Hallo Thylda!
Es war ganz richtig und vorausschauend den Text unter "Gereimtes" einzustellen und nicht unter "Feste Formen".
Auch schon bei den ganz alten italienischen Formen gab es in der Versform sehr viele Varianten...na klar die Schlegeljünger kennen dafür nur den Fünfheber Jambus.
Selbst Guittone D`Arrezzo benutzte schon den Settenario als Sonettvers- und es ist sogar eine Sonettform danach benannt.
Viel bedeutender finde ich, dass man Dich leide rnicht auf das Wesentliche hinweist: Die Formalia sind beim Sonett weitestgehend auslegbar...außer man beabsichtigt in den klassichen Formen zu schreiben.
Was viel wesentlicher ist: Dein Text ist im inneren Wesen kein Sonett - und wird es - so wie angelegt ist - auch keines werden.
Das wesentliche Kennzeichnen eines Sonetts sind NICHT seine Formalia sondern die sehr spezielle Art und Weise der Inhaltsaufbereitung; und darin muß es in allererster Linie überzeugen - um ein Sonett sein zu können.
Ich werde jetzt kein Vortrag dazu haltenund Dich nicht langweilen mit Quellenangaben. Die Leute, die Sonette lieben werden diese Aufstöbern - durchackern und sacken lassen...danach hat man andere Blicke und Freude.
Eindimensionale Erzählweisen und auch Aneinanderreihungen von bloßen Ereignissen sind sonettfremd.
Anbei mal ein Beispiel eines wirklichen Sonetts:
Vittoria Colonna (1492 – 1547) entnommen aus:
Sonette der Völker - siebenhundert Sonette aus sieben Jahrhunderten
Ausgewählt und ins Deutsche übertragen von Karl Theodor Busch
Drei Brücken Verlag Heidelberg 1954
Wie eine Tigerin, der man die Jungen
Entrissen, lauf ich hinterm Tode drein,
Dem Frevler, schweigsam meinen Schmerzenschrein
Und stolz der Beute, die er abgerungen.
Mein Herz zu schmelzen, das vom Leid bezwungen,
Schließt er die Türen, eh ich trete ein;
Er macht zwar unser Leben schmal und klein,
Versagt doch, was wir gierig ausbedungen.
Dann schlägt er unsrer Sehnsucht zarte Schwingen,
Wenn sie gespannt in schnellem, weitem Flug,
Und schreitet hoch und stolz ob ihrem Sinken.
Not hat er nicht, auf große Zahl zu dringen,
Ihm sind sie all gewiß; er wartet klug
Auf süßre Stunde, bitter dann zu winken.
Schon der erste Abschnitt zeigt uns den Inhalt, die Haltung des LI und was es möchte (Mitgefühl, Anteilnahme...wenn möglich Rache) Die zutreffenden Wertungen werden sehr schlüssig ineinandergesetzt. UND: es werden sehr viele Aspekte des inhaltlichen Gegenstandes angesprochen und bewertet!
S2 dient zur Vertiefung und weiteren Explorierung der Gedanken und Argumente
S3: gerade wenn man Zutrauen hat, es am Schönsten ist, bekommt man einen herben Dämpfer - und er - freut sich noch darüber (Schicksal / Tod)
Denn das Sonett ist nicht die ungekrönte Königin der Dichtungen wegen den formalen Anforderungen - die sind vergleichsweise nicht schwieriger als bei einer Stanze ode reiner Ode - zumal es ca. 16 Formen des Sonetts gibt und einige Variationen - und damit rede ich nur vom italienisch stämmigen Sonett.
Was das Sonett eigentlich kennzeichnet ist sein inneres Wesen: die Art der Inhaltsaufbereitung - die dann mit der äußeren Form verschmilzt
und beileibe eignet sich nicht jeder Inhalt für ein Sonett.
Schauen wir in die ersten drei Epochen des Sonetts, so bemerken wir: das es immer disputierfähige Themen sind wie Liebe, Glaube, Philosophie nebst Ethik und Moral - auch Spott und Satire dazu
seltener: Politik, Kunst/Kunstwerke
ganz selten/garnicht zu: Technik, Wissenschaften, Landschaft, etc.
Ausgangspunkt ist ein disputierbares Thema...
Der Autor (LI) versucht den Inhalt so aufzubereiten das eine Art "Plädoyer" entsteht, - eine Art schlüssiger Rede- mit dem Ziel die Zuhörer / Leser für den eigenen Standpunkt einzunehmen, zu überzeugen! Dies ist die wichtigste Haltung des LI im Sonett. Das LI argumentiert, reflektiert, dialogisiert, fragt suggestiv für dieses Ziel.
Ein Plädoyer auf 14 Zeilen...für ein komplexes Thema erfordert:
sehr genauen Fokus
Objektivität ist nicht gefragt (Ausnahme: Lehrgedichte)- sondern für die eigene Sichtweise plädieren -aber die Mittel dazu (Rhetorik) sind dann doch wieder eher einer Hilfswissenschaft entnommen - und haben viel von der Erkenntnistheorie
sprachlich aber haben sie dann den Genius des einfachen
Formen der höchsten rhetorischen Redekultur (außer Satire)...Tropen,
Ein Sonett erzählt nicht eindimensional sondern hat immer auch eine parallele Bedeutungsebene, es berichtet und erzählt nur nebenbei und argumentiert im Vordergrund.
klare Bezüge / Bewertungen / Argumente /treffende Bilder
aber vor allem auch eine hohe Inhaltsdichte - sonst bekommt man gar nicht alles unter...
Sprachwitz, Klangkonzepte,...Rhythmik und vieles mehr...
die Conclusio am Ende kann - muss nicht sein....sie ist abe rmeist der krönende Schluss...wie eine Art Erfrischung oder auch Schlüssel zu einer bestimmten Sicht oder Erkenntnis.
Dies sind nur einige wenige Eigenschaften: es gibt weit mehr...
Vieles davon hat Dein Text nicht. Aber man kann es lernen!
Obwohl einzelne schöne Bilder enthalten sind
...war jetzt bischen viel...sorry bidde
aber von den Schlegeljüngern wirst Du bestimmt nicht klüger
und Ciao
gitano