Halloween

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T

Trainee

Gast
Hallo Ord,
auf mich wirkt deine Kurzprosa ganz bezaubernd.
Handelt es sich letztlich doch um die Überwindung des Grolls (und der Einsamkeit?) durch die Liebe. Seitens der Kinder um Unerschrockenheit und Großmut.
Beide Parteien wagen sich auf neues Terrain.
Das Halloween-Szenario, das gleichsam die gruselige Kälte der Welt und deren Ausrichtung auf materielle Güter spiegelt, passt hier super.

Dies alles in ein paar fast kindlich anmutenden Zeilen verpackt zu sehen, hinterlässt bei mir einen guten Eindruck.

Beifälligen Gruß
Trainee
 

Val Sidal

Mitglied
@aligaga

Die Validität einer Textkritik ist unabhängig davon, ob der Kritiker das Thema besser verarbeiten könnte als der Autor – es zählt nur die Textrelevanz in Bezug auf die vorliegende Fassung des Textes.

@aligagas ultimative Lobhudelei bezieht sich auf das, was die Idee hätte werden können, nicht darauf, wie sie im Text verhunzt wurde.

Mit heißer Nadel gestrickt, hier die gewünschte Version der Idee, die zwar kein Monument der globalen Kurzprosa-Geschichte wird, aber zumindest die Macken des Originals vermeidet, dabei so viel wie möglich, vom Quelltext verwendend:

Dem Teufelchen vergeht das Lachen, als es das finstere Gesicht im Fenster erblickt: „Er ist böse, ich will da nicht hin!“, flüstert der kleine Junge in seine Maske.
„Komm schon! Er ist nur traurig, dass er seinen Enkel nicht sehen darf!!“ – die Stimme der kleinen Hexe flattert wenig überzeugend.
Rentner Dorn mustert mit zusammengekniffenen Lippen die Gestalten auf der Straße, trinkt den letzen Schluck Tee und schlurft grummelnd in die Küche.
„Warum darf er ihn nicht mehr sehen?“ Der Teufel bleibt dabei im Windschatten seiner großen Schwester.
„Mama sagt, weil er seine Tochter verloren hat … Ach ich weiß auch nicht!“, sagt die große Schwester, drückt dreimal den Klingelknopf, wie es Hexen immer tun.
„Herrgott noch mal, nur Scherereien!“, faucht Dorn. Die Tasse rutscht ihm dabei aus der Hand und zerschellt auf dem Steinboden. Letztes Jahr meinte einer dieser Rotzlöffel, er müsse sich mit einer Ketchup-Fratze auf der Haustür verewigen, erinnert sich Dorn und starrt auf Scherben: „Ja?!“
Jack o'Lantern! Öffne die Tür!“, schallt es draußen, und „Der Teufel soll euch holen!“, hallt es von innen. Doch der Befehlston der Hexe zeigt Wirkung – die Tür strahlt einen Spalt Licht in den kühlen Abend.
Der dunkle Schattenmann umhüllt das Teufelchen in seine Lichtarme. Mit schmalen Lippen und zittriger Stimme wird es Jacks Seele holen: „Das haben wir in der Schule gelernt.“
Dorns glänzenden Augen fixieren den Blick des Jungen. Er hält entsetzt den Atem an.
„Ich habe nichts …“, stammelt Dorn. Die Härte in seiner Stimme weicht verlegen.
Mit dem Zeige- und Mittelfinger streift er sanft über das zarte Gesicht des Teufelchens, das ihm sein Körbchen hin hält: „Möchten Sie vielleicht ein paar Bonbons?“
 
A

aligaga

Gast
Wer uns jetzt mit
Die Validität einer Textkritik ist unabhängig davon, ob der Kritiker das Thema besser verarbeiten könnte als der Autor – es zählt nur die Textrelevanz in Bezug auf die vorliegende Fassung des Textes.
kommen möchte, sollte sich vorher nicht mit
Doch, wenn der Protagonist auf eine Stereotyp-Position reduziert wird (in der Vergangenheit behaftet, alleinlebend, kleine Rente, motorisch defizitär), dann kann er in der Pointe seine Perspektive nicht plausibel wenden – er ist und bleibt der Stereotyp-Opa, in einer peinlichen SItuation.

