Herzscheiße

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sohalt

Mitglied
Puppen Spielen Im Zug (Herzscheiße)

Als Kreszentia Brandl aus dem Speisewagen zurück kam, war die gepflegte Langeweile im Abteil einer diffusen Bedrohlichkeit gewichen.


Gesprochen hatten die anderen zwei schon vorher nicht viel miteinander – „Brauchst du die Zeitung noch?“ – „Machst du das Fenster wieder zu, bitte?“, mehr nicht. Vorher hatten die beiden also einfach nicht miteinander gesprochen; jetzt schwiegen sie sich an.

Sie saßen einander auch nicht mehr direkt gegenüber, sondern diagonal, weil die eine den gegenüberliegenden Platz für ihre Füße beanspruchte. Die Schuhe hatte sie immerhin ausgezogen, man war nur zu dritt im Abteil - die Brandl beschloss, darüber hinwegzusehen.

Sie setzte ihre Lektüre fort.

Sie kam allerdings nicht umhin, die Mädchen seltsam zu finden. Sie las gerade den Abschnitt über den Spieltrieb der jungen Makaken, da fiel ihr ein, woran das lag: beide hatten etwas Puppenhaftes.

Die am Fenster war die Stoffpuppe. Wie die eine, die Kreszentia Brandl zum Kindergarteneintritt von ihrer Tante bekommen hatte, wie hieß die.. –Linda, genau. Linda mit den leicht schiefen Augen, bei denen sich die Tante nämlich vernäht hatte - nicht einmal raubtierhaft-schief, sondern umgekehrt, sodass die äußeren Augenwinkel nach unten wiesen, das verlieh dieser Puppe trotz ihrer lustigen Grübchen und all ihres Sommers – luftiges Kleidchen, braune Haut, sonnengebleichtes Strohhaar, Kornblumenaugen – und all ihres Lichtes einen Anflug von Traurigkeit.

Bei der anderen war sich Frau Brandl über das Material noch unschlüssig. Etwas – nicht der Teint, der war rosig, eher vielleicht diese strenge Forderung nach Vorsicht, die von der Gestalt ausging – sprach für Porzellan. Aber Frau Brandl entschied sich nach reiflicher Überlegung für Holz, denn sie hatte sie endlich wiedererkannt: Isadora, die Prinzessin vom Marionettentheater, die verwunschene Königstochter, deren Lachen gestohlen wurde - wer den Bann besiegt, bekommt das Königreich und sie zur Frau, doch wer versagt, verliert den Kopf.Isadora. Wahrscheinlich war es der missgestimmte Zug um den Mund, die herabhängenden Mundwinkel, die im ansonsten makellosen Gesicht die Kinnpartie zu stark abgrenzten, was diese Assoziation zu den Marionetten weckte, den Marionetten mit ihren auf- und zu klappbaren Kinnladen.

Die eine lehnte am Seitenpolster und schaute den Wolken nach. Die andere, die mit den hochgelagerten Füßen, die Isadora-Puppe, hatte die Ohren zugestöpselt, schaute ins Leere. Aus den Augenwinkeln warf sie hin- und wieder der Linda-Puppe böse Blicke zu. Deren Körper das sehr wohl bemerkte, denn er zuckte dann zusammen, wetzte hin- und her, und die Linda-Puppe tauchte aus ihrer Versunkenheit auf und schaute mit großen – Angst-geweiteten? mutmaßte Frau Brandl – Augen zu der anderen, wie um sich zu versichern. Aber die war dann wieder ganz Abwesenheit, als wäre nichts gewesen, und dann war auch nichts. So ging das eine Zeit.

Frau Brandl las ihren Artikel und kümmerte sich nicht darum.

Bis es die Linda-Puppe nicht mehr aushielt.
-Was schaust du denn so?
- Was schaust du denn so? – äffte Isadora sie in weinerlichem Tonfall nach. Gar nicht schau ich, du bist paranoid.
Linda hob nur die Augenbraue und lehnte sich wieder zurück.
- Und überhaupt – fing Isadora wieder an – selbst wenn ich geschaut hätte… darf ich leicht nicht?
- Sag mal, hab ich dir was getan?
- Nein, sagte Isadora ruhig. – Hast du nicht.
Sie fingerte umständlich ihre Kopfhörer, die sich vorhin beim Abnehmen verheddert hatten, auseinander und murmelte etwas in Richtung – Als ob damit alles gut wäre.
- Irgendwas stimmt doch nicht mit dir, beharrte Linda.
- Oh Gott nein, wie kommst du denn da drauf! Ist doch alles super. Best-ens.
- Sag mir bitte, was los ist.
- Ja, genau, lass uns drüber reden! Ein konstruktives Gespräch, ein super-tolles, super-wichtiges, super-scheiß-konstruktives Gespräch. Wir können ja über alles reden, nicht?
- Nicht? – Das bisherige Gespräche war in Zischlauten seitens Isa bzw. sachten Flüstertönen seitens Linda geführt worden – Frau Brandl hatte trotzdem alles mitbekommen, ihr Gehör war durch jahrelanges Schüler beim Einsagen Ertappen-Müssen darauf konditioniert, dieses Zischen und Geflüster wahrzunehmen, das ging ganz von selbst, sie konnte gar nichts dagegen tun – aber das letzte Wort hatte Linda mit höherer, brüchigerer Stimme gesprochen.
– Ich dachte eigentlich schon immer… stammelte sie, - Ich meine, wir haben doch immer…. Bitte sag mir jetzt nicht, dass wir nicht mal mehr miteinander reden können.
- Reden ist nicht das Problem.
- Wenn Reden nicht das Problem ist, was dann? Was, um Himmels willen, ist dein Problem?
- Du, sagte Isadora.

Linda sank zurück.
- Komm schon, das ist nicht lustig, sagte sie.
- So war’s auch nicht gemeint, sagte Isadora. – Wenn du’s genau wissen willst: Ich kann dich nicht mehr sehn. Immer dein Mondgesicht mir gegenüber, da kommt es mir hoch. Ja, und du kannst jetzt heulen, was du willst, so ist es einfach. Du kotzt mich an.
- Gestern beim Fortgehn hast du noch ganz was anderes gesagt, sagte Linda, fast tonlos.
- Na und? Ich war total zu. Alk macht mich sentimental, weißt du doch.

Frau Brandl räusperte sich.

- Warum sagst du so was?, fragte Linda.
- Ja, warum eigentlich?, sinnierte Isadora. – Gott, ich weiß beim besten Willen nicht mehr, warum ich mich überhaupt so lang mit dir abgegeben hab.
- Weil ich so kirschrote Lippen habe, flüsterte Linda. Und kornblumenblaue Augen. Und weil mein Lächeln leuchtet. Und weil du mich liebst.
Stille.
- Hast du mal gesagt.
Immer noch Stille.

Frau Brandl hielt den Atem an.

- Meine Güte, sagte Isa schließlich, dir kann man aber auch jeden Scheiß reindrücken. Kirschrote Lippen! Kornblumenblaue Augen! Da war ich ja nicht sonderlich originell. Merk dir das fürs Leben, Mädchen, das ist der Schleim, den wer absondert, um dich rumzukriegen.

Frau Brandl war inzwischen zu dem Entschluss gekommen, dass das nun wirklich nicht mehr anging. Hatten die Mädchen ihre Anwesenheit vergessen? Natürlich, das Gespräch wurde nach wie vor sehr leise geführt und sie war ja vertieft in den Artikel, aber sie saß doch, bitte, direkt daneben. Direkt daneben! Wahrscheinlich hatten die sie wirklich vergessen. Anders konnte es gar nicht sein.

