Ich darf nicht denken

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chachaturian

Mitglied
Ich darf nicht denken

Weites Land
das nach Weizen duftet
ich ahnte nicht
nie wieder werde ich
in deine Arme gleiten
deine Haut spüren
hast einfach so aufgegeben
mich und dich treiben lassen
Weizenwind
wohin soll ich loslassen?
gefangen von alten Träumen
heißer, langer Sommer
eine Kette aus Küssen
wollte ich dir
noch schenken
mein Atem hält an
knappe Luft
Feldrand


Anmerkungen zum Gedicht an mich
http://www.literaturpodium.de
Literaturpodium.de
 
S

Seelenblume

Gast
hmm

Liebe(r) chachaturian,
dein Gedicht weckt ohne Frage eine Stimmung. Man spürt die Worte, die du schreibst. Und dennoch... für mich wirkt es etwas zu sehr konstruiert, ich habe den Eindruck, die Gefühle, die vermittelt werden (sollen?) werden ein bisschen verschluckt. Ich kann dir nicht sagen, woran das liegen könnte.
Nur, dass ich als Leser zusätzlich zu dem eben Beschriebenen das Gefühl habe, dass das Gedicht weitergehen müsste. Nicht nur inhaltlich, sondern auch formell. Es ist für mich noch nicht zu Ende.

Liebe Grüße,
Seelenblume
 
S

Seelenblume

Gast
Nachtrag

Ich gehe jetzt nochmal etwas tiefer hinein, denn ich als Naturkind liebe natürlich diesen Weizenwind und den Feldrand wie mein Zuhause..

Also.

Weites Land
das nach Weizen duftet
ich ahnte nicht
nie wieder werde ich
in deine Arme gleiten
deine Haut spüren
Ein krasser Gegensatz. Weiiites Land.. und dann: das AHNEN in seiner ergangenheitsform. Also: Präsens, Präteritum, Futur?
Ist diese krasse Abfolge so gewollt? Auf mich als Leser wirkt sie etwas holprig, nicht reizlos, aber holprig.
Denn ich frage mich: was WAR? Du deutest es an, aber verstehen kann ich als Leser den Weg deiner Gedanken nicht..
Du redest von Vergangenheit und von Zukunft, die Gegenwart wird lediglich als weites nach Weizen duftendes Land beschrieben.

hast einfach so aufgegeben
mich und dich treiben lassen
Weizenwind
wohin soll ich loslassen?
Das Wort "Weizenwind" an sich ist schon toll.. an dieser Stelle ist es wunderbar weich eingebettet.
Die Frage, die sich mir stellt: wer hat aufgegeben?!(das Wort "aufgegeben" gefällt mir irgendwie nicht... hmm.. gibt es kein schöneres?) Wer ist dieses "DU"? Der Weizenwind, der den Weizen nicht mehr bewegen (=wehen) will? Oder die Person im Weizenfeld?
"wohin soll ich loslassen?" ist eine sehr schöne Frage... nur.. warum spielt das "wohin" eine Rolle?? Egal wohin losgelassen wird, eine Ähre knickt um.


gefangen von alten Träumen
heißer, langer Sommer
eine Kette aus Küssen
wollte ich dir
noch schenken
Ich muss da an diese Löwenzahnketten flechten, die ich immer meterweise gebstalet und an alte, schäbige Gartenzäune in unserem Dorf gehängt habe. Diese Kette aus Küssen ist eine wirklich schöne Vorstellung..aber: warum gefangen?? Loslassen, gefangen.... und die Frage ist- Wohin? Das verstehe ich als Leser nicht.


mein Atem hält an
knappe Luft
Feldrand
Der Atem hält an- wie tötlich. Auf was wartet der Atem, bis er wieder atmen kann? Auf den Wind, auf das "Du"? auf... woher soll die Luft kommen?
Ist sie nicht schon da?
Auch am Feldrand?

Grüßt und fragt sich
Seelenblume
 
B

bonanza

Gast
... da kann einem schon die luft wegbleiben,
wenn man so mir nichts dir nicht verlassen wird.
die atmosphäre deines gedichts gefällt mir.
am besten nicht dran denken ...

bon.
 

chachaturian

Mitglied
Gehört zu den Gedichten, die mir ganz gut gefallen. Natürlich ist es kein Kunstprodukt, sondern aus einer authentischen Stimmung heraus entstanden. Ich weiß der Schluß gefällt einigen nicht. Ich hatte da schon Alternativvorschläge, aber ich habe sie allesamt verworfen. Das unebene am Schluß ist schon gewollt. In der Tat es gibt andere Gedichte, die das Thema ergänzen.
 
B

bonanza

Gast
schon der titel ließ mich vermuten, dass dein gedicht
authentisch ist.
der schluß hat was. für mich paßt er.

bon.
 
