Ji Rina
Mitglied
Im OP (Just a fake)
Die Situation war äußerst dramatisch. Vier Ärzte arbeiteten an ihm. Ein ganzes Team berühmter Spezialisten händigten sich Instrumente aus, warfen hastige Blicke auf Zeiger, kontrollierten Schläuche, Messgeräte und Monitore.
»Blutdruck?«, fragte Dr. Roth.
»Skalpell!«, befahl Dr. Stein, während die Krankenschwestern sich flink auf ihren Absätzen drehten. Die Lage war so angespannt, dass man hätte die Luft durchschneiden können. Als Journalistin der Early Post hatte ich von Jeff Singer eine Sondergenehmigung erhalten, um an jenem Morgen im Weather Bens Hospital in San Camino den Vorgang einer Hirnoperation zu beobachten.
Ich sollte mir dabei Notizen machen und, wenn möglich, auch ein paar Bilder knipsen. Der Patient hatte sich jahrelang beklagt, dass er im Kopf seltsame Störungen spüre, für die niemand eine Erklärung fand. Er war von einem Arzt zum anderen gewandert, von einem Krankenhaus ins nächste, ohne Erfolg. Dr. Stein war erst mal den üblichen Prozeduren nachgegangen. Im Kernspintomografen hatte man nichts entdeckt, und auch die letzten Ergebnisse hatten keine Anomalien angezeigt. Ihm war nichts Außergewöhnliches aufgefallen.
Jetzt lag der Patient auf dem OP-Tisch, Metallklammern hielten seinen Kopf in waagerechter Position, und ich blickte direkt auf seine geöffnete Schädeldecke. Dr. Stein und Dr. Roth, die beiden Hauptchirurgen, standen links und rechts dicht neben mir, und ich hörte schon seit einer Weile ihren murmelnden Kommentaren zu.
»Hier alles in Ordnung.«
»Mh … Auch hier.«
»Scheint alles völlig normal.«
»Mh … Seltsam …«
Die Luft im Raum war stickig, und ich hatte gerade meinen Blick auf einen der Monitore gerichtet, als Dr. Stein plötzlich zusammenzuckte.
»Oh!«, rief er und ließ seinen Kopf abrupt tiefer sinken.
»Was ist denn?«, fragte ich und beugte mich auf seine Höhe.
»Mist!«, rief er, und ich sah, wie er mit einer Pinzette in eine graufarbene Masse piekste, plötzlich zuschnappte und etwas herauszog. Er hielt es in die Luft gegen eine der großen Neonlampen. Ich sah etwas Undefinierbares, klitzekleines Rotes mit vier kleinen Extremitäten, das hin und her zappelte und quietschende Geräusche von sich gab.
»Was ist denn das?«, fragte ich.
»Na, das sehen Sie doch selber«, antwortete er gereizt, und legte es an die Seite der Schädeldecke. Ich erkannte ein winzig kleines Männchen mit Kopf, Armen und Beinchen, das sich blitzschnell wieder aufrichtete und zurück in die Hirnmasse lief.
»He! Freundchen!«, rief Dr. Stein und schnappte mit der Pinzette schnell zu. »So geht das nicht!« Aber das Männchen war ihm entkommen.
»Na, da haben wir den Mist!«, sagte Dr. Roth entnervt.
Es vergingen nur einige Sekunden, und schon lugte ein zweites Männchen hervor. Und wieder schnappte Dr. Stein zu, um es an den Rand der Schädeldecke zu setzen, aber auch dieses rannte schnurstracks zurück. Es rannte geduckt, mit den Ärmchen über dem Kopf, so, als ob es sich schützen wolle.
»Wir haben hier jetzt ein ernsthaftes Problem«, sagte Dr. Roth und warf uns allen einen finsteren Blick zu, während eine der Schwestern ihm mit hastigen Handbewegungen die Schweißperlen von der Stirn tupfte.
Plötzlich rannten drei Männchen kreuz und quer über die Schädeldecke, es war, als würden sie um die Wette rennen, und sie waren so schnell, dass Dr. Stein ihnen nicht nachkommen konnte.