Bekäme die Figur eine weitere Dimension, die die emotionale Aufmerksamkeit zum Beispiel auf für seine Beziehung zu Kindern bestimmende Eigenarten richten könnte (z. B. eigene Kindheit, eigene Kinder, Enkel usw. verbunden mit Gefühlen wie Nostalgie, Traurigkeit, Trauer, Schmerz ), oder auf seine Erinnerungen und/oder Enttäuschungen o. Ä. mit Blick auf traditionelle Rituale, dann könnte die Figur in der Pointe den Leser an einer sympatischen Wende eines Menschen teilhaben lassen. So nicht.

Würde der Erzähler die Szene leiser und deutlich zurückhaltender begleiten, dann wären die Protagonisten die Determinanten der Atmosphäre und nicht Kommentare auf dem Sprachniveau eines Achtklässlers, wie „Letztes Jahr meinte irgendeiner dieser Rotzlöffel, er müsse sich mit einer Ketchup-Fratze auf der Haustür verewigen.“ oder „Da, es klingelt! Dieses Mal wird er den frechen Gören gehörig den Kopf waschen!“

Und schließlich: Dass Opa keine Bonbons bereit hält, ist für die Kinder eine Enttäuschung. Ihnen die Fähigkeit zuzuschreiben, in no-time auf eine empatisch überschwängliche, körperliche Zuneigungsäußerung zu wechseln, ist gewagt. Denkbar, aber wenig überzeugend, und eigentlich nur mit dem Nachahmungsdruck des Jungen, auch etwas Gutes tun zu wollen, zu rechtfertigen, ist sein Angebot: „Möchten Sie vielleicht ein paar Bonbons?“ – die eigentlich beste Stelle des Textes.

Platte, stereotype Figuren plätten auch eine gute Idee – wie hier geschehen.
aus dem Kammerfensterl gelehnt haben.

Doch nun zu deiner "Überabeitung":
[strike]Dem Teufelchen vergeht das Lachen, als es das finstere Gesicht im Fenster erblickt: „Er ist böse, ich will da nicht hin!“, flüstert der kleine Junge in seine Maske.
„Komm schon! Er ist nur traurig, dass er seinen Enkel nicht sehen darf!!“ – die Stimme der kleinen Hexe flattert wenig überzeugend.
[/strike]Rentner Dorn mustert mit zusammengekniffenen Lippen die Gestalten auf der Straße, trinkt den letzen Schluck Tee und schlurft grummelnd in die Küche.
[strike]„Warum darf er ihn nicht mehr sehen?“ Der Teufel bleibt dabei im Windschatten seiner großen Schwester.
„Mama sagt, weil er seine Tochter verloren hat … Ach ich weiß auch nicht!“, sagt die große Schwester, drückt dreimal den Klingelknopf, wie es Hexen immer tun.
[/strike]„Herrgott noch mal, nur Scherereien!“, faucht Dorn. Die Tasse rutscht ihm dabei aus der Hand und zerschellt auf dem Steinboden. Letztes Jahr meinte einer dieser Rotzlöffel, er müsse sich mit einer Ketchup-Fratze auf der Haustür verewigen, erinnert sich Dorn und starrt auf Scherben: „Ja?!“
„Jack o'Lantern! Öffne die Tür!“, schallt es draußen, [strike]und „Der Teufel soll euch holen!“, hallt es von innen. Doch der Befehlston der Hexe zeigt Wirkung – die Tür strahlt einen Spalt Licht in den kühlen Abend.
Der dunkle Schattenmann umhüllt das Teufelchen in seine Lichtarme. Mit schmalen Lippen und zittriger Stimme wird es Jacks Seele holen:[/strike] „Das haben wir in der Schule gelernt.“
[strike]Dorns glänzenden Augen fixieren den Blick des Jungen. Er hält entsetzt den Atem an.
[/strike]„Ich habe nichts …“, stammelt Dorn. Die Härte in seiner Stimme weicht verlegen.
[strike]Mit dem Zeige- und Mittelfinger streift er sanft über das zarte Gesicht des Teufelchens, das ihm sein Körbchen hin hält:[/strike] „Möchten Sie vielleicht ein paar Bonbons?“
Die krampfhaften Versuche, der eingängigen kleinen Szene einen Hintergrund und einen Rahmen zur verpassen, die weder stimmig noch erforderlich sind, verbessern den Text nicht, sondern rühren nur Quark an: Jetzt ist tatsächlich Moralinsäure zu wittern, und der Schluss wird wirklich zur Seife.