Man musste sich in Erinnerung rufen.
-Entschuldigen Sie, nutzte Frau Brandl die Gefechtspause, könnten wir bitte das Fenster aufmachen?
- Gute Idee, sagte Isa, ich halt den Gestank eh nicht mehr aus. Wie die stinkt! – und schaute dabei Linda schnurgerade ins Gesicht, und fügte hinzu, diesmal an Frau Brandl gewandt: Finden Sie nicht?

Das war zu viel. Frau Brandl schnappte sich ihr Gepäck und suchte fluchtartig das Weite.

- Ich finde ja, sie hätte dich verteidigen müssen, sagte Isa, kaum dass die Tür hinter ihr zugegangen war. So gemein, wie ich zu dir war.


- Die war viel zu entsetzt, um einzugreifen. Ich glaub, wir haben sie ziemlich verstört, sagte Linda.
Isa grinste breit. – Wir sind ganz schon fies, weißt du das? Manipulative Biester. Obwohl, mit dem „Lesbisch“ hättest mich kurz mal fast draus gebracht. Ich dachte, wir machen einfach nur normal auf beste Freundinnen.
- Immerhin, sie hat’s geglaubt.
- Das allerdings. Wer weiß, sagte Linda und hängte den Blick wieder an die Wolken, vielleicht haben wir sie heute geprägt fürs Leben.

-Ich stelle mir vor, sagte Linda, sie war gerade auf dem Weg zum Maturajubiläum, zum 20. sagen wir, was meinst du?
- Zwanzigstes dürfte hinkommen, meinte Isa.
- Gut, 20. Maturajubiläum also. Und dort wird sie ihren Oberstufenschwarm wieder treffen, 3 Jahre war sie ärgstens in ihn verknallt. Aber ach, sie hat ihm nie etwas gesagt, es war von Anfang an eine unstillbare Sehnsucht, denn, wie es nun mal so geht im Leben: Sie war die fade, brave Streberin und er der lässige, rebellische Repetent. Er war sehr hübsch und sie… na ja. Sie hat ihm also nie etwas gesagt und ihn nach der Matura nie wieder gesehen. Bis heute.

- Und sie hat natürlich nie wieder einen Mann so geliebt wie ihn und heute hätte sie ihm dann endlich ihre Liebe gestanden und sie wären in Leidenschaft zueinander entbrannt und das wäre dann die große Liebe, oder wie? – spann Isa belustigt den Faden weiter.

- Das vielleicht nicht, aber so nebenbei einfließen lassen hätte sie es schon, ganz beiläufig. Denn sie hat ihn tatsächlich überwunden, sie sieht jetzt ganz genau, wie sie sein Bild damals verklärt hat und sie sieht auch ihn jetzt ganz genau, zum ersten Mal wirklich, und stellt fest, dass er immer noch gut aussieht. Sie hat ja auch tatsächlich nachher nie wieder einen Mann so geliebt wie ihn, klar, sie hatte ein, zwei Affären, mit einem Studien- später mit einem Arbeitskollegen, aber das waren halbherzige Sachen, von beiden Seiten, weil halt manchmal irgendwas doch besser ist als nix.

- Und er kommt plötzlich drauf, dass nur die inneren Werte zählen und verwandelt das hässliche Entlein in den schönen Schwan?

- Er hat das mit den schönen Frauen schon ein bisschen hinter sich, weißt du. Er hat genug gehabt, in diesen 20 Jahren, schöne, dramatische, aufregende Frauen, sehr, sehr aufregende Frauen, ein bisschen zu aufregend vielleicht sogar. Die erste hat ihm das Geschirr zertrümmert, die zweite den Fernseher, die dritte das Auto, die vierte die Wohnung und die Fünfte das Ego. Fad klingt jetzt plötzlich gar nicht mehr so schlecht für ihn. Und sie hat er eigentlich damals schon gut leiden können, sie haben gut miteinander reden können, über Gott und die Welt, nur begehrenswert hätt er sie halt im Traum nicht gefunden. Aber das Alter hat ihr nicht geschadet, im Gegenteil, weil sie nie besonders schön war, hat es ihr auch nicht viel nehmen können. Die Jahre haben die Kluft gefüllt zwischen ihnen. Und sie würden dann gelegentlich miteinander ausgehen, sie würden es anfangs nicht ernstnehmen, weil sie es auf die Nostalgie schieben würden, aber was zuerst aussehen würde wie ein naheliegender Kompromiss, würde sich dann als die ideale Lösung entpuppen. Er würde sie aufblühen lassen, sie würde ihm Stabilität geben. Und sie würden zusammenbleiben, bis dass der Tod sie scheidet, sie wären das rührende alte Pärchen im Park, das immer noch Händchen hält und uns den Glauben an die Liebe wiedergibt, wenn wir wieder mal tränenblind aus der Wohnung unseres neuesten Ex-Freundes stürmen. Nur, dass das alles jetzt nicht geschehen wird. Weil wir nämlich heute ihren Glauben an die Liebe zerstört haben.

- Klar. Sie kriegt zufällig mit, wie sich zwei 16-jährige Mädels anzicken und ihr Glaube an die Liebe ist zerstört.

-Ja, sagte Linda. Weil wir ihr gerade sehr schön demonstriert haben, wie viel Verachtung stecken kann in dem, was die längste Zeit unter „Liebe“ gelaufen ist. Sie hat vor langer Zeit mit dem Thema abgeschlossen und ihm keine Beachtung mehr geschenkt, und so hat sich diese Tür sicher verborgen in den Tiefen ihres Unterbewusstseins in all den Jahren wieder ein bisschen öffnen können, ganz allmählich, erst nur eine Spalt weit und dann immer weiter, und heute wäre diese Tür vielleicht offen gewesen, wenn wir sie nicht gerade eben rechtzeitig wieder zugedonnert hätten. Sie wird es ihm also nicht sagen. Er wird sich versaufen und sie wird einsam sterben. Wir haben ihr das Leben versaut.

- Das glaube ich nicht, sagte Isa fest. Sie hatte diese halbherzige Affäre mit dem Arbeitskollegen, wie du gesagt hast, nur dass sie dann aus dieser halbherzigen Affäre eine halbherzige Beziehung gemacht hat, aus Angst vor der Einsamkeit und durch uns hat sie heute erkannt, dass das nicht das Wahre ist, dass etwas gibt, das schlimmer ist als die Einsamkeit, dass sie endlich Schluss machen muss, bevor auch bei ihnen diese Verachtung durchbricht, bevor einer von ihnen dem anderen eine solche Szene macht. Durch uns wird sie heute endlich die Kraft finden, sich aus dem Gefängnis dieser Gewohnheitsbeziehung zu befreien. Wir haben ihr das Leben gerettet.
- Möglich, sagte Linda.
- Nicht wahr? Ich meine, kann doch wirklich sein, oder?
- Klar, sagte Linda. Warum nicht.

Sie sahen beide aus dem Fenster. Linda schaute den Wolken nach, Isa zählte die Strommasten. – Bei der nächsten Station muss ich aussteigen, sagte Linda.
 

norge

Mitglied
die Geschichte hat mich sehr beeindruckt und auch wenn sie - für mein Zeitfenster - sehr lang war, musste ich zu Ende lesen.
Das ist ein Kompliment!!!

Das, was mir aufgefallen ist: die Geschichte fing mit Kreszentie Brandl an, die am Anfang die Hauptperson zu sein schien. Man versuchte, sich mit ihr zu identifizieren - und dann war sie plötzlich weg und tauchte nicht mehr auf und es wurde nur noch über sie hypothetisiert...
das störte mich als Leserin. Und der Konflikt zwischen den Mädchen. hm, als er offenbart wurde, dachte ich, okay, die machen das öfter aus besagten Gründen, ein bisschen spekulieren zu können... so wie ne Art Hobby. Aber auch dieser Gedanke meinerseits wurde durch das Ende zerstört.

