Mit Deinem Versuch einer Goethe-basierten Replik verirrst Du Dich echt ins Läppische. Ein inhaltsbefreiter Versuch von Dir, das letzte Wort zu haben?
Lauschen wir einmal kurz Meister Goethe ...
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
...und was der Kritikus (aber nicht darüber) schrieb:
Und hier sind es die Mehrsilber "
belebenden" und "
Hoffnungsglück", die den zusammengepappten Ein- bis Zweisilbern ein kleines bisschen aus ihrer klappernden Eintönigkeit heraushelfen: Goethe - du kannst das eigentlich besser!
Ich versuch trotzdem nochmal einen inhaltlichen Austausch.
Es geht hier, zur Erinnerung, um das Thema der "klappernden Versfüße" (s.o.: "klappernde Eintönigkeit").
Das ist ein spezielles, durchaus nicht ganz unkomplexes, Problem bei einem gleichmäßig gefügten Metrum. In seiner schlimmsten Form tritt das Klappern auf, wenn sich in einer Zeile niemals zwei benachbarte Versfüße in einem Wort "treffen" und es keine ambivalenten Akzentuierungen gibt (also Silben, bei denen die Betonung nicht so ganz genau definierbar ist). Wie gesagt, das ist kein so ganz triviales Phänomen - an Beispielen wirds vielleicht klarer...
Nehmen wir mal einen Jambus (Akzentuierungsabfolge wie in dem Wort "kaputt": unbetont - betont oder xX): Bei einem jambischen Versmaß träte beispielsweise
kein Klappern auf, wenn in einer Zeile mit ein- und zweisilbigen Wörtern Wörter vorkommen, in denen sich zwei benachbarte Jamben (xX xX) so treffen, dass eine Aufteilung entsprechend der Wortgrenzen folgendes Bild ergäbe: x Xx X.
Bei diesem beispielshaften Fall würden also zwei einsilbige Wörter ein zweisilbiges Wort flankieren, welches wie ein Trochäus (betont - unbetont, Xx) akzentuiert ist. Dieses zweite Wort hat also Anteil an Jambus 1 und an Jambus 2.
Im Gegensatz dazu mal ein beispiel für ein heftiges Klappern:
Wir woll'n im Vers kein Klappern,
das klingt zu sehr nach Plappern.
Nach Wortgrenzen aufgeteilt ge-ixt:
x X x X x Xx
x X x X x Xx
Wenn man das als hyperkatalektische Jamben auffasst (d. h. als Jamben plus eine finale, unbetonte Silbe am Ende der Zeile), dann treffen sich niemals zwei benachbarte Jamben xX xX in einem Wort. Nur der letzte Jambus bekommt noch als Nachklapp eine unbetonte Silbe geschenkt, "kein Klappern" bzw. "nach Plappern" = "x Xx", die aber gegen den Klappereffekt machtlos ist, weil sie sich nicht zu einem vollständigen Jambus ergänzt.
Alternativ könnte man die Zeilen auch als Trochäus (betont-unbetont, Xx) mit einem einzelen Auftakt (unbetont, x) auffassen. Auch unter dieser Lesart klappert es mächtig, weil auch hier keine zwei benachbarte Trochäen in einem Wort zusammenfinden.
Das Klappern passiert also besonders leicht, wenn man viele einsilbige Wörter aneinanderreiht, die einer eindeutigen Betonung folgen.
Jetzt mal auf James' Verse angewendet:
"Das Muttertier in reifer Schwäche"
x XxX x Xx Xx
Wenn man diesen Vers (den ich ja als etwas minder klappernd eingeschätzt habe) als hyperkatalektischen Jambus auffasst, treffen sich einige Male benachbarte Jamben in einem Wort, nämlich Jambus 1 und Jambus 2 in "Muttertier" und Jambus 3 und Jambus 4 in "reifer".
Klappriger wirds, wenn wir das als Trochäus mit Auftakt lesen, dann teilt sich Trochäus Nr. 2 auf zwei Wörter auf "-tier in", aber es begegnen sich niemals zwei benachbarte Trochäen in einem Wort.
Bei
"zog tief sich in das Holz zurück"
x X x X x X xX
haben wir hingegen einen schweren Fall von jambischem Klappern und nur bei trochäischer Lesart als katalektischer Trochäus mit Auftakt ergäbe sich ein Zusammenfinden von Trochäus 3 mit einem verstümmelten Trochäus 4, dem die unbetonte Silbe fehlt, was genau aufgrund dieser Katalexe (also der Unvollständigkeit des letzten, sozusagen "einsilbigen Trochäus") nicht für eine Entklapperung sorgt.
Jetzt wird spätestens klar, warum das Klappern eines Versfußes, gerade bei Jambus und Trochäus, leichter herauszuhören als zu erklären ist.
Das hängt mit dieser vermaledeiten Mehrdeutigkeit von Versfüßen in Zeilen mit ungerader Silbenzahl zusammen, je nachdem, ob man diese dann "auftaktisch" oder (hyper)katalektisch interpretiert.
Bei
sanft legte es in feine Ritzen
x Xx X x Xx Xx
Könnte man bei jambischer Lesart sagen, dass die meisten benachbarten Versfüße sich sogar in einem Wort treffen - perfekte Entklapperung! Das Problem ist aber, dass das Ohr immer auch eine auftaktische Lesart "mithört" und unter dieser Perspektive (akatalektischer Trochäus mit Auftakt) kommt es niemals zur Verknüpfung zweier Versfüße in einem Wort, was wieder für heftige Beklapperung sorgt.
Aufgrund der Kippstruktur, die durch die wahlweise auftaktische oder (hyper)katalektische Lesart entsteht, sind Klappertöne nur sehr schwer vermeidbar, wenn man in einer Zeile nur ein- oder zweisilbige Wörter verwendet, daher mein Hinweis auf das Einführen von mehrsilbigen Wörtern (vor allem ungeradzahligen Mehrsilbern), was eine, wenn auch nicht 100% zuverlässige, Abhilfemaßnahme gegen das Klappern darstellt.
Aber natürlich kann auch in einem aus ein- und zweisilbern bestehenden Text im Fall etwas verschliffener Akzente ein Klappern vermieden werden.
Bei
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein.
Klappert nix, weil die Grundstruktur zwar so ge-ixt aussähe:
x X x X x X x X
aber das "hier", welches nach diesem Schema jeweils unbetont wäre, doch ziemlich aufmüpfig auf einer Art Halbbetonung besteht. Fast muss man es so lesen:
X X x X X X x X
oder sogar so:
X x x X X x x X
Aufgrund dieser "Verunklarung" der Akzente durch das "hier", welches einerseits unbetont gelesen sein will und andererseits doch auch ein bisschen nach einer Betonung schielt, bleibt das Metrum schön in der Schwebe. Es klappert nix.
Und die (oben von mir nochmal zitierte) Pseudoargumentation bzgl. Goehte führt zu gar nix, weil bei dem Goethezitat überhaupt keine regulären Jamben oder Trochäen am Start sind:
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
xXxxXxXxXx
oder die Betonungen eben etwas unklar schweben:
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
formal: x Xx Xx XxX
aber "Im" ist ziemlich stark betont und das -glück am Schluss beinahe unbetont.
Und das war ja gerade der Aufhänger meiner ganzen Argumentation: Beim Osterspaziergang ist in besonders eklatanter Weise das Metrum überaus kunstvoll und komplex gestaltet - es wär ziemlich fies, einem Mittelstufe-Gymnasiasten ohne ausgiebige Vorbereitungen diesen Text zu unterbreiten mit der Frage: Welches Metrum wurde hier benutzt?
Überhaupt gestattet sich Goethe nur relativ selten ein in the face-Klappern ("hat der alte Hexenmeister / sich doch einmal wegbegeben"), doch auch in solchen Fällen hat der Geheimrat noch einige Tricks auf Lager und wenn man z. B. die Strophe 2 vom Zauberlehrling betrachtet, hat sichs durch die extatische Sprachhabung und die verkürzten Zeilen ziemlich ausgeklappert.
Viel Fließtext - sogar für meine Verhältnisse - und das Thema Klappern ist dennoch nur ganz grob angerissen...
Je nun.
Klappernde Grüße,
S.