Selten hat der böhse @ali ein trefflicher geschossenes Eigentor bewundern dürfen als dieses hier. TTip, lieber @Ord: Glaub diesem Fußballer nicht! Der schießt keine Tore, der kann nur Blutgrätsche. Schwing dich auf deinen Pegasus und schau, dass du möglich großen Abstand zwischen dir und diesem ruppigen Verschlimmbesserer bringst.

Heiter, sehr heiter

aligaga
 

Val Sidal

Mitglied
@aligaga

mein Schnellschuss ins eigene Tor nach @aligagas Streichungen:

Rentner Dorn mustert mit zusammengekniffenen Lippen die Gestalten auf der Straße, trinkt den letzen Schluck Tee und schlurft grummelnd in die Küche.
„Herrgott noch mal, nur Scherereien!“, faucht Dorn. Die Tasse rutscht ihm dabei aus der Hand und zerschellt auf dem Steinboden. Letztes Jahr meinte einer dieser Rotzlöffel, er müsse sich mit einer Ketchup-Fratze auf der Haustür verewigen, erinnert sich Dorn und starrt auf Scherben: „Ja?!“
„Jack o'Lantern! Öffne die Tür!“, schallt es draußen.
„Das haben wir in der Schule gelernt.“
„Ich habe nichts …“, stammelt Dorn. Die Härte in seiner Stimme weicht verlegen.
„Möchten Sie vielleicht ein paar Bonbons?“
Dar nicht so schlecht.
 
A

aligaga

Gast
Das liest sich nur deshalb blöde, weil du nicht nur Quatsch dazugeschrieben, sondern auch am Text des Autors herumgebastelt hast.

Lies dir einfach @Ords coolen Originaltext nochmal in Ruhe durch. Und vielleicht dazu den Essay "Feste des Todes" von H. Kratzer auf Seite R2 der "SZ" von heute. Empfehlenswert!

Im Übrigen freut sich der böhse @ali sehr, dass er nicht der einzige "Lobhudler" dieses Stückerls ist. Fein!

Quietschvergügt

aligaga
 

Ord

Mitglied
Hallo Trainee,

dass Deine Reise durch meinen Text auf Dich bezaubernd wirkt, freut mich.
Vielen Dank für Deine Rückmeldung!

Einen schönen Abend wünsche ich Dir und allen Kommentatoren.
Herzlichen Dank für die guten Bewertungen.

Viele Grüße
Ord
 

Val Sidal

Mitglied
@Ord

Entgegen @aligagas Behauptung, ich würde hier den Plot einer fetten Schlachtschüssel-Novelle erwarten/fordern ist es vielmehr so, dass der Text in ein paar Zeilen eine Story mit drei Figuren erzählen will. Das ist möglich, aber extrem anspruchsvoll. Die Figuren müssen in ihren Gesten und Bewegungen, in Ihren Regungen und Ausdrücken mit wenigen Strichen eingefangen und geführt werden. Vieles kann der Phantasie des Lesers überlassen werden.

Du sagst:
„Rentner Dorn, alter Mann, Herr Dorn, Opa“ und
„Gestalten, Rotzlöffel, freche Gören, Teufelchen, kleine Hexe, Steppkes, Hexlein, Junge“ –
Begriffe, um Wiederholungen zu vermeiden.
Durch Variation von Bezeichnungen wird das Bild zwar bunter, aber die Figuren bringen sich dadurch bzgl. der Pointe nicht geeigneter in Position.

Die schrille Stimme des Erzählers aus dem OFF ruiniert die Atmosphäre:
Da, es klingelt! Dieses Mal wird er den frechen Gören gehörig den Kopf waschen!
Dem Teufelchen und der kleinen Hexe vergeht schlagartig das Lächeln, als sie dem alten Mann in die Augen blicken.
Weiter sagst Du:
Durch die Reaktion der Kinder wird die Situation entschärft und nimmt eine überraschende Wendung. Darum geht es, nicht mehr und nicht weniger.
Die Reaktion des Rentners ist problematisch. Aus dem Text kann rational nicht gefolgert werden, warum er den Kindern überhaupt die Tür öffnet. Warum würde er es nach der Ketchup-Attacke im Vorjahr tun? Er will offenkundig nicht an dem Ritual partizipieren, sonst hätte er Süßigkeiten, Obst oder Geld bereitgestellt.
@aligagas Logik folgend, könnte er vielleicht an Alzheimer Demenz leiden und vergisst, dass er nicht öffnen wollte – sowas passiert, wie auch der überschwängliche, körperliche Mitgefühlsangriff des Mädels. Oder evtl. öffnet er die Tür, weil er sich für die Sache mit dem Ketchup rächen will(er soll einen Plan gehabt haben) – „Milder als geplant meint Herr Dorn: …“? Ja, auch sowas kann sein – Menschen tun merkwürdige Dinge. Ob das, oder die telepathische Fernsteuerung durch den „richtigen“ Teufel – alles ist möglich.