Es ist nur meine Meinung, aber ich hätte es - als Leserin wohlgemerkt - besser gefunden, wenn die beiden ihre ganze kleine, gemeine Geschichte durchgezogen hätten, sich nach dem Verschwinden von Frau Brandl ihre Gedanken austauschen können...und meinetwegen auch so intensiv, wie beschrieben.
Knalleffekt wäre aber gewesen, wenn ganz am Ende Frau Brandl am Bahnhof abgeholt worden wäre ? Vielleicht sogar von ihrem Mann und vier Kindern?


Dies soll keine Berichtigung deiner Geschichte sein, um Himmels Willen, nur das, was mir so... ja mir als Leserin eben halt eingefallen ist.

Nicht böse sein, dazu ist dies Forum doch da, nicht wahr?

viele Grüße

norge
 

sohalt

Mitglied
Danke fürs Fertiglesen!

hm, du fändest es also besser, wenn die Mädchen sich schon vorher kennen würden, interpretier ich das richtig?

lg
sohalt
 

norge

Mitglied
hallo sohalt

upps, habe ich was übersehen? Ich schaffe es gerade nicht, die Geschichte nochmal zu lesen, aber kannten sich denn die beiden NICHT vorher?
Ich werds mit nachher nochmal ansehen, aber das ist mir irgendwie nicht aufgefallen.

LG Inga
 

sohalt

Mitglied
also ich hätt mir das so gedacht, dass sie sich im Zug erst kennen lernen und dann spontan beschließen, sich ein wenig auf Kosten der Frau Brandl zu amüsieren, was sie sich vielleicht ausmachen, während diese im Speisewagen ist.

Es würde aber vielleicht weniger konstruiert wirken, wenn die beiden wirklich miteinander befreundet wären und sowas, wie du schreibst, öfter machen.

Was ich nicht verstehe:

"Es ist nur meine Meinung, aber ich hätte es - als Leserin wohlgemerkt - besser gefunden, wenn die beiden ihre ganze kleine, gemeine Geschichte durchgezogen hätten.."

Aber sie ziehen es doch auch durch, oder? Sie treiben es so weit, bis die Frau das Abteil verlässt, was sollten sie noch tun?

lg
sohalt
 

norge

Mitglied
ähm

Also,

ich hatte mich in diesem Satz wirklich nicht richtig ausgedrückt.

Natürlich haben sie es durchgezogen.

Was aber meiner Meinung nach nicht rüberkam war, dass sich die beiden Mädels vorher nicht kannten. Ich habe den Text grade nochmal überflogen - und tatsächlich kann man es sich nur beim letzten Satz denken, dass sie sich nicht ganz so nahe sein könnten, wie es vorher schien. "Linda" hätte aber auch vorher auch aussteigen können, wenn sie sich kennen würden.(Besuch bei Eltern in den Semesterferien oder so, und die beiden fahren die Strecke öfter zusammen..so in etwa klang das für mich) Das ist mir nicht klar geworden.

Und eben, dass Frau Brandl nicht mehr auftauchte. Hätte ich als Pointe klasse gefunden, wenn sie noch mit einem Schlussatz in Erscheinung getreten wäre, weil sie doch nunmal die Hauptperson war. Am Anfang persönlich und am Ende die Hypothesen über sie...

ich würde mich nicht so damit beschäftigen - und das kennst du sicher - wenn ich die Geschichte und vor allem die Idde für die Geschichte nicht klasse finden würde.

LG

Norge
 

sohalt

Mitglied
und ich freu mich auch sehr, dass du dich mit meiner Geschichte beschäftigst.

Deine Anregungen sind sehr interessant für mich.

Ich überlege mittlerweile wirklich, ob sich die beiden nicht einfach kennen sollten. Weniger verwirrend, plausibler.

Aber die Frau Brandl bring ich wohl doch nicht wieder ein. Mir ist bewusst, dass ich mich damit gegen eine potentielle Pointe entscheiden. Aber dafür für ein offenes Ende.

Hat mitunter auch was, find ich.


lg
sohalt
 

norge

Mitglied
hi, - und ich freue mich, dass du meinen Kommentar nicht einfach abgetan hast ;-))

Die Geschichte hat mich so fasziniert, weil es doch so oft und überall Menschen gibt, die man sieht und über die man nachdenkt: wieso verhalten sie sich so, wieso, weshalb warum sind sie so, wie sie sind etc etc
deshalb kam wohl der Eindruck auf, die Mädels dächten ebenso und hätten sich ein Hobby draus gemacht, Menschen zur Reaktion zu zwingen.

Was das Ende betrifft, ist es natürlich DEIN Ende --obwohl ich denke, auch mit einem erneuten Auftreten von Frau Brandl könnte man es offen gestalten (du siehst - ich gebe nicht auf ;-))))

Meiner Meinung nach schließen sich allerdings offenes Ende und Pointe nicht aus, sondern sind ein und dasselbe.

Viele Grüße und frohe Ostern

norge
 

Mumpf Lunse

Mitglied
hallo sohalt,
ich habe in einem teil des textes einige fehler gekennzeichnet
Ursprünglich veröffentlicht von sohalt
Herzscheiße

Als Kreszentia Brandl aus dem Speisewagen zurück kam, war die gepflegte Langeweile im Abteil einer diffusen Bedrohlichkeit gewichen.

Gesprochen hatten die anderen zwei schon vorher nicht viel miteinander – „Brauchst du die Zeitung noch?“ – „Machst du das Fenster wieder zu, bitte?“, mehr nicht. Was Frau Brandl gut verstand, sie war schließlich als fremdes Element in deren Sphäre eingedrungen – Frau Brandl setzte sich prinzipiell in das erste Abteil, in dem ein Platz frei war – sie selbst hätte sich auch gestört gefühlt. Vorher hatten die beiden also einfach nicht miteinander gesprochen; jetzt schwiegen sie sich an.

Sie saßen einander auch nicht mehr direkt gegenüber, sondern diagonal, weil die eine den gegenüberliegenden Platz für ihre Füße beanspruchte. Die Schuhe hatte sie immerhin ausgezogen, man war nur zu dritt im Abteil - die Brandl beschloss, darüber hinwegzusehen.

Sie setzte ihr Lektüre fort.

Sie kam allerdings nicht umhin, die Mädchen seltsam zu finden. Die beiden hätten optisch kaum unterschiedlicher sein können, und doch war der Eindruck, der sich ihr beharrlich aufdrängte, einer von Ähnlichkeit. Sie las gerade den Abschnitt [blue]über[/blue]den Spieltrieb der jungen Makak[red][strike]k[/strike][/red]en, da fiel ihr ein, woran das lag: beide hatten etwas Puppenhaftes.

Die am Fenster war die Stoffpuppe. Wie die eine, die Kreszentia Brandl zum Kindergarteneintritt von ihrer Tante bekommen hatte, wie hieß die.. –Linda, genau. Linda mit den leicht schiefen Augen, bei denen sich die Tante nämlich vernäht hatte - nicht einmal raubtierhaft-schief, sondern umgekehrt, sodass die äußeren Augenwinkeln nach unten wiesen, das verlieh dieser Puppe trotz ihrer lustigen Grübchen und all ihres Sommers – luftiges Kleidchen, braune Haut, sonnengebleichtes Strohhaar, Kornblumenaugen – und aller ihres Lichtes einen Anflug von Traurigkeit.

