Hey Petra!
Ich bin noch nicht 100% sicher, ob ich Deine Ansicht komplett kapiert hab... deshalb umschreibe ich, das, was ich denke, verstanden zu haben, mit eigenen Worten.
Da würd ich Deinen Standpunkt so auffassen, dass Du es zwar gut findest, wenn man als Feedback auf einen Text eine eigene Idee vorstellt, die dann Autoren-seitig reflektiert werden kann und ggf. anregend wirkt, dass Du es aber als ungünstig empfindest, wenn der Kritikus im Bereich von ästhetischen Fragen etwas zur
objektiv nur "zweitbesten Lösung" erklärt bzw. für "falsch" hält.
Also am konkreten Beispiel: Du würdest es (potentiell) anregend finden, wenn ein Foren-User X. (oder S.) erklärte: "Also mit dem Wort Knecht kann ich persönlich ja irgendwie nix anfangen", hingegen ist Dir zu viel Autoritarismus im "Spiel" (sic!), wenn die Feed-Backe S. das Wort "Knecht" nicht im "objektiven Korridor" des treffenden Ausdrucks verortet sieht und damit die volatile Ebene der Geschmacksfragen verlässt.
Zurück vom Konkreten zum Allgemeinen: Du würdest also (wie gesagt: falls ich Dich da richtig verstehe), als "objektive" Kritik nur solche Einwände durchwinken, die ein nachprüfbares Faktum betreffen, nicht hingegen Einwände, die das bloß Ästhetische betreffen, weil selbiges vorwiegend (oder sogar ausschließlich) auf persönlichen, rein subjektiven Erfahrungen beruht.
Und ich glaube, dass Du Dich dann - ein bisschen mit dieser Argumentation verwoben, aber doch noch etwas getrennt davon - an der Zweisternewertung gestoßen hast, die Dir vermutlich als sehr von oben herab erschien.
Ich geh jetzt auf diese Punkte mal ein, auch auf die Gefahr hin, Dich vielleicht missverstanden zu haben - zumindest wird mein eigener Standort durch das Folgende vielleicht etwas klarer:
Was den objektiven Korridor in ästhetischen Fragen angeht, ist meine Ansicht auf alle Fälle, anfechtbar und auslegungsbedürftig. In den "Briefen in die chinesische Vergangenheit" echauffiert sich ja der zeitreisende Chinese darüber, dass diese langnasigen Barbaren in München nichts dabei finden, verdorbene Milch in Form von stinkigem Käse oder übelkeitserregendem Joghurt zu sich zu nehmen. Will man also nun wirklich Geruch und Geschmack eines überreifen Epoisses ("Der König der Käse") einem objektiv "richtigen" oder "falschen" Korridor zuordnen? Tatsächlich wäre es auch aus meiner Sicht unsinnig, eine Art Berechenbarkeit von Ästhetik zu postulieren. Die "Objektivität" von Ästhetik ist also auch in meiner Sichtweise anders geartet als die "Objektivität" eines naturwissenschaftlichen Modells wie z. B. des Tychonischen Weltmodells oder des Bohr'schen Atommodells. Und sie ist erst recht anders geartet als dies ein beweisbarer Satz innerhalb eines mathematischen Systems ist ("die Winkelsumme eines Dreiecks
innerhalb der euklidischen Geometrie beträgt 180 Grad"). Wie man aber vielleicht angedeutet sieht, sind selbst die Bereiche des "Wissenschaftlich-Faktischen" abhängig von einem Bezugsrahmen.
Was die Vergabe von weniger als 4 Sternen für einen Text angeht, ist das auf alle Fälle ein für den Verfasser womöglich irritierendes oder gar verletzendes Vorgehen - insofern mach ich so etwas nur selten. Am ehesten greife ich zu diesem Instrument bei erfahreneren Usern, bei denen ich erstens in der Vergangenheit bemerkt habe, dass diese durch negative Kritik nicht allzusehr aus dem Gleichgewicht gebracht werden und ich anhand frühere Diskussionen den Eindruck gewonnen habe, dass ein solcher Vorgang womöglich sogar anregend oder motivationsfördernd wirkt. Im Einzelfall liege ich da natürlich auch mal durchaus voll daneben - bei Dir
@Zensis hatte ich jetzt nicht den Eindruck, dass Dich die Geringbewertung (die ja - was ich sehr gut finde!!! - dank Petra auch schon wieder etwas korrigiert wurde) sehr aus dem Gleichgewicht gebracht hat. In den Fällen, wo ich mal durch Niedrigbewertung verletztend gewirkt habe, rechne ich damit, dass dies dann in einer Replik auch in irgendeiner Weise rüberkommt, so dass ich spätestens dann die Chance habe, die "Rupture" durch Erklärungen und Versöhnungsgesten wieder etwas zu kitten. Eine Sichtweise, wonach Sterne-Geringwertungen generell zwischenmenschlich fragwürdig sind, kann ich zwar durchaus nachvollziehen, aber gerade weil ich das Einstellen von Texten hier als etwas letzten Endes doch sehr Unernstes erlebe, betrachte ich das mit einem gewissen "Leichtsinn". Es ist wie ein Spiel von Kindern, wenn eines ruft "Peng! Du bist tot!". Ich habe damit kein Problem, verstehe aber, wenn manche Erwachsene dieses Kinderspiel als Slippery Slope in eine Aggressionsspirale auffassen.
LG!
S.