Wenn aber die Aktion für den Wendepunkt bedeutsam ist, wie in diesem Fall, dann muss sich der Grund aus dem Text erschließen – sonst funktioniert die Pointe nicht.

In seinem lächerichen Mobbingaufruf hat @aligaga vorgeschlagen:
o @Val: Zeig uns doch, mit welchen formidablen Zutaten du aus dieser reizenden Arabesque die von dir gewünschte Schlachtschüssel zu formen wüsstest, damit wir alle etwas zu lachen haben.
Man muss ein Narr sein, anzunehmen, dass ich seiner „Einladung“ in seinem Sinne gefolgt wäre. Allerdings schien mir die Gelegenheit günstig, einfach exemplarisch eine Variante der Bearbeitung DEINER Idee (wie ich in meiner ersten Einlassung zum Text bereits bemerkte, halte ICH die Idee NICHT für Kurzprosa tauglich) zu extemporieren. Dabei habe ich mit Augenzwinkern auf die ironische Absicht hingewiesen – sowohl außerhalb des Textvorschlags („Mit heißer Nadel gestrickt, hier die gewünschte Version der Idee, die zwar kein Monument der globalen Kurzprosa-Geschichte wird, aber zumindest die Macken des Originals vermeidet, dabei so viel wie möglich, vom Quelltext verwendend“) als auch mit einem Fingerzeig im Text („Mit dem Zeige- und Mittelfinger streift er sanft über das zarte Gesicht des Teufelchens, …“)

Wenn meine Einlassungen zum Text nicht hilfreich waren, dann – Pardon.
 
A

aligaga

Gast
Entgegen @aligagas Behauptung, ich würde hier den Plot einer fetten Schlachtschüssel-Novelle erwarten/fordern ist es vielmehr so, dass der Text in ein paar Zeilen eine Story mit drei Figuren erzählen will.
Es geht hier nicht um eine Story, sondern um einen Augenblick. Um das Momentum. Wie schon gesagt - viel hilft nicht immer viel. Vor allem in Kurzprosa nicht.

In ein so hübsch und witzig gebautes Papierschiffen wie das hier, dessen Inhalt keineswegs schwer zu überschauen wär', kann man keine Bleiklumpen laden. Das meint nur, wer keine große Ahnung von der Christlichen Seefahrt hat. Wer's dennoch versucht, ist auf dem falschen Dampfer und säuft elendiglich ab.

Und noch was: Wer sich nicht wirklich auf ein Gedicht oder ein Kurzprosa-Stückchen einlassen will und, vor allem, wer keine eigene Fantasie mitzubringen bereit ist, steht vor einer Skizze wie dieser da wie der der Ochs am Berg. Muhuhuhh!

Quietschen vor Vergnügen

aligaga
 

Ord

Mitglied
Hallo Val Sidal,
Doch, wenn der Protagonist auf eine Stereotyp-Position reduziert wird (in der Vergangenheit behaftet, alleinlebend, kleine Rente, motorisch defizitär), dann kann er in der Pointe seine Perspektive nicht plausibel wenden – er ist und bleibt der Stereotyp-Opa, in einer peinlichen SItuation. ?

Bekäme die Figur eine weitere Dimension, die die emotionale Aufmerksamkeit zum Beispiel auf für seine Beziehung zu Kindern bestimmende Eigenarten richten könnte (z. B. eigene Kindheit, eigene Kinder, Enkel usw. verbunden mit Gefühlen wie Nostalgie, Traurigkeit, Trauer, Schmerz ), oder auf seine Erinnerungen und/oder Enttäuschungen o. Ä. mit Blick auf traditionelle Rituale, dann könnte die Figur in der Pointe den Leser an einer sympatischen Wende eines Menschen teilhaben lassen. So nicht.