Bei der anderen war sich Frau Brandl über das Material noch unschlüssig. Etwas – nicht der Teint, der war rosig, eher vielleicht diese strenge Forderung nach Vorsicht, die von der Gestalt ausging – sprach für Porzellan. Aber Frau Brandl entschied sich nach reiflicher Überlegung für Holz, denn sie hatte sie endlich wiedererkannt: Isadora, die Prinzessin vom Marionettentheater, die verwunschene Königstochter, deren Lachen gestohlen wurde - wer den Bann besiegt, bekommt das Königreich und sie zur Frau, doch wer versagt, verliert den Kopf; in einem anderen Stück gibt sie den jungen Männer(n) Rätsel auf, mit selbigen Konsequenzen, in einem (D) dritten befiehlt sie ihnen, ihr zur Verlobung goldene Eier aus Drachennestern (ZU) bringen. Isadora. Wahrscheinlich war es der missgestimmte Zug um den Mund, die herabhängenden Mundwinkel, die im ansonsten makellosen Gesicht die Kinnpartie zu stark abgrenzten, was diese Assoziation zu den Marionetten weckte, den Marionetten mit ihren auf- und zu klappbaren Kinnläden. Vielleicht waren die herabhängenden Mundwinkeln aber auch nur eine optische Täuschung, genau wie die herabhängenden Augenwinkel. Es waren zwei sehr hübsche Mädchen.

Die eine lehnte am Seitenpolster und schaute den Wolken nach. Die andere, die mit den hochgelagerten Füßen, die Isadora-Puppe, hatte die Ohren zugestöpselt, schaute ins Leere – eine Allegorie geistiger Abwesenheit. Und eine Finte. Aus den Augenwinkeln warf sie hin- und wieder der Linda-Puppe böse Blicke zu. Deren Körper das sehr wohl bemerkte, denn er zuckte dann zusammen, wetzte hin- und her, und die Linda-Puppe tauchte aus ihrer Versunkenheit auf und schaute mit großen – angst-geweiteten? mutmaßte Frau Brandl – Augen zu der anderen, wie um sich zu versichern. Aber die war dann wieder ganz Abwesenheit, als wäre nichts gewesen, und dann war auch nichts. So ging das eine Zeit.

Frau Brandl las ihren Artikel und kümmert sich nicht darum.

Bis es die Linda-Puppe nicht mehr aushielt.
-Was schaust du denn so?
- Was schaust du denn so? – äffte Isadora sie in weinerlichem Tonfall nach. Gar nicht schau ich, du bist paranoid.
Linda hob nur die Augenbraue und lehnte sich wieder zurück.
- Und überhaupt – fing Isadora wieder an – selbst wenn ich geschaut hätte … darf ich [blue]viel[/blue]leicht nicht?
- Sag mal, hab ich dir was getan?
- Nein, sagte Isadora ruhig. – Hast du nicht.
Sie fingerte umständlich[strike][red]e[/red][/strike] ihre Kopfhörer, die sich vorhin beim Abnehmen verhedderte hatten, auseinander und murmelte etwas in [blue]ihre ?[/blue]Richtung – als ob damit alles gut wäre.
ich habs nicht weiter gemacht, aber es wäre gut wenn du den text daraufhin nochmal prüfst.

meine eigetliche kritik:
so reden keine 16 jährigen. das mag inhaltlich plausibel sein - aber nicht für 16 jährige. na ja - jedenfalls halte ich es für eher nicht alterstypisch.
... Sie war die fade, brave Streberin und er der lässige, rebellische Repetent. Und überhaupt war für ihn zu schwärmen nicht sehr originell, die halbe weibliche Oberstufe war zu irgendeinem Zeitpunkt mal verliebt in ihn, er war sehr hübsch und sie… na ja. Sie hat ihm also nie etwas gesagt und ihn nach der Matura nie wieder gesehen. Bis heute.

...
- Das vielleicht nicht, aber so nebenbei einfließen lassen hätte sie es schon, ganz beiläufig. Denn sie hat ihn tatsächlich überwunden, sie sieht jetzt ganz genau, wie sie sein Bild damals verklärt hat und sie sieht auch ihn jetzt ganz genau, zum ersten Mal wirklich, und stellt fest, dass er immer noch gut aussieht. Sie hat ja auch tatsächlich nachher nie wieder einen Mann so geliebt wie ihn, klar, sie hatte ein, zwei Affären, mit einem Studien- später mit einem Arbeitskollegen, aber das waren halbherzige Sachen, von beiden Seiten, weil halt manchmal irgendwas doch besser ist als nix.

- Und er kommt plötzlich drauf, dass nur die inneren Werte zählen und verwandelt das hässliche Entlein in den schönen Schwan?

- Er hat das mit den schönen Frauen schon ein bisschen hinter sich, weißt du. Er hat genug gehabt, in diesen 20 Jahren, schöne, dramatische, aufregende Frauen, sehr, sehr aufregende Frauen, ein bisschen zu aufregend vielleicht sogar. Die erste hat ihm das Geschirr zertrümmert, die zweite den Fernseher, die dritte das Auto, die vierte die Wohnung und die Fünfte das Ego. Fad klingt jetzt plötzlich gar nicht mehr so schlecht für ihn. Und sie hat er eigentlich damals schon gut leiden können, sie haben gut miteinander reden können, über Gott und die Welt, nur begehrenswert hätt er sie halt im Traum nicht gefunden. Aber das Alter hat ihr nicht geschadet, im Gegenteil, weil sie nie besonders schön war, hat es ihr auch nicht viel nehmen können. Die Jahre haben die Kluft gefüllt zwischen ihnen. Und sie würden dann gelegentlich miteinander ausgehen, sie würden es anfangs nicht ernstnehmen, weil sie es auf die Nostalgie schieben würden, aber was zuerst aussehen würde wie ein naheliegender Kompromiss, würde sich dann als die ideale Lösung entpuppen. Er würde sie aufblühen lassen, sie würde ihm Stabilität geben. Und sie würden zusammenbleiben, bis dass der Tod sie scheidet, sie wären das rührende alte Pärchen im Park, das immer noch Händchen hält und uns den Glauben an die Liebe wiedergibt, wenn wir wieder mal tränenblind aus der Wohnung unseres neuesten Ex-Freundes stürmen. Nur, dass das alles jetzt nicht geschehen wird. Weil wir nämlich heute ihren Glauben an die Liebe zerstört haben.
davon abgesehen gefällt mir die geschichte.

gruß
mumpf
 

sohalt

Mitglied
Danke für die Korrekturen!

ad:
So reden keine 16-jährigen.
Bitte präzisiere "so". Was passt nicht? Zu hochgestochen? Zu kindisch? Ich habe ehrlich keine Ahnung, was du meinst. Welche Wörter, Sätze genau würden 16-jährigen deiner Meinung nach nicht verwenden?

lg
sohalt
 

sohalt

Mitglied
achja,
"leicht" und "in Richtung" hab ich allerdings gelassen, das sind in Österreich gängige umgangssprachliche Wendungen.