L

Larissa

Gast
Melancholie pur

Hallo chachaturian,

auch für mich passt alles wunderbar zusammen. Wer je geliebt hat oder gerade liebt, wird sich in deinen Zeilen wiederfinden. Danke für dieses Gedicht!

Liebe Grüße
Larissa
 

Perry

Mitglied
Hallo chachaturin,
deine Zeilen enthalten einige magische Momente, aber nach meinem Empfinden auch einige Stolperstellen und Verbrauchtes.
Stolperstellen:
"ich ahnte nicht" Was? Die folgende Erläuterung ist eine Fortführung des Textes und keine richtige Antwort.
"wohin soll ich loslassen?" eine etwas verdrehte Frage, wohin und loslassen harmoniert nicht.
"gefangen von alten Träumen
heißer, langer Sommer" hier erläuterst du unnötig mit verbrauchten Bildern.
"mein Atem hält an" der Atem selbst kann nicht anhalten, nur der Protagonist kann ihn anhalten. Mein Atem stockt wäre hier bessser.

Vorschlag für eine mögliche Variation:

Weites Land
das nach Weizen duftet
Nie wieder werde ich
in deine Arme gleiten
deine Haut spüren
Hast einfach so aufgegeben
Weizenwind
Wohin treibst du uns?
Eine Kette
geflochten aus Küssen
wollte ich dir
noch schenken
doch mein Atem stockt
die Luft wird knapp
am Feldrand

Vielleicht ist ja eine Anregung für dich dabei.
LG
Manfred

PS: Für den Titel würde ich mir auch etwas Griffigeres wünschen. Warum nicht "Weizenwind?"
 

chachaturian

Mitglied
Ich weiß nicht, ob man erkennen kann, daß hier die russischen Weiten gemeint sind? Natürlich wollte ich das nicht so offensiv hervorheben. Sicher kann man andere Formulierungen finden. Da es ja um einen etwas unfreiwilligen Abschied von einer Liebe geht, fand ich den Titel: "Ich darf nicht denken" gar nicht so schlecht. Er zielt auf die Stimmung, wie auch andere Formulierungen des Gedichtes. Es ist interessant zu lesen, wie andere das Gedicht umstellen würden. Aber so richtig überzeugen kann mich die neue Version noch nicht. Freilich ist es schon vorgekommen, daß jemand bessere Vorschläge gemacht hat und ich den Text daraufhin änderte.

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ENachtigall

Mitglied
hallo chacha,

für mich verbinden sich in Deinem Gedicht zwei wehmütige Gefühle:
Weites Land
das nach Weizen duftet
ich ahnte nicht
nie wieder werde ich
in deine Arme gleiten
Das vermittelt den Eindruck, mit dem Verlassen der geliebten Landschaft (Heimat?) auch die geliebte Person verloren zu haben, was nur durch die Verdrängung - "Ich darf nicht denken" - zu ertragen ist.


Liebe Grüße

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
P.S.

Jetzt habe ich lange nachgedacht - der Film "schwarze Augen" von Nikita Michalkov hat diese Bilder der Weizenfelder, als der HD Romano nach dem Besuch bei der Geliebten auf einem Heuwagen fortfährt, fest entschlossen, wiederzukommen und (mit ihr) ein neues Leben anzufangen. Dazu diese unnachahmliche Musik von Kindheitssommer...
Mir ist die Liebe zu dieser Landschaft wohl über meine Vorfahren "ins Blut gelegt", die dort gelebt haben bis zum Krieg. Die Haare von Auguste, meiner in Lettland geborenen Oma, auch sie trugen die Farbe von Weizen - oder war es Flachs?
Dein Gedicht öffnet phantastische Erinnerungen.
 
L

Lee

Gast
Hi,
dein Gedicht gefällt mir gut. Kommt glaubhaft rüber.

Bei vielen anderen Gedichten habe ich oft das Gefühl, dass mit Gewalt vermeintlich bedeutungsschwere Begriffe zusammengestückelt werden, um den Anschein von Interessantem zu erwecken.

Die letzten drei Zeilen find ich zwar nicht ganz optimal, aber so sind sie dir entsprungen. Wie gesagt, ansonsten schön...

Lee
 

chachaturian

Mitglied
Dort wo ich damals war zwischen Ufa und Kasan hatte man den Eindruck die ganze Landschaft bestünde nur aus Weizenfeldern. Wälder hattest du nur hier und da. Ein Ereignis ist natürlich die Wolga. Du kommst dir vor wie auf einem Meer. Auch Kasan habe ich in anderen Gedichten beschrieben.

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mitis

Mitglied
finde es uneingeschränkt schön, dein "ich darf nicht denken"
den "feldrand" am ende besonders. ist für mich so der ausdruck von dem kargen, das übrig geblieben ist.
lg mitis
 



 
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