Würde der Erzähler die Szene leiser und deutlich zurückhaltender begleiten, dann wären die Protagonisten die Determinanten der Atmosphäre und nicht Kommentare auf dem Sprachniveau eines Achtklässlers, wie „Letztes Jahr meinte irgendeiner dieser Rotzlöffel, er müsse sich mit einer Ketchup-Fratze auf der Haustür verewigen.“ oder „Da, es klingelt! Dieses Mal wird er den frechen Gören gehörig den Kopf waschen!“??

Und schließlich: Dass Opa keine Bonbons bereit hält, ist für die Kinder eine Enttäuschung. Ihnen die Fähigkeit zuzuschreiben, in no-time auf eine empatisch überschwängliche, körperliche Zuneigungsäußerung zu wechseln, ist gewagt. Denkbar, aber wenig überzeugend, und eigentlich nur mit dem Nachahmungsdruck des Jungen, auch etwas Gutes tun zu wollen, zu rechtfertigen, ist sein Angebot: „Möchten Sie vielleicht ein paar Bonbons?“ – die eigentlich beste Stelle des Textes.
Nur wenige Kinder im Unterstufenalter würden eine derartige empathische Reaktion zeigen wie das Mädchen. Dennoch ist es – wie Du richtig erwähnst – denkbar und möglich.

Ist dem alten Griesgram die Situation peinlich? Der Text endet genau an dieser Stelle.

Dachte ich jedenfalls. Je länger ich versuchte, Gegenargumente zu Deiner hier zitierten Einschätzung meines Textes zu finden, je mehr dämmerte mir, dass Du recht hast – was zur Gewissheit wurde, nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe.
Also arbeitete ich meinen Text um.

Leider hatte ich die letzten beiden Tage viel um die Ohren, so dass ich nicht eher antworten konnte.

Deinen zweiten Kommentar las ich eben erst.
Die Reaktion des Rentners ist problematisch. Aus dem Text kann rational nicht gefolgert werden, warum er den Kindern überhaupt die Tür öffnet.
Da hast Du recht. Für mich als Verfasser des Textes war klar, warum der Opa die Tür öffnet. Nur hatte ich versäumt, es deutlich genug herauszuarbeiten und dies dem Leser mitzuteilen (ist schon in die Umarbeitung eingeflossen).
Dein Augenzwinkern und den Fingerzeig habe ich registriert – beides war ebenfalls hilfreich.

Ich danke Dir!


Hallo aligaga,
Schwing dich auf deinen Pegasus und schau, dass du möglich großen Abstand zwischen dir und diesem ruppigen Verschlimmbesserer bringst.
Ich gebe es zu, dass ich gerne mit meinem Pegasus über den Wolken schwebe. Normalerweise kommt er zu mir, wenn ich es verdient habe – doch dieses Mal musste ich ihn aus dem Stall zerren, bin beim Versuch des Aufsitzens auf der anderen Seite wieder herunter gerutscht und hart gelandet.


Freundliche Grüße
Ord
 

Ord

Mitglied
Halloween

„Neumodischer Kram!“
Rentner Dorn mustert mit zusammengekniffenen Lippen die Gestalten draußen auf der Straße.
Nur zu gut erinnert er sich an die Ketchup-Fratze, die er letztes Jahr mühsam von der Haustür schrubben musste. „Diese Rotzlöffel! Zu meiner Zeit hat’s das nicht gegeben!“
Mit der leeren Teetasse in der Hand schlurft er grummelnd in die Küche und reißt die Abwaschbürste aus der Halterung. Die Tasse rutscht ihm aus den Fingern und fällt klirrend ins Becken.
„Herrgott noch mal, nur Scherereien!“ Während er noch auf den abgebrochenen Henkel starrt, klingelt es.
„Na wartet, ihr Gören, ich werde euch beibringen, wie man sich zu benehmen hat!“
Dem Teufelchen und der kleinen Hexe vergeht schlagartig das Lächeln, als sie dem alten Mann in die Augen blicken.
„Ja?!“
Die Steppkes zögern kurz, holen tief Luft und singen: „Jack o'lantern …“
„Das haben wir in der Schule gelernt.“
Der Alte rechnet mit einem süßsauren Spruch, doch die beiden sehen ihn nur erwartungsvoll an. Milder als geplant meint er: „Ich habe nichts. Und nun?“
Das Hexlein macht große Augen. Keine Süßigkeiten im Haus? Der arme Opa! „Also … ich könnte Sie einmal drücken, wenn Sie wollen.“
Eifrig nickt der Junge und hält ihm sein Körbchen hin: „Möchten Sie vielleicht ein paar Bonbons?“
 
A

aligaga

Gast
Na gut - jeder sei selbst seines Glückes Schmied.

