... sie will sich nicht entscheiden (müssen). Deshalb hofft sie, eine misstrauische, eifersüchtige Ex werde in dieser Richtung etwas vor ihr ausbreiten oder mutig vorschlagen.

Das Geheimnis ist aber, dass kein Geheimnis existiert:

Die Nachbarin lebt nur in der Fantasie der gelangweilten Ehefrau.

Haut das hin?
 

fee_reloaded

Mitglied
Entschuldigt die späte Reaktion - wir haben gerade Besuch bei uns diese Woche und da ist wenig bzw. keine Zeit für Online-Aufenthalte.

Dieses "Äginetenlächeln" soll - ein Sprung durch viele viele Jahrhunderte - auch Stefan George mit Vorliebe gezeigt haben. Ein elitärer Gesichtsausdruck, in den Verachtung hineinzulesen nicht allzu schwer fällt. Wer lächelt, der lacht nicht.
Das trifft es ziemlich auf den Punkt, lieber sufnus.

Die (real existierende) Nachbarin tut genau das: sie hält sich, vermutlich auch aufgrund der Tatsache, dass sie hier aufgewachsen ist und wir erst kürzlich zugezogen sind (noch dazu in ein Haus auf einem Grund, der bis vor einiger Zeit noch im Besitz ihrer Familie war) - für überlegen (und mich offensichtlich - weil ich von Haus aus immer erst einmal sehr freundlich bin - auch für leicht zu betakeln (=Wienerisch für "beschwindeln")). Da wurde schon einige Male das eine zugesagt und dann hinterrücks genau das andere getan. Da ich keinen Konflikt suche, versuche ich mich möglichst fern zu halten und es eher amüsant zu finden, dass sie denkt, sie hätte uns so gekonnt übers Ohr gehauen (es ging da zum Beispiel auf heimlich auf unseren Grund abgeleitetes Grundwasser bei Starkregenfällen und dann stand bei uns der halbe Garten unter Wasser...aber offiziell hatte sie die Pumpe natürich gleich nach unserer ersten Beschwerde deaktiviert...dumm nur, dass ich sie noch in der selben Nacht sah, wie sie mit Taschenlampe im Garten um drei Uhr morgens die Pumpe wieder ansteckte...).

Es tut mir, liebe Rachel, angesichts der angeregten Diskussion rund um ein Verhältnis-Drama hier schon fast ein wenig leid, dass es "nur" diese Art von "leisem" Drama ist, die da im Text bzw. dahinter steckt. Ich habe es sehr bewusst auch nicht dramatischer gestaltet, weil mir das Thema, dass eine äußere Ruhe und sogar Freundlichkeit bewahrt wird, ja wichtig war. Das ist für mich zum Beispiel "Drama" genug (auch, weil ich die "inneren Dramen" viel spannender finde als die äußeren...wie auch das Spekulieren, was in den Köpfen solcher Menschen vorgeht).

Und indem eine Affäre (oder sonst irgendein Grollauslöser) angedeutet wird, nimmt doch das Geheimnisvolle nicht wirklich zu - bei Fees Fassung ist ja gewissermaßen noch viel geheimnisvoller, warum hier so eine scheinfreundliche Feindschaft vorlilegt.
Auch da empfinde ich sehr ähnlich. Das Geheimnis ist die Nachbarin, die sich so verhält wie sie sich verhält und die nicht weiß, dass ich weiß, wo sie uns belügt oder für dumm zu verkaufen versucht.
Eine Umkehrung der Gegebenheiten, mehr angedeutet als auserzählt, könnte das Thema um einiges spannender machen.
Damit ist wohl auch klar, dass diese Vorstellungen sich gar nicht mit meiner Intention, was den Text angeht, decken. Er ist eine kleine Alltagsbeobachtung aus autobiographischer Quelle - nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Die etwas vertrakt gewählte Metrik sollte die Beziehung der Nachbarinnen nochmal zusätzlich widerspiegeln. Ein Versuch von mir. Klar hätte ich das auch glatter, runder und mit anderen Zeilenumbrüchen schreiben können...aber das passte nicht zum Gefühl, das ich versucht habe, auch rund um die Worte festzuhalten. Claudi, du lagst da völlig richtig:

das Metrum hat seine Tücken. Dem ist, wie auch der Nachbarin, mit Vorsicht zu begegnen.
Ich hoffe, das klärt das Meiste - auch, wenn ich fürchte, nicht zur Zufriedenheit aller. Sorry. ;)

Liebe Grüße euch allen und ein herzliches Danke fürs Reinschauen, Sich-Vertiefen und eigene Erweitern um andere mögliche Dramen. Freut mich, dass ich da etwas in Gang setzen konnte und euch offensichtlich gut beschäftigt habe. Auch, wenn's nicht so geplant war.

Herzlichen Dank auch an @mondnein für die gute Bewertung und den Kommentar! Hab mich sehr gefreut. (auch über deine Sterne natürlich, sufnus)!

Claudia/fee
 
Zuletzt bearbeitet:

Rachel

Mitglied
Liebe Fee, vielen Dank, dass du dir trotz Mangel Zeit genommen hast. :)

Was du erzählst, klärt die Situation für den Leser. Ohne dieses Hintergrundwissen fühlte ich mich diffus unwohl (im Gedicht sozusagen), zwischen den beiden Frauen zu stehen, Resignation, Neutralität ... weiß gar nimmer so genau. Jedenfalls wollte ich nichts "kritisieren", und transformieren ist dann gern das nächste, was mir einfällt und immer Freude macht. Und inspirierend, yes, war es ganz klar. Man könnte Teufel was alles über Nachbarschaft erzählen ...

Du bist `ne klasse Frau und wirst alles Wasser von dir ableiten ... Liebe Grüße
 

fee_reloaded

Mitglied
Meinen - wenn auch späten - allerherzlichsten Dank euch beiden, @Rachel und @SilberneDelfine ,

für Lob und wohlwollende Worte!
Ohne dieses Hintergrundwissen fühlte ich mich diffus unwohl (im Gedicht sozusagen), zwischen den beiden Frauen zu stehen, Resignation, Neutralität
...freut mich besonders, weil mir das sagt, mein Text leistet ebendas ohne dass ein/e LeserIn Hintergrundwissen bräuchte. Yesss! ;)

das ist dir wunderbar gelungen, hier auf den Inhalt noch mit der Metrik einen draufzusetzen.
...freut mich nicht minder.

Herzlichen Dank und ebensolche Grüße,

fee
 



 
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