lg
sohalt
 

Mumpf Lunse

Mitglied
guten morgen, sohalt

Beispiel: ... Er hat das mit den schönen Frauen schon ein bisschen hinter sich, weißt du. Er hat genug gehabt, in diesen 20 Jahren, schöne, dramatische, aufregende Frauen, sehr, sehr aufregende Frauen, ein bisschen zu aufregend vielleicht sogar. Die erste hat ihm das Geschirr zertrümmert, die zweite den Fernseher, die dritte das Auto, die vierte die Wohnung und die Fünfte das Ego. Fad klingt jetzt plötzlich gar nicht mehr so schlecht für ihn. Und sie hat er eigentlich damals schon gut leiden können, sie haben gut miteinander reden können, über Gott und die Welt, nur begehrenswert hätt er sie halt im Traum nicht gefunden. Aber das Alter hat ihr nicht geschadet, im Gegenteil, weil sie nie besonders schön war, hat es ihr auch nicht viel nehmen können. Die Jahre haben die Kluft gefüllt zwischen ihnen. Und sie würden dann gelegentlich miteinander ausgehen, sie würden es anfangs nicht ernstnehmen, weil sie es auf die Nostalgie schieben würden, aber was zuerst aussehen würde wie ein naheliegender Kompromiss, würde sich dann als die ideale Lösung entpuppen. Er würde sie aufblühen lassen, sie würde ihm Stabilität geben. Und sie würden zusammenbleiben, bis dass der Tod sie scheidet, sie wären das rührende alte Pärchen im Park, das immer noch Händchen hält und uns den Glauben an die Liebe wiedergibt, wenn wir wieder mal tränenblind aus der Wohnung unseres neuesten Ex-Freundes stürmen ...

aus welchem erfahrungsschatz schöpft eine 16 jäjrige (oder gar zwei) um diese art der reflexion hervorzubringen?

für mich spricht da ein erwachsener mensch. einer der auf erfahrungen zurück greift. erfahrungen welche es ihm ermöglichen auf diese weise über einen anderen oder sich selbst nachzudenken.

ich find es gut geschrieben und vielleicht liegt es daran das die östereicherinnen mit 16 schon viel schlauer und tiefsinniger sind als die deutschen mädchen. dann sieh es einfach als einen erfahrungsmangel bei mir.
wenn es für dich stimmig ist - dann lass es halt.

liebe grüße und einen schönen tag

gunter
 

sohalt

Mitglied
tja, wir Österreicher, wir sind tatsächlich alle ganz furchtbar tiefgründig, praktisch von Geburt an.

Naja.

Ich schätze, mit 16 kann man schon ziemlich erwachsen sein. Betonung auf kann. Manche werdens natürlich nie.

Es ist allerdings fraglich, ob 16jährige schon auf einen großen Erfahrungsschatz in Liebesdingen zugreifen können. Manche können. Manche nicht. Da hast du wohl recht.
Allerdings gibts ja auch genug Erfahrungen aus 2. Hand, Geschichten, die man so mitkriegt, von Freunden, Eltern, zur Not aus Film und Fernsehen. Man muss nicht alle Erfahrungen selber machen, um seine Schlüsse daraus zu ziehen. Und dieses "Wilder Hund kommt auf seine alten Tage zur Einsicht und findet nach Irrungen und Wirrungen in der weiten Welt Glück allein im trauten Heim"-Motiv ist ja nun so ausgefallen auch wieder nicht. Steckt ja mehr oder weniger alles in der guten alten Phrase "sich die Hörner abstoßen".

Für so arg tiefsinnig halt ich's nämlich eigentlich sowieso nicht (wobei ich's natürlich schön finde, wenn du das so siehst, danke!). Mehr so ein schönes Märchen. Und solche zusammenfabulieren - das klappt mit 16 wahrscheinlich sogar besser als später dann.

lg
sohalt
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Korrekturvorschläge:

Veröffentlicht von sohalt am 19. 03. 2005 14:34
Leider haben sich n paar tippfehler in diese beachtenswerte geschichte eingeschlichen:
Herzscheiße

Als Kreszentia Brandl aus dem Speisewagen zurück kam, war die gepflegte Langeweile im Abteil einer diffusen Bedrohlichkeit gewichen.

Gesprochen hatten die anderen zwei schon vorher nicht viel miteinander – „Brauchst du die Zeitung noch?“ – „Machst du das Fenster wieder zu, bitte?“, mehr nicht. Was Frau Brandl gut verstand, sie war schließlich als fremdes Element in deren Sphäre eingedrungen – Frau Brandl setzte sich prinzipiell in das erste Abteil, in dem ein Platz frei war – sie selbst hätte sich auch gestört gefühlt. Vorher hatten die beiden also einfach nicht miteinander gesprochen; jetzt schwiegen sie sich an.

Sie saßen einander auch nicht mehr direkt gegenüber, sondern diagonal, weil die eine den gegenüberliegenden Platz für ihre Füße beanspruchte. Die Schuhe hatte sie immerhin ausgezogen, man war nur zu dritt im Abteil - die Brandl beschloss, darüber hinwegzusehen.

Sie setzte [red] ihr [/red] (ihre) Lektüre fort.

Sie kam allerdings nicht umhin, die Mädchen seltsam zu finden. Die beiden hätten optisch kaum unterschiedlicher sein können, und doch war der Eindruck, der sich ihr beharrlich aufdrängte, [blue] einer von [/blue] (der von) Ähnlichkeit. Sie las gerade den Abschnitt über den Spieltrieb der jungen Makaken, da fiel ihr ein, woran das lag: beide hatten etwas Puppenhaftes.

Die am Fenster war die Stoffpuppe. Wie[blue] die eine[/blue] (jene), die Kreszentia Brandl zum Kindergarteneintritt von ihrer Tante bekommen hatte, wie hieß die.. –Linda, genau. Linda mit den leicht schiefen Augen, bei denen sich die Tante nämlich vernäht hatte - nicht einmal raubtierhaft-schief, sondern umgekehrt, sodass die äußeren [red] Augenwinkeln [/red] (Augenwinkel) nach unten wiesen, das verlieh dieser Puppe trotz ihrer lustigen Grübchen und all ihres Sommers – luftiges Kleidchen, braune Haut, sonnengebleichtes Strohhaar, Kornblumenaugen – und [blue] aller [/blue] (all) ihres Lichtes einen Anflug von Traurigkeit.

Bei der anderen war sich Frau Brandl über das Material noch unschlüssig. Etwas – nicht der Teint, der war rosig, eher vielleicht diese strenge Forderung nach Vorsicht, die von der Gestalt ausging – sprach für Porzellan. Aber Frau Brandl entschied sich nach reiflicher Überlegung für Holz, denn sie hatte sie endlich wieder(getrennt)erkannt: Isadora, die Prinzessin vom Marionettentheater, die verwunschene Königstochter, deren Lachen gestohlen wurde - wer den Bann besiegt, bekommt das Königreich und sie zur Frau, doch wer versagt, verliert den Kopf; in einem anderen Stück gibt sie den jungen [red] Männer [/red] (Männern) Rätsel auf, mit selbigen Konsequenzen, in einem dritten befiehlt sie ihnen, ihr zur Verlobung goldene Eier aus Drachennestern (zu) bringen. Isadora. Wahrscheinlich war es der missgestimmte Zug um den Mund, die herabhängenden Mundwinkel, die im ansonsten makellosen Gesicht die Kinnpartie zu stark abgrenzten, was diese Assoziation zu den Marionetten weckte, den Marionetten mit ihren auf- und zu klappbaren[red] Kinnläden[/red] (Kinnladen). Vielleicht waren die herabhängenden [red] Mundwinkeln [/red] (Mundwinkel) aber auch nur eine optische Täuschung, genau wie die herabhängenden Augenwinkel. Es waren zwei sehr hübsche Mädchen.

Die eine lehnte am Seitenpolster und schaute den Wolken nach. Die andere, die mit den hoch(getrennt)gelagerten Füßen, die Isadora-Puppe, hatte die Ohren zugestöpselt, schaute ins Leere – eine Allegorie geistiger Abwesenheit. Und eine Finte. Aus den Augenwinkeln warf sie hin- und wieder der Linda-Puppe böse Blicke zu. Deren Körper das sehr wohl bemerkte, denn er zuckte dann zusammen, wetzte hin- und her, und die Linda-Puppe tauchte aus ihrer Versunkenheit auf und schaute mit großen –[red] angst [/red] (Angst)-geweiteten?[blue] mutmaßte Frau Brandl [/blue] (überflüssig)– Augen zu der anderen, wie um sich zu versichern. Aber die war dann wieder ganz Abwesenheit, als wäre nichts gewesen, und dann war auch nichts. So ging das eine Zeit.