Sich heiter von deinem Acker machend

aligaga
 

Willibald

Mitglied
Salute in die Runde,

beim aufmerksamen Lesen von Halloween sind mir zwei Texte in der Erinnerung aufgetaucht, einer von den Brüdern Grimm, der andere aus irgendeiner Witzsammlung der sechziger Jahre:

Der alte Großvater und sein Enkel

Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floss ihm auch immer wieder etwas aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen musste sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal satt, da sah er betrübt nach dem Tisch, und die Augen wurden ihm nass.
Wie sie da so sitzen, so trägt das Enkelchen auf der Erde kleine Brettlein zusammen. Was machst du da, fragte der Vater. Ich mache eine Tröglein, antwortete das Kind, daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin.
Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an. Fingen endlich an zu weinen, holten alsofort den alten Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.

Schmuggelfahrt

Österreichische Grenze kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges: Eier, Butter, Fleisch sind in Deutschland Mangelware. Konsumgüter sind über Lebensmittelmarken empfindlich rationiert. Auf österreichischer Seite liegt der Schwarzmarkt für die begierigen „Reichsdeutschen“.
Auf der Rückfahrt im Zug reißt der österreichische Kondukteur - Mütze, Uniform, untersetzt, rotes Gesicht -, die Abteiltür auf, kneift die Augen zusammen und raunzt: „Hamm´s Butter?“ „O, nein.“ „Gar nix.“ „Nur Brot“ murmelt man eingeschüchtert. Der Uniformierte schweigt einen Moment, dann - mit einer gleitenden Handbewegung die Tür hinter sich schließend - beugt er sich nach vorn: „Wolln´s Butter?“

Der erste Text weicht sehr ab vom Märchenschema und seinen Wunderstandards. Vielmehr eine Alltagsgeschichte. Gewiss irgendwie erkünstelt in der Konstruktion. Oder? Und doch rührend. Das Kind will vermeiden, dass es den Eltern so geht, wie es jetzt deren Vater geht. Und das wird daran sichtbar, wie es sucht und mit dem Gefundenen hantiert. Und so wird den Eltern bewusst, wie sie mit ihrem Vater umgehen sollten. Eine indirekte, gar nicht breit ausgmalte Bekehrungsgeschichte. Eine Miniatur.

Und der zweite Text überrascht durch eine völlig unerwartete Wendung. Die gleiche Person in der gleichen Situation mit zwei kontradiktorischen Aussagen. Einmal als (scheinbarer) Diener des Staates und staatlicher Normen, die Schmuggel verbieten, dann als Anbieter von Schmuggelware, wohl zum eigenen Verdienst. Ein Kipp-Phänomen. Seltsam, auch in der Grimm-Geschichte gibt es ein Kipp-Phänomen. Beide Texte stimulieren das Bewusstsein des Lesers und berühren, einmal durch Komik, einmal durch Emotion und Trauer und Einfühlung und Gerechtigkeitsgefühl und Fürsorglichkeit eines Kindes.

Wahrscheinlichkeiten

Der Teufelchentext ist ähnlich konstruiert: Ein empathisches Kind und noch eines. Und ein Kippen raus aus der Bitte um etwas rein in das Geben von etwas.

Mir scheint die Kürze und das Filigrane der Geschichte wichtig. Die Leerstellen sind da und funktional, sie können bei aufnahmebereiter Lektüre sehr wohl gefüllt werden. Der Opa ist zornig, auch wegen dem Verschmieren der Türe vor einem Jahr. Ein kleines Unglück in der Küche und schon sollen die Halloween-Kinder draußen dafür und für letztes Jahr angeraunzt werden, auch wenn sie wohl gar nicht die früheren Täter sind.