Ich entspannte meinen Nacken und atmete zweimal tief durch. Mir war aufgefallen, dass meine Hände und meine Stirn klitschnass waren und dass ich seit dem frühen Morgen außer einem Croissant nichts Weiteres im Magen hatte.
»Das gibt’s doch gar nicht!«, rief Dr. Stein aufgebracht, und ich sah, wie er ein Männchen nach dem anderen herauszog, sie mit blitzschnellen Bewegungen an den Rand der Schädeldecke setzte, während diese sich genauso schnell wieder aufrichteten und aus dem Staub machten. Einige drehten sich dabei noch um, und warfen uns einen erschrockenen Blick zu, ich sah, wie ihre Augen blitzten und wie verängstigt sie waren.
»Das ist ja völlig verrückt!«, sagte Dr. Roth erschöpft, »Es gibt sie in allen Farben! Schaut her! Rot, Grün, Blau … Einige sind Violett!«
»Och nee, nee«, rief Dr. Stein jetzt verärgert, während er eine leicht weißgelbliche Masse anhob, unter der bestimmt ein Dutzend kleiner Männchen saß. Ich sah ihre entsetzten Gesichter, hörte ihre quietschenden Laute und beobachtete, wie sie sich mit ihren ausgebreiteten Ärmchen nach hinten drängten, um der Pinzette zu entkommen.
Plötzlich brach Dr. Stein abrupt ab. Er trat einen Schritt zurück und warf die Pinzette in eine Schüssel.
»Tut mir leid«, sagte er entschieden, und zog sich den Mundschutz herunter, »aber so kann ich nicht arbeiten!«
Ich wandte mich ihm verwundert zu und starrte ihn an.
»Ja wie, Sie hören jetzt mittendrin auf?«
»Na sehen Sie sich das doch an«, sagte er empört, »das ganze Ding ist voller Männchen. Was soll ich denn da noch machen? Sie haben es doch selbst gesehen, ich ziehe sie heraus und sie kriechen wieder rein, ich setzte sie vor die Tür, und sie schlüpfen zurück. Was meinen Sie wohl, was da drinnen los ist? Das Ganze ist ein einziges Wollknäuel voller Männchen, alles ist verwachsen, zwischen Venen und Knochen, bis zum Hinterhirn. Da kann ich doch nicht einfach etwas herausschneiden!«
Er sah mich so vorwurfsvoll durch seine dicke Hornbrille an, dass ich mich nicht traute, ihm zu widersprechen. Was mich in dem Augenblick am meisten wunderte, war, dass es mir so vorkam, als ob er auf eine Antwort wartete, so, als ob ich ihm sagen könnte, was zu tun sei. Ich blickte unauffällig zu den Schwestern, aber auch sie machten jetzt einen verlorenen Eindruck. Dr. Stein drehte mir daraufhin den Rücken zu, ohne noch etwas zu sagen, ich sah, wie er sich die Handschuhe abzog und sie in eine Ecke pfefferte und dann durch die Glastür verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen. Der Tag war ihm wohl zweifellos versaut worden.
Dr. Roth überlegte, was zu tun sei. Dann gab er die Anordnung, dass man alles wieder in den Schädel hineinstopfen solle und die Operation somit beendet sei. Und im selben Augenblick war mir klar, dass ich keinen Bericht in der Tasche hatte.
Kurze Zeit später lief ich die Treppe des Hospitals herunter, ohne einen klaren Gedanken zu fassen. Um Punkt sechs saß ich in der U-Bahn und um sieben erreichte ich mein Hotel in der Peshword Avenue. Es war ein beschissener Tag gewesen, so ein Tag ohne Anfang und ohne Ende.
Ich fuhr im Fahrstuhl in die zwölfte Etage und überlegte, ob ich Jeff anrufen sollte oder nicht. Ich öffnete das Fenster und blickte eine Weile auf die glitzernden Lichter der Stadt. Dann setzte ich mich an einen Tisch und versuchte, diese Sache so gut wie möglich aufzuschreiben.