Frau Brandl las ihren Artikel und [red] kümmert [/red] (kümmerte) sich nicht darum.

Bis es die Linda-Puppe nicht mehr aushielt.
-Was schaust du denn so?
- Was schaust du denn so? – äffte Isadora sie in weinerlichem Tonfall nach. Gar nicht schau ich, du bist paranoid.
Linda hob nur die Augenbraue und lehnte sich wieder zurück.
- Und überhaupt – fing Isadora wieder an – selbst wenn ich geschaut hätte… darf ich leicht nicht?
- Sag mal, hab ich dir was getan?
- Nein, sagte Isadora ruhig. – Hast du nicht.
Sie fingerte umständlich ihre Kopfhörer, die sich vorhin beim Abnehmen [red] verhedderte [/red] (verheddert) hatten, auseinander und murmelte etwas in Richtung – Als ob damit alles gut wäre.
- Irgendwas stimmt doch nicht mit dir, beharrte Linda.
- Oh Gott nein, wie kommst du denn da drauf! Ist doch alles super. Best-ens.
- Sag mir bitte, was los ist.
- Ja, genau, lass uns drüber reden! Ein konstruktives Gespräch, ein super-tolles, super-wichtiges, super-scheiß-konstruktives Gespräch. Wir können ja über alles reden, nicht?
- Nicht? – Das bisherige Gespräche war in Zischlauten seitens Isa bzw. sachten Flüstertönen seitens Linda geführt worden – Frau Brandl hatte trotzdem alles mitbekommen, ihr Gehör war durch jahrelanges Schüler beim Einsagen Ertappen-Müssen darauf konditioniert, dieses Zischen und Geflüster wahrzunehmen, das ging ganz von selbst, sie konnte gar nichts dagegen tun – aber das letzte Wort hatte Linda mit höherer, brüchigerer Stimme gesprochen.
– Ich dachte eigentlich schon immer… stammelte sie, - Ich meine, wir haben doch immer…. Bitte sag mir jetzt nicht, dass wir nicht mal mehr miteinander reden können.
- Reden ist nicht das Problem.
- Wenn Reden nicht das Problem ist, was dann? Was, um Himmels willen, ist dein Problem?
- Du, sagte Isadora.

Linda sank zurück.
- Komm schon, das ist nicht lustig, sagte sie.
- So war’s auch nicht gemeint, sagte Isadora. – Wenn du’s genau wissen willst, und das willst du nicht wirklich, aber bitte, du hast es ja nicht anders gewollt und ehrlich gesagt, ich bin auch ganz froh drüber, denn länger drück ich das sowieso nicht mehr durch und drum muss es jetzt mal gesagt werden: Ich kann dich nicht mehr sehn. Immer dein Mondgesicht mir gegenüber, da kommt es mir hoch. Ja, und du kannst jetzt heulen, was du willst, so ist es einfach. Du kotzt mich an.
- Gestern beim Fortgehn hast du noch ganz was anderes gesagt, sagte Linda, fast tonlos.
- Na und? Ich war total zu. Alk macht mich sentimental, weißt du doch.

Frau Brandl räusperte sich.

- Warum sagst du so was?, fragte Linda.
- Ja, warum eigentlich?, sinnierte Isadora. – Gute Frage. Die beste Frage, die du je gestellt hast, [red] vieleicht [/red] (vielleicht) sogar. Warum verschwend ich eigentlich wirklich noch irgendwelche Worte an dich? Gott, ich weiß beim besten Willen nicht mehr, warum ich mich überhaupt so lang mit dir abgegeben hab.
- Weil ich so kirschrote Lippen habe, flüsterte Linda. Und kornblumenblaue Augen. Und weil mein Lächeln leuchtet. Und weil du mich liebst.
Stille.
- Hast du mal gesagt.
Immer noch Stille.

Frau Brandl hielt den Atem an.

- Meine Güte, sagte Isa schließlich, dir kann man aber auch jeden Scheiß reindrücken. Kirschrote Lippen! Kornblumenblaue Augen! Da war ich ja nicht sonderlich originell. Merk dir das fürs Leben, Mädchen, das ist der Schleim, den wer absondert, um dich rumzukriegen.

Frau Brandl war inzwischen zu dem Entschluss gekommen, dass das nun wirklich nicht mehr anging. Hatten die Mädchen ihre Anwesenheit vergessen? Natürlich, das Gespräch wurde nach wie vor sehr leise geführt und sie war ja vertieft in den Artikel, aber sie saß doch, bitte, direkt daneben. Direkt daneben! Wahrscheinlich hatten die sie wirklich vergessen. Anders konnte es gar nicht sein. Sie mussten sie wirklich vergessen haben.

Man musste sich in Erinnerung rufen.
-Entschuldigen Sie, nutzte Frau Brandl die Gefechtspause, könnten wir bitte das Fenster aufmachen?
- Gute Idee, sagte Isa, ich halt den Gestank eh nicht mehr aus. Wie die stinkt! – und schaute dabei Linda [red] schnurrgerade [/red] (schnurgerade) ins Gesicht, und fügte hinzu, diesmal an Frau Brandl gewandt: Finden Sie nicht?

Das war zu viel. Frau Brandl schnappte sich ihr Gepäck und suchte fluchtartig das Weite.

- Ich finde ja, sie hätte dich verteidigen müssen, sagte Isa, kaum dass die Tür hinter ihr zugegangen war. So gemein, wie ich zu dir war.
- Die war viel zu entsetzt, um einzugreifen. Ich glaub, wir haben sie ziemlich verstört, sagte Linda.
Isa grinste breit. – Wir sind ganz schon fies, weißt du das? Manipulative Biester. Obwohl, mit dem „Lesbisch“ hättest mich kurz mal fast draus gebracht. Ich dachte, wir machen einfach nur normal auf beste Freundinnen. Oder bist du leicht..
- Nein, sagte Linda. Freund seit 3 Monaten. Wir waren wahrscheinlich total unglaubwürdig.
- Ach was, wieso soll das bei denen anders rennen.
- Glaubst du denn, dass es bei [red] irgendjemanden [/red] (irgendjemandem) so rennt?
- Komm schon, ich finde, wir waren gut. Das war ganz großes Kino.
- Kino? Scripted Reality, wohl eher.
- Immerhin, sie hat’s geglaubt.
- Das allerdings. Wer weiß, sagte Linda und hängte den Blick wieder an die Wolken, vielleicht haben wir sie heute geprägt fürs Leben.

-Ich stelle mir vor, sagte Linda, sie war gerade auf dem Weg zum Maturajubiläum, zum 20. sagen wir, was meinst du?
- Zwanzigstes dürfte hinkommen, meinte Isa.
- Gut, 20. Maturajubiläum also. Und dort wird sie ihren Oberstufenschwarm wieder treffen, 3 Jahre war sie ärgstens in ihn verknallt. Aber ach, sie hat ihm nie etwas gesagt, es war von Anfang an eine aussichtslose, unstillbare Sehnsucht, denn, wie es nun mal so geht im Leben: Sie war die fade, brave Streberin und er der lässige, rebellische Repetent. Und überhaupt war für ihn zu schwärmen nicht sehr originell, die halbe weibliche Oberstufe war zu irgendeinem Zeitpunkt mal verliebt in ihn, er war sehr hübsch und sie… na ja. Sie hat ihm also nie etwas gesagt und ihn nach der Matura nie wieder gesehen. Bis heute.

- Und sie hat natürlich nie wieder einen Mann so geliebt wie ihn und heute hätte sie ihm dann endlich ihre Liebe gestanden und sie wären in Leidenschaft zueinander entbrannt und das wäre dann die große Liebe, oder wie? – spann Isa belustigt den Faden weiter.

- Das vielleicht nicht, aber so nebenbei einfließen lassen hätte sie es schon, ganz beiläufig. Denn sie hat ihn tatsächlich überwunden, sie sieht jetzt ganz genau, wie sie sein Bild damals verklärt hat und sie sieht auch ihn jetzt ganz genau, zum ersten Mal wirklich, und stellt fest, dass er immer noch gut aussieht. Sie hat ja auch tatsächlich nachher nie wieder einen Mann so geliebt wie ihn, klar, sie hatte ein, zwei Affären, mit einem Studien- später mit einem Arbeitskollegen, aber das waren halbherzige Sachen, von beiden Seiten, weil halt manchmal irgendwas doch besser ist als nix.

- Und er kommt plötzlich drauf, dass nur die inneren Werte zählen und verwandelt das hässliche Entlein in den schönen Schwan?

- Er hat das mit den schönen Frauen schon ein bisschen hinter sich, weißt du. Er hat genug gehabt, in diesen 20 Jahren, schöne, dramatische, aufregende Frauen, sehr, sehr aufregende Frauen, ein bisschen zu aufregend vielleicht sogar. Die erste hat ihm das Geschirr zertrümmert, die zweite den Fernseher, die dritte das Auto, die vierte die Wohnung und die Fünfte das Ego. Fad klingt jetzt plötzlich gar nicht mehr so schlecht für ihn. Und sie hat er eigentlich damals schon gut leiden können, sie haben gut miteinander reden können, über Gott und die Welt, nur begehrenswert hätt er sie halt im Traum nicht gefunden. Aber das Alter hat ihr nicht geschadet, im Gegenteil, weil sie nie besonders schön war, hat es ihr auch nicht viel nehmen können. Die Jahre haben die Kluft gefüllt zwischen ihnen. Und sie würden dann gelegentlich miteinander ausgehen, sie würden es anfangs nicht ernst(getrennt)nehmen, weil sie es auf die Nostalgie schieben würden, aber was zuerst aussehen würde wie ein nahe(getrennt)liegender Kompromiss, würde sich dann als die ideale Lösung entpuppen. Er würde sie aufblühen lassen, sie würde ihm Stabilität geben. Und sie würden zusammenbleiben, bis dass der Tod sie scheidet, sie wären das rührende alte Pärchen im Park, das immer noch Händchen hält und uns den Glauben an die Liebe wiedergibt, wenn wir wieder mal tränenblind aus der Wohnung unseres neuesten Ex-Freundes stürmen. Nur, dass das alles jetzt nicht geschehen wird. Weil wir nämlich heute ihren Glauben an die Liebe zerstört haben.

- Klar. Sie kriegt zufällig mit, wie sich zwei 16-jährige Mädels anzicken und ihr Glaube an die Liebe ist zerstört.

-Ja, sagte Linda. Weil wir ihr gerade sehr schön demonstriert haben, wie viel Verachtung stecken kann in dem, was die längste Zeit unter „Liebe“ gelaufen ist. Sie hat vor langer Zeit mit dem Thema abgeschlossen und ihm keine Beachtung mehr geschenkt, und so hat sich diese Tür(Komma) sicher verborgen in den Tiefen ihres Unterbewusstseins(Komma) in all den Jahren wieder ein bisschen öffnen können, ganz allmählich, erst nur eine Spalt weit und dann immer weiter, und heute wäre diese Tür vielleicht offen gewesen, wenn wir sie nicht gerade eben rechtzeitig wieder zugedonnert hätten. Sie wird es ihm also [red] nichts [/red] (nicht) sagen. Er wird sich versaufen und sie wird einsam sterben. Wir haben ihr das Leben versaut.

- Das glaube ich nicht, sagte Isa fest. Sie hatte diese halbherzige Affäre mit dem Arbeitskollegen, wie du gesagt hast, nur dass sie dann aus dieser halbherzigen Affäre eine halbherzige Beziehung gemacht hat, aus Angst vor der Einsamkeit und durch uns hat sie heute erkannt, dass das nicht das Wahre ist, dass etwas gibt, das schlimmer ist als die Einsamkeit, dass sie endlich Schluss machen muss, bevor auch bei ihnen diese Verachtung durchbricht, bevor einer von ihnen dem anderen eine solche Szene macht. Durch uns wird sie heute endlich die Kraft finden, sich aus dem Gefängnis dieser Gewohnheitsbeziehung zu befreien. Wir haben ihr das Leben gerettet.
- Möglich, sagte Linda.
- Nicht wahr? Ich meine, kann doch wirklich sein, oder?
- Klar, sagte Linda. Warum nicht.

Sie sahen beide aus dem Fenster. Linda schaute den Wolken nach, Isa zählte die Strommasten. – Bei der nächsten Station muss ich aussteigen, sagte Linda.
Ja, das müssen zwei sehr erlesene 16jährige sein, wenn sie sich schon mit so viel ernst über das leben im allgemeinen und die liebe im besonderen austauschen können. Nach meinem geschmack dürften sie mindestens 21 sein. Mit 16 ist man überwiegend albern.
auch der titel gefält mir nicht. wenn die geschichte nicht von dir wär, hätt ich sie gar nicht gelesen.
lg
 

sohalt

Mitglied
Hi Flammarion!

He, das freut mich, dass du die Geschichte extra wegen mir gelesen hast!

Und danke auch für die Korrekturen!

Allerdings bleib ich dabei:
16-jährige sind auch nicht alberner als 6 oder 66-jährige.
Klar, mit 16 sieht man Seifenopern, schwärmt womöglich immer noch für Boygroups und denkt hauptsächlich ans Fortgehn. Oder man liest viel Hesse und teilt auf dem Schulhof Flugblätter für die nächste Demo aus. Oder man tut womöglich sogar von allem ein bisschen was. Hab ich alles schon gesehen.

Abgesehen davon ist das, was die 2 da mit der armen Mitreisenden auführen, durchaus auch ein bisschen albern. Besonders zweckmäßig, vernünftig, zielführend ist es jedenfalls nicht.

Lasst's euch von dem altklugen Gerede am Schluß nicht so drausbringen!

lg
sohalt
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
na,

ich meinte ja nur, dass zwischen dem gerede "Haben wir ihr die Liebe vermiest oder nicht" noch n wenig albernheit durchschimmern könnte, das würde meiner meinung nach den text authentischer machen.
lg
 

Esta

Mitglied
16-jaehrige ...

Hallo alle zusammen, hallo sohalt.
Um das Ganze hier abzukuerzen, moechte ich dir mitteilen, das deine Geschichte auch mich sehr fasziniert hat. Das mit der Frau Brandl wurde von norge (schoener Name uebrigens :] ja schon hinreichend erlaeutert. Vielleicht waere es hilfreich, wenn du auf zwei verschiedene Erzaehlperspektiven verzichten wuerdest. Bei laengeren Geschichten ist das okay, da der Leser wirklich Zeit hat, sich mit den Charakteren auseinanderzusetzen. Hier wirkt es einfach verwirrend.
Vielleicht koennte Frau Brandl ja vor dem Abteil stehen bleiben und dem Rest des Gespraeches folgen. Anschliessend koennte sie, wie norge bereits vorgeschlagen hat, laechelnd den Zug verlassen und ihren Mann umarmen. Oder Freund. Je nachdem, wo sie aussteigt. Die andere Variante waere, die ganze Geschichte aus Sicht der beiden Maedchen zu schreiben, wobei ich persoenlich mich fuer eine der beiden entscheiden wuerde, nicht beide zugleich. Das mit den Puppen und so kann natuerlich drin bleiben, das fand ich ganz toll, beide Daumen hoch. Wuerdest du die Geschichte so schreiben, koenntest du auch deutlicher rueberbringen, dass die beiden sich eben NICHT kennen, denn auch auf mich auf mich hat es gewirkt, als wuerden die beiden solche Scherze seit Ewigkeiten zusammen durchziehen.
Den letzten Satz fand ich uebrigens super. Der hatte irgenwie etwas Unentschlossenes und Melancholisches an sich. Frag mich nicht, wie ich darauf komme, war halt nus so eine spontane Assoziation.

Im Grossen und Ganzen also eine sehr schoene Geschichte.

Und jetzt mein Beitrag an Mumpf Lunse.
Erstens - auf Rechtschreibfehler hinzuweisen finde ich okay, deswegen einen ganzen Text einzufaerben zeugt dagegen von einer gewissen Arroganz, findest du nicht? sohalt wird schon nicht so dumm sein, ihre Fehler zu uebersehen, wenn sie den Text noch einmal durchgeht. Zudem hat diese Einfaerberei etwas von Lehrer an sich - und handwerklich gab's an dem Text wohl kaum was auszusetzen, oder?
Des Weiteren bin ueberrascht, fuer wie platt du 16-jaehrige befindest. Meine Freundin und ich, wir sind beide 16, und glaub es oder nicht, wir reden tatsaechlich so. Und zwar haargenauso. Das war im Uebrigen auch einer der Gruende, warum mich die beiden Pueppchen so fasziniert haben ... Sie erinnern mich eben uebelst an meine kleine Wenigkeit.

An sohalt vielleicht noch eine kleine Sache -
Wie bereits bemerkt finde ich die Idee mit den Puppen klasse. Doch wuerde ich einen Vergleich mit Puppen nicht anstreben, wenn es mir nicht tatsaechlich um genau das geht - um Spielzeuge. Puppen haben etwas sehr ... Unheimliches an sich, wenn du mich fragst. Nur so.

Vielen Dank fuers Lesen

ESTA

P.S.: Ich fand deine Geschichte nicht zu lang. So scheiden sich die Geister. Ach ja, und was ich noch fragen wollte - steckt hinter der aeusseren Erscheinungsfrom deiner Dialoge ein tieferer Sinn ... ? Das ist naemlich nicht deutsche sondern franzoesische Roman-Dialog-Form. Ist das beabsichtig? Nur so. Bin halt neugierig.
 

sohalt

Mitglied
Danke auch für deinen Kommentar,
freut mich, dass ich offenbar doch noch nicht so weit weg bin von der Gedankenwelt von 16-Jährigen. (Wär allerdings auch tragisch, bei 4 Jahren Unterschied).

Echt, französisch? Wusste ich nicht, mir gefallen bloß die Gänsefüsschen nicht, vom Schriftbild her. Rein ästhetische Entscheidung.

Mumpf Lunse muss ich jetzt allerdings in Schutz nehmen:
Dass mit der Einfärberei hätte sich nicht ergeben, wenn ich nicht zu faul gewesen wäre, den Text selbst ordentlich auf Rechtschreib- und Tippfehler durchzulesen. (Ich les beim Korrekturlesen leider automatisch wieder auf Inhalt und überseh dann das Zeug dauernd).
Mumpf Lunse (und auch Flammarion) haben mir mit dem Heraussuchen eine lästige Arbeit abgenommen, obwohl es mir jetzt im Nachhinein wirklich selbst peinlich ist, meine gesammelte Schlampigkeit in geballter Form vor mir zu sehen. Aber da bin ich wohl wirklich selbst schuld.
Das nächste Mal geb ich mir wieder mehr Mühe damit.

Ihr hab mir mittlerweile alle recht brauchbare Gründe geliefert, den Perspektivenwechsel rauszunehmen, aber ich werde ihn drinlassen, denn für mich macht er gerade den Reiz der Geschichte aus.

Zuerst sehen wir die Mädchen durch den Filter von Frau Brandl, dann sehen wir Frau Brandl durch den Filter der Mädchen. Ist doch spannend, wie Menschen im Zug wenn ihnen fad ist aus ein paar Beobachtungen ganze Persönlichkeiten konstruieren, das war auch irgendwie die Idee hinter der Geschichte.

Ich will es auch keinesfalls so auflösen, dass Frau Brandl am Schluß in die Arme ihres Mannes fällt, ich will dem Leser nicht die beruhigende Gewissheit geben, dass in ihrem Liebesleben alles in Ordnung ist, wer weiß, vielleicht stimmen ja die traurigen Szenarien. Der Leser soll rätseln müssen, genau wie die beiden Mädchen, wer weiß, vielleicht haben sie wirklich ihr Leben zerstört? Das hat man davon, wenn man mit anderen Leuten spielt.
Es soll ein bisschen auch eine böse Geschichte sein.

Oje, seht ihr, die Moral von der Geschicht, schlimm genug das sie überhaupt eine hat, und ich drück sie auch nicht im Nachhinein aufs Aug, ganz übel.

lg
 
G

Goldmund

Gast
Hallo sohalt,

nun bin ich hier auf Gegenbesuch. War gespannt, was du so schreibst und muss dir sagen, dass ich enttäuscht bin.

Die Kritik im Einzelnen:
(Nur meine Meinung - wenn sie dir hilfreich ist, ist es gut, wenn nicht, ist es auch ok.)

Die Geschichte gehört um die Hälfte gekürzt, dafür ist die Idee nämlich zu 'gewöhnlich' als dass sie soviel Raum in Anspruch nimmt - obwohl ich die Idee nicht schlecht finde, da sie ja für den Leser eine Überraschung parat hält.

Den Perspektivenwechsel empfinde ich als höchst unglücklich und auch als vollkommen unnötig. Die Sicht der Brandl komplett streichen: Ist es wichtig, wie die Mädels auf sie scheinen? Schlußendlich gibts ja nur noch Dialog, bis auf ein paar eingestreute Standartsätze. (Brandl räusperte sich, hielt den Atem an)
Vorschlag: Beginne damit, dass die Frau nach wenigen Momenten vom Speisewagen zurück kehrt, beschreib die unangenehme Stimmung. Und dann lasse die Mädels aufeinander los.

Deine Wertungen stören mich extrem. Ich will als Leser die 'diffuse Bedrohlichkeit' spüren und sie nicht vom Autor gesagt bekommen. Und solche Wertungen hast du ja viele. Alles Ballast. Weg damit.

Und zum Aschluß: Die Dialoge sind extrem gekünstelt. Da will der Autor dem leser seine Philosophie anhand zweier Gören aufdrücken. Dass sie zu solchen Überlegungen im Stande sind, bestreite ich nicht. Kenne ja auch welche in dem Alter, die so reif sind. Sie drücken sich aber nicht so geschwollen aus. Nicht was sie reden, ist gekünstelt, sonder wie sie es tun. (Inhaltlich hat es mich nämlich sehr angesprochen!)

Ich hoffe, dass meine Kritik ok war.

*winke*
Goldmund
 

sohalt

Mitglied
Darf ich fragen, was du für die "Idee" dieser Geschichte hältst?

lg
sohalt


(PS: Ich gebe zu, dass es vielleicht nicht meine beste ist. Kein Stoff, der mir auf dem Herzen brannte. Aber ich hab mir schon auch was überlegt dabei.)
 



 
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