Dann schlurft er grummelnd in die Küche und spült das Geschirr. Eine Tasse rutscht ihm aus der Hand, der Henkel bricht ab.
„Herrgott noch mal, nur Scherereien!“
Letztes Jahr meinte irgendeiner dieser Rotzlöffel, er müsse sich mit einer Ketchup-Fratze auf der Haustür verewigen.
Da, es klingelt! Dieses Mal wird er den frechen Gören gehörig den Kopf waschen!
Ab "letztes Jahr" haben wir eine summierende erlebte Rede, interne Fokalisierung: Die Gedanken und Emotionen sind recht deutlich als Opaanteile markiert, etwa über das idiomatische "irgendeiner dieser Rotzlöffel". Die interne Fokalisierung setzt sich - ohne weitereres als logisch einsehbar fort in personengebundener Wahrnehmung der Außenwelt: "Da, es klingelt" und der emotionalen Aufrüstung in "Dieses Mal wird er den frechen Gören gehörig den Kopf waschen!"
Eione Doppelcodierung: Der Erzähler und die Er-Form, narrationale Perspektive, figurale Perspektive im Futur und der emotionalen Rede: "Dieses Mal wird er ...!"

Das schon diskutierte "Was?!" ist gar nicht schlecht gewählt, gar nicht. Es ist ja eine gewisse, wenn auch schroffe Kontaktaufnahme mit den beiden Kindern vor der Tür. Auch dass nun keine explizite Klärung der emotionalen Prozesse beim Großvater kommt, ist nicht unbedingt ein Nachteil. Das Kindchenschema und die Verkleidung - so interpolieren wir - hat eine durchaus besänftigende Wirkung. Und so kann dann - zwar überraschend, aber durchaus nachvollziehbar der Wechsel in der Kinderbehandlung und der Kinderhandlung (Bitten-Geben) folgen. Und ja, da folgt ein komischer Effekt. Eine Erwartungsdurchbrechung und Überraschung eindrucksvoller Art, fern von automatisierten Frames und Scripten.

Was mir in der Diskussion eingeleuchtet hat, ist die gewisse Unwahrscheinlichkeit in der Reaktion des Mädchens. Das "Drücken" ist wohl doch eine eher intime Geste, abrufbar im engen privaten Kreis der Familie oder der Freunde.

So gesehen scheint mir eine Veränderung dieser Schluss-Passage diskutabel. Vielleicht könnte nun der Text - orientiert an der ersten Fassung - so aussehen. Ich halte die erste Fassung für durchaus plausibel und wirksam, auch wenn der Autor inzwischen voller Skepsis eine andere Variante gewählt hat.

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„Neumodischer Kram! Zu meiner Zeit hat’s das nicht gegeben!“
Rentner Dorn mustert mit zusammengekniffenen Lippen die Gestalten auf der Straße.
Dann schlurft er grummelnd in die Küche und spült das Geschirr. Eine Tasse rutscht ihm aus der Hand, der Henkel bricht ab.
„Herrgott noch mal, nur Scherereien!“
Letztes Jahr meinte irgendeiner dieser Rotzlöffel, er müsse sich mit einer Ketchup-Fratze auf der Haustür verewigen.
Da, es klingelt! Dieses Mal wird er den frechen Gören gehörig den Kopf waschen!

Dem Teufelchen und der kleinen Hexe vergeht schlagartig das Lächeln, als sie dem alten Mann in die Augen blicken.
„Ja?!“
Die Steppkes zögern kurz, holen tief Luft und singen: „Jack o'lantern …“
„Das haben wir in der Schule gelernt.“
Milder als geplant meint Herr Dorn: „Ich habe nichts. Und nun?“
Keine Süßigkeiten im Haus?!
Das Hexlein macht große Augen. Der arme Opa!
Und der Junge zögert, dann atmet er tief ein und hält dem alten Mann sein Körbchen hin: „Möchten Sie vielleicht ein paar Bonbons?“

