Im Hain der Wörter

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HerbertH

Mitglied
Im Hain der Wörter

mag ich gar nicht jäten,
seh lieber grün Ideen ranken
und schnuppre Blütenblattgedanken-
düfte, beiß kräftig in die duften Fruchtfleischsilben,
zerreibe manchen Laut, der gern
geknospet hätt, mit Zähneknirschen,
zerpflücke mit dem Mund die Kirschen,
die manchem lahmen Fuchs so fern
wie reife Trauben schienen.

Und seht: An Stempeln sammeln blonde Bienen
Buchstabenstaub und reimen sich daraus
die reinsten Honigsätze:

Wer Tauben liest, der erntet Schätze!
Phoneme, auf zum Ohrenschmaus!
 
A

AchterZwerg

Gast
Hallo Herbert,
die Idee finde ich bezaubernd, die Umsetzung lässt jedoch (noch) zu wünschen übrig (Rhythmus / Klang / Verkürzungen / Interpunktion):

Im Hain der Wörter

mag ich [strike]gar[/strike] nicht jäten,
seh [strike]lieber grün [/strike] allzu gern Ideen ranken
und schnuppre Blütenblattgedanken-
düfte. Beiß kräftig in die [strike]duften[/strike] (Wiederholung) Fruchtfleischsilben,
zerreibe manchen Laut, der gern
geknospet [blue]hätte[/blue], mit Zähneknirschen.
Zerpflücke mit dem Mund die Kirschen,
die manchem lahmen Fuchs so fern
wie reife Trauben schienen.

Und seht: An Stempeln sammeln blonde Bienen
Buchstabenstaub und reimen sich daraus
die reinsten Honigsätze:

Wer [blue]Trauben[/blue] (oder wird tatsächlich Tauben etwas vorgelesen?) liest, der erntet Schätze!
Phoneme, auf zum Ohrenschmaus!
Ein reiner Jambus im Ungereimten ist nun wirklich bäh! - Aber mit den letzten beiden Absätzen machst du vieles wieder gut. :)
LG, der8.
(unblond)
 
A

AchterZwerg

Gast
Eben ist mir noch etwas Zusätzliches aufgefallen: "manche" gibt es ebenfalls doppelt. ;)
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Heidrun, Du 8.,

Hallo Herbert,
die Idee finde ich bezaubernd, die Umsetzung lässt jedoch (noch) zu wünschen übrig (Rhythmus / Klang / Verkürzungen / Interpunktion):
"bezaubernd" : Ein großes Dankeschön dafür!

Die "Umsetzung" ist bewusst leger, dort "mag ich gar nicht jäten": Das habe ich in Antizipation der Kritik ja gleich hineingeschrieben.
Was nicht heißen soll, dass damit alle Änderungen von vornherein gänzlich ausgeschlossen werden ...

Rhythmus: Hauptsächlich sind Jamben verwendet, ab und an auch Trochäen (s.u.).
Fehler höre ich nicht, denn wenn ich das Gedicht laut vorlese, schwingt es flüssig, nicht nur metrisch.

Klang: Auch hier hab ich ziemlich bewusst gearbeitet. Z.B. "lieber grün" mit dem assonanten Übergang
der beiden Längen "ie" und "ü" klingt - für mich.

Auch gibt es viele bewusste eingesetzte Konsonanten als Mini-Alliterationen, z.B.
"Zähneknirschen zerpflücke" mit je zwei "z", "k" und "r".

Die Neuschöpfungen "Blütenblattgedankendüfte" ("ü a a ü", "bl bl d d") und "dufte Fruchtfleischsilben" ( "u u ei i", ft fr cht fl schs") sind ganz auf Klang getrimmt. Andere Beispiele sind "Stempeln sammeln" und "blonde Bienen Buchstabenstaub".
Auch die im zweiten Kommentar monierte Wiederholung von "manche" ist klanglich wichtig: "manchem lahmen" betont den Klang von "m"-s und "a"-s und
korrespondiert mit dem vorherigen "manchen Laut" auch durch die "m-l" Folge, nicht nur die langen "a" Klänge.
Ehrlich gesagt halte ich nun gerade Klang für die eigentliche Stärke dieses Gedichts, vgl. auch die letzte Zeile...

Verkürzungen: "hätt" ist dem Rhythmus/Metrum geschuldet, ebenso "schnuppre" und "seh". Hier könnte ich "hätt'", "seh'" und "schnupp're" schreiben.
Wenn man es liest, klingt alles ganz natürlich. Bei dem "Beiß" liest es sich tatsächlich besser, wenn man "Beiße" draus macht. Das werde ich gleich ändern.

Interpunktion: Hier weiss ich nicht, was Du meinst. Vielleicht die ausgelassenen "'" bei den Verkürzungen?

Im Hain der Wörter

mag ich [strike]gar[/strike] nicht jäten,
[red]ohne "gar" ist das Metrum dahin. Klanglich sind mir die beiden "a" von "mag" und "gar" hier wichtig[/red]
seh [strike]lieber grün[/strike] allzu gern Ideen ranken
[red]"allzu gern" gefällt mir gar nicht. Das Grün passt doch wunderbar zum Ranken (und zur Leselupe ... )[/red]​
und schnuppre Blütenblattgedanken-
düfte. Beiß kräftig in die duften (Wiederholung)
Fruchtfleischsilben,
[red]düfte - duften ist bewusst so eingesetzt, nicht nur Blütenblattgedanke, sondern auch Fruchtfleisch duftet[/red]​
zerreibe manchen Laut, der gern
geknospet hätt[blue]e[/blue], mit Zähneknirschen.
[red]"hätt" (vielleicht besser "hätt'") macht aus dieser Zeile einen vierhebigen Jambus, der mit der folgenden Zeile metrisch korrespondiert:[/red]​
Zerpflücke mit dem Mund die Kirschen,
die manchem lahmen Fuchs so fern
wie reife Trauben schienen.

Und seht: An Stempeln sammeln blonde Bienen
Buchstabenstaub und reimen sich daraus
die reinsten Honigsätze:

Wer Trauben (oder wird tatsächlich Tauben etwas vorgelesen?) liest, der erntet Schätze!
[red]den Tauben vorzulesen: das ist doch grad der Witz der Zeile, also nix mit Trauben hier :). Wer predigte doch gleich den Tieren? Sind Tauben taub? Auch andere Interpretation sind möglich, z.B. diese: (Selbst) wer Gehörlosen - oder denen, die nicht hören wollen - vorliest, erntet Schätze, wenn er sich selbst zuhört[/red]​
Phoneme, auf zum Ohrenschmaus!


Ein reiner Jambus im Ungereimten
[red]erstens kein reiner Jambus ("Buchstabenstaub" lese ich Xx.X {. : unbetonte Kürze, x: unbetonte Länge, X: betonte Länge}, also ergibt sich für die Zeile Trochäus gefolgt von Jamben {XxxX hat auch einen Namen, fällt mir aber grad nicht ein}. S1Z4 ist vielhebiger als die meisten anderen Zeilen und in Trochäen (mit Beiß[red]e[/red]), S1Z1-2 sind in auch in Trochäen), und zweitens sammer im Gereimten :D, d.h. ohne metrisch durchgängig feste Form, aber mit Reimen, wenn auch nicht überall und nicht in irgendeiner klassischen Strophenform.[/red]​
ist nun wirklich bäh! - Aber mit den letzten beiden Absätzen machst du vieles wieder gut.
[red]also nicht "bäh", wie ich meine, und "wieder gut" macht wieder gut ... [/red]​
LG, der8.
(unblond)
Ich hoffe, Deinen ausführlichen Kommentar mit meiner ausführlichen Antwort ausreichend gewürdigt zu haben...
Vielleicht habe ich durch die Auseinandersetzung damit die Stärken meines Gedichts sogar besser herausarbeiten können, s.u.,
das ist auf jeden Fall klasse und ich danke Dir dafür. - Dieser Bandwurmsatz ist sicher kein stilistisches Ruhmesblatt -

Ich habe bei diesem Gedicht vieles aus dem Bauch formuliert, was mir aber auch genauer betrachtet in sich stimmig scheint.

Abgesehen von "Beiße" (wird geändert) sowie von der eventuellen Hinzufügung von zwei, drei "'" (siehe oben), über die ich noch nachdenken möchte, seh'
ich derzeit keinen Änderungsbedarf.

