Du hast völlig recht, aufrechter Aufschreiber,
und wer sich aufs Lyrdu bezieht, reflektiert den Pianisten und sieht die Spannung ("Was dazu nicht passte") zum Über-Ich-Reflektor mit der jazzperlenden Rechten.
Ich denke, bei mir sträubt sich was gegen die Klassifizierung eines Spielniveaus als "dilettantisch". Das heißt zwar wörtlich "liebhaberisch", aber es bedeutet "unterdurchschnittlich, kunstlos, gut gewollt, aber ..."
Erwägenswert ist es, weil diese Niveau-Schichtung vom Elementaren bis hinauf zur höchsten Pyramidenspitze im Feld der Musikwettbewerbe eine gewisse Ähnlichkeit zu der literaturkritischen Differenzierung von Gedichten hat.
Das Lyrdu ordnet sich diesen Klassifizierungen reflektierend ein, ist sich aber der Problemlage bewußt:
Die unterste Basis des elementaren Könnens wird in den ersten Zeilen aufgerufen, das wären die Zweiakkorde-Schrammer der Punks, die Dreiakkorde-Kadenzer des Bluesschemas, wie schlicht improvisierende Pianisten es ihrer linken Hand überanworten. Das Lyrdu lehnt diese bequeme Basis ab - "(das) wirst du lieber nicht den eltern um die ohren hauen".
Aber das genügt vor den Augen und Ohren des urteilsgeilen Publikums nicht. Es gibt Pianisten wie Sand am Meer, unter denen wiederum gibt es Pianisten, die Chopin und Rachmaninow runterrauschen, wie Sand am Meer, und unter denen wiederum gibt es Pianisten, die in den Wettbewerben gegeneinander antreten, wie Sand am Meer. Und unter denen wiederum gibt es die Gewinner von Wettbewerben, zahllos wie der Sand am Meer.
Einerseits.
Andererseits gab es einen John Lennon, der den Geniestreich gestrichen hat, die Akkordbasis eines Liedes auf einen einzigen durchtönenden Durakkord zu reduzieren: "Tomorrow never knows". Ich beschränke mich auf den Schluß, iterativ outfading "the end of the beginning, of the beginning, of the beginning, of the beginning". Das Ende, von dem aus alles anfängt, liegt für den Hörer im Jetztpunkt am Ende der Formulierung, von dem es immer neu auskeimt mit der Schleife "of the beginning". Raffiniert. Im Kellerloch unter der Zweiakkordebasis.
Oder ein Lied, dessen manisch wiederholte Melodie aus zwei Tönen im Abstand einer großen Terz besteht, wobei diese beiden Töne zwischen Haupttakt (Terzton oben) und einem per Synkope vorgespannten unbetonten Grundton unten hin- und hergehen.
"The sun is up, the sky is blue,
its beautiful and so are you, dear Prudence"
Das Wort "dilettantisch" habe ich schon längst aus meinem Wortschatz gestrichen.
grusz, hansz