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greetse

ww
 

Val Sidal

Mitglied
@Willibald

Mir scheint die Kürze und das Filigrane der Geschichte wichtig.
-- sagst Du. Mir auch.
Die Leerstellen sind da und funktional, sie können bei aufnahmebereiter Lektüre sehr wohl gefüllt werden.
Die Leerstellen bei einer von Floskeln bestimmten Figur („Neumodischer Kram! Zu meiner Zeit hat’s das nicht gegeben!“, ,„Herrgott noch mal, nur Scherereien!“) lassen nur die gleiche klischeehafte Füllung zu. Inwiefern sie hier funktional angeboten sein sollen, ist mir ein Rätsel.
Der Opa ist zornig, auch wegen dem Verschmieren der Türe vor einem Jahr.
Opas Zorn wird sich – nach menschlichem Ermessen 365 Tagen – irgendwie gelegt haben. Möglicherweise fürchtet er eine erneute Tomatensoßenattacke, was aber zweifelsohne andere Reaktionen zeitigen würde.
Ein kleines Unglück in der Küche und schon sollen die Halloween-Kinder draußen dafür und für letztes Jahr angeraunzt werden, auch wenn sie wohl gar nicht die früheren Täter sind.
Nein – Opa Dorn wird entweder die Tür nicht öffnen, oder – aus Angst vor Ketchup -- öffnen und die Kinder wegjagen, bevor sie auch nur "Jack" sagen können.

Tja – wem diese Zorn-Figur genügt, wie er beim Anblick der niedlichen Hexelein und Teufelchen mildekippt, der wird auch das rationale („geben, statt nehmen“) 180°-Kippen der Kinderlein kaufen – ein move, aufgeladen mit einer Mitfühlwallung, deren Plausibilität auf die Aktion des Jungen beschränkt werden muss – entstanden aus dem Druck der Situation heraus. Augenblicke zuvor waren sie durch den furchteinflößenden Opa-Blick (wie muss dieser Blick gewesen sein, damit das Lächeln der Kinder schlagartig vergeht?) noch paralysiert.

Auf das Thema der doppelten Perspektiven-Kodierung, idiomatischen Verschibungen und der internen Fokalisierung will ich hier nicht eingehen.

Dein Vortrag @Willibald hat mich nicht überzeugt.
 

Val Sidal

Mitglied
@Willibald

haha,
Denn "Lars" arbeitet professionell mit der Innensicht.
-- wenn Du dabei an den "Lars" denkst, an den im Zusammenhang mit "erlebter Rede" ich denken könnte ...

Doch die Innensicht eines Abziehbildes bleibt in meiner Wahrnehmung hermetisch-beliebig ...

Übrigens: deine Breispiele illustrieren, wie man mit der "erlebten Rede" im Kurzformat umgehen sollte -- man sollte sie vermeiden ...
 

Willibald

Mitglied
Na gut. Wie könnte man mit Val ins Diskutieren gelangen? "Breispiele" für kurze interne Fokalisation bei Gross-Schriftstellern, anerkannt in Lit-Geschichte Feuilleton und auch Publikumserfolg?
Greetse
ww
 

Val Sidal

Mitglied
@Willibald

Man kann alles machen -- wenn's funktioniert.
Bei der Bewertung von Handwerk und Technik spielt eine auf die Wirkung abgestellte Beobachtung des Textes auch eine Rolle.
 

Willibald

Mitglied
Man kann alles machen -- wenn's funktioniert.
Bei der Bewertung von Handwerk und Technik spielt eine auf die Wirkung abgestellte Beobachtung des Textes auch eine Rolle.
Na klar doch, daher ja willibalds post:

Übrigens: deine Breispiele illustrieren, wie man mit der "erlebten Rede" im Kurzformat umgehen sollte -- man sollte sie vermeiden ...
Na gut. Wie könnte man mit Val ins Diskutieren gelangen? "Breispiele" für kurze interne Fokalisation bei Gross-Schriftstellern, anerkannt in Lit-Geschichte Feuilleton und auch Publikumserfolg?
Oder geht es vor allem um die Wirkung auf Val?
Und was ist dann mit der Wirkung auf willibald?

greetse

ww
 

Val Sidal

Mitglied
@Willibald

naja -- es gibt einen schmalen Grat zwischen Geschmachssache und Handwerkssache. Wenn mein Kommentar dabei hier ausgerutscht ist, dann -- Pardon.

Oder geht es vor allem um die Wirkung auf Val?
Und was ist dann mit der Wirkung auf willibald?
-- ich greife IMMER nur den Text an. Das tue ich allerdings bewegt durch die Wirkung auf Val.

@Willibald zeigt sich gut genug gerüstet, um die Wirkung auf ihn zu behaupten. Das respektiere ich und lerne weiter dazu.
 



 
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