Liebe Grüße

Herbert
 

HerbertH

Mitglied
Im Hain der Wörter

mag ich gar nicht jäten,
seh lieber grün Ideen ranken
und schnuppre Blütenblattgedanken-
düfte, beiße kräftig in die duften Fruchtfleischsilben,
zerreibe manchen Laut, der gern
geknospet hätt, mit Zähneknirschen,
zerpflücke mit dem Mund die Kirschen,
die manchem lahmen Fuchs so fern
wie reife Trauben schienen.

Und seht: An Stempeln sammeln blonde Bienen
Buchstabenstaub und reimen sich daraus
die reinsten Honigsätze:

Wer Tauben liest, der erntet Schätze!
Phoneme, auf zum Ohrenschmaus!
 

HerbertH

Mitglied
PS: Vielleicht noch mal das metrische Bild, wie ich es lese
{.: unbetonte Kürze, x: unbetonte Länge, X: betonte Länge}:

Im Hain der Wörter
x X x X.

mag ich gar nicht jäten,
X x X x X.
seh lieber grün Ideen ranken
x Xx X .X. X.
und schnuppre Blütenblattgedanken-
x X. X.X.X.
düfte, beiße kräftig in die duften Fruchtfleischsilben,
X. X. Xx X x X. XxX.
zerreibe manchen Laut, der gern
xX. X. X x X
geknospet hätt, mit Zähneknirschen,
.X. X x X.X.
zerpflücke mit dem Mund die Kirschen,
xX. X x X x X.
die manchem lahmen Fuchs so fern
x Xx Xx X x X
wie reife Trauben schienen.
x X. X. X.

Und seht: An Stempeln sammeln blonde Bienen
x X x Xx Xx X. Xx
Buchstabenstaub und reimen sich daraus
Xx.X x Xx X xX
die reinsten Honigsätze:
x Xx XxX.

Wer Tauben liest, der erntet Schätze
x Xx X x Xx X.
Phoneme, auf zum Ohrenschmaus!
xX. X x XxX

PPS: Fehler in meiner Anwort an Heidrun: S1Z2 ist Jambisch wie oben markiert. Irgendwie hatte sich eine alternative Zeile

"seh ich lieber grün Ideen ranken"

in meinen Kopf geschlichen, die ich aber wegen der Wiederholung des "ich" aus S1Z1 gar nicht haben will.
 
A

AchterZwerg

Gast
Lieber Herbert,
hab Dank für deine ausführliche Antwort.
Bernd schrieb vor einigen Tagen schon einmal etwas über einen möglichen Kontrast zwischen Silbenbild und gelesener Betonung.
Nehme ich mir "meine" Version vor, lese ich:
Im Hain der Wörter

mag ich nicht jäten,
seh allzu gern Ideen ranken
und schnuppre Blütenblattgedanken.
Beiß kräftig in die Fruchtfleischsilben,
zerreibe manchen Laut, der gern
geknospet hätte, mit Zähneknirschen.
Zerpflücke mit dem Mund die Kirschen,
die manchem lahmen Fuchs so fern wie reife Trauben schienen ...
Für mich hört sich das sehr schön an. :D
 

Walther

Mitglied
lb. 8erzwerg,

du liegst sehr oft richtig mit deiner kritik. hier muß ich jedoch weitgehend herbert ausnahmsweise folgen. ;) mit einer ausnahme allerdings. der versauftakt "buchstabenstaub" ist zwar ein tolles wort, bedingt aber einen betonten ersten takt, der nicht in den rest des versmaßes paßt. alles andere, auch die tauben, denen gelesen wird, ist sehr schön gemacht.

lg w.
 

Joneda

Mitglied
"Im Hain der Wörter

mag ich gar nicht jäten,
seh lieber grün Ideen ranken
und schnuppre Blütenblattgedanken-"


das ist wunderbar
und schenk Dir sternenklar
zehn Punkte
auf das es tunke
Dein Bild ins Letternreich
so schön, vollendet, leicht.

LG
 
A

AchterZwerg

Gast
@ Walther,
ich sage ja nicht, dass Herbert nicht gut gearbeitet hat, dachte einfach, es ginge noch einen Tic schöner. :)
Eigentlich beschäftige ich mich grundsätzlich nur noch mit Texten, die mir überdurchschnittlich viel sagen.
Ganz auf eurer Seite :D;)
Der8.
 



 
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