Anmerkung:
Vor einigen Jahren gab es auf einem Literaturportal ein User, der sich nebenbei als minderstens fünf weitere User mit unterschiedlichem Namen, etc...ausgab. Er lud demnach unterschiedliche Texte hoch, schrieb im Namen all seiner User Rezensionen und liess „seine User“ im Forum bei allen möglichen Themen heftig gegeneinander diskutieren und streiten. Ihm widmete ich diese Story.
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Die Situation war äußerst dramatisch. Vier Ärzte arbeiteten an ihm. Ein ganzes Team berühmter Spezialisten händigten sich Instrumente aus, warfen hastige Blicke auf Zeiger, kontrollierten Schläuche, Messgeräte und Monitore.
»Blutdruck?«, fragte Dr. Roth.
»Skalpell!«, befahl Dr. Stein, während die Krankenschwestern sich flink auf ihren Absätzen drehten. Die Lage war so angespannt, dass man hätte die Luft durchschneiden können. Als Journalistin der Early Post hatte ich von Jeff Singer eine Sondergenehmigung erhalten, um an jenem Morgen im Weather Bens Hospital in San Camino den Vorgang einer Hirnoperation zu beobachten.
Ich sollte mir dabei Notizen machen und, wenn möglich, auch ein paar Bilder knipsen. Der Patient hatte sich jahrelang beklagt, dass er im Kopf seltsame Störungen spüre, für die niemand eine Erklärung fand. Er war von einem Arzt zum anderen gewandert, von einem Krankenhaus ins nächste, ohne Erfolg. Dr. Stein war erst mal den üblichen Prozeduren nachgegangen. Im Kernspintomografen hatte man nichts entdeckt, und auch die letzten Ergebnisse hatten keine Anomalien angezeigt. Ihm war nichts Außergewöhnliches aufgefallen.
Jetzt lag der Patient auf dem OP-Tisch, Metallklammern hielten seinen Kopf in waagerechter Position, und ich blickte direkt auf seine geöffnete Schädeldecke. Dr. Stein und Dr. Roth, die beiden Hauptchirurgen, standen links und rechts dicht neben mir, und ich hörte schon seit einer Weile ihren murmelnden Kommentaren zu.
»Hier alles in Ordnung.«
»Mh … Auch hier.«
»Scheint alles völlig normal.«
»Mh … Seltsam …«
Die Luft im Raum war stickig, und ich hatte gerade meinen Blick auf einen der Monitore gerichtet, als Dr. Stein plötzlich zusammenzuckte.
»Oh!«, rief er und ließ seinen Kopf abrupt tiefer sinken.
»Was ist denn?«, fragte ich und beugte mich auf seine Höhe.
»Mist!«, rief er, und ich sah, wie er mit einer Pinzette in eine graufarbene Masse piekste, plötzlich zuschnappte und etwas herauszog. Er hielt es in die Luft gegen eine der großen Neonlampen. Ich sah etwas Undefinierbares, klitzekleines Rotes mit vier kleinen Extremitäten, das hin und her zappelte und quietschende Geräusche von sich gab.
»Was ist denn das?«, fragte ich.
»Na, das sehen Sie doch selber«, antwortete er gereizt, und legte es an die Seite der Schädeldecke. Ich erkannte ein winzig kleines Männchen mit Kopf, Armen und Beinchen, das sich blitzschnell wieder aufrichtete und zurück in die Hirnmasse lief.
»He! Freundchen!«, rief Dr. Stein und schnappte mit der Pinzette schnell zu. »So geht das nicht!« Aber das Männchen war ihm entkommen.
»Na, da haben wir den Mist!«, sagte Dr. Roth entnervt.
Es vergingen nur einige Sekunden, und schon lugte ein zweites Männchen hervor. Und wieder schnappte Dr. Stein zu, um es an den Rand der Schädeldecke zu setzen, aber auch dieses rannte schnurstracks zurück. Es rannte geduckt, mit den Ärmchen über dem Kopf, so, als ob es sich schützen wolle.
»Wir haben hier jetzt ein ernsthaftes Problem«, sagte Dr. Roth und warf uns allen einen finsteren Blick zu, während eine der Schwestern ihm mit hastigen Handbewegungen die Schweißperlen von der Stirn tupfte.
Plötzlich rannten drei Männchen kreuz und quer über die Schädeldecke, es war, als würden sie um die Wette rennen, und sie waren so schnell, dass Dr. Stein ihnen nicht nachkommen konnte.
Ich entspannte meinen Nacken und atmete zweimal tief durch. Mir war aufgefallen, dass meine Hände und meine Stirn klitschnass waren und dass ich seit dem frühen Morgen außer einem Croissant nichts Weiteres im Magen hatte.
»Das gibt’s doch gar nicht!«, rief Dr. Stein aufgebracht, und ich sah, wie er ein Männchen nach dem anderen herauszog, sie mit blitzschnellen Bewegungen an den Rand der Schädeldecke setzte, während diese sich genauso schnell wieder aufrichteten und aus dem Staub machten. Einige drehten sich dabei noch um, und warfen uns einen erschrockenen Blick zu, ich sah, wie ihre Augen blitzten und wie verängstigt sie waren.
»Das ist ja völlig verrückt!«, sagte Dr. Roth erschöpft, »Es gibt sie in allen Farben! Schaut her! Rot, Grün, Blau … Einige sind Violett!«
»Och nee, nee«, rief Dr. Stein jetzt verärgert, während er eine leicht weißgelbliche Masse anhob, unter der bestimmt ein Dutzend kleiner Männchen saß. Ich sah ihre entsetzten Gesichter, hörte ihre quietschenden Laute und beobachtete, wie sie sich mit ihren ausgebreiteten Ärmchen nach hinten drängten, um der Pinzette zu entkommen.
Plötzlich brach Dr. Stein abrupt ab. Er trat einen Schritt zurück und warf die Pinzette in eine Schüssel.
»Tut mir leid«, sagte er entschieden, und zog sich den Mundschutz herunter, »aber so kann ich nicht arbeiten!«
Ich wandte mich ihm verwundert zu und starrte ihn an.
»Ja wie, Sie hören jetzt mittendrin auf?«
»Na sehen Sie sich das doch an«, sagte er empört, »das ganze Ding ist voller Männchen. Was soll ich denn da noch machen? Sie haben es doch selbst gesehen, ich ziehe sie heraus und sie kriechen wieder rein, ich setzte sie vor die Tür, und sie schlüpfen zurück. Was meinen Sie wohl, was da drinnen los ist? Das Ganze ist ein einziges Wollknäuel voller Männchen, alles ist verwachsen, zwischen Venen und Knochen, bis zum Hinterhirn. Da kann ich doch nicht einfach etwas herausschneiden!«
Er sah mich so vorwurfsvoll durch seine dicke Hornbrille an, dass ich mich nicht traute, ihm zu widersprechen. Was mich in dem Augenblick am meisten wunderte, war, dass es mir so vorkam, als ob er auf eine Antwort wartete, so, als ob ich ihm sagen könnte, was zu tun sei. Ich blickte unauffällig zu den Schwestern, aber auch sie machten jetzt einen verlorenen Eindruck. Dr. Stein drehte mir daraufhin den Rücken zu, ohne noch etwas zu sagen, ich sah, wie er sich die Handschuhe abzog und sie in eine Ecke pfefferte und dann durch die Glastür verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen. Der Tag war ihm wohl zweifellos versaut worden.
Dr. Roth überlegte, was zu tun sei. Dann gab er die Anordnung, dass man alles wieder in den Schädel hineinstopfen solle und die Operation somit beendet sei. Und im selben Augenblick war mir klar, dass ich keinen Bericht in der Tasche hatte.
Kurze Zeit später lief ich die Treppe des Hospitals herunter, ohne einen klaren Gedanken zu fassen. Um Punkt sechs saß ich in der U-Bahn und um sieben erreichte ich mein Hotel in der Peshword Avenue. Es war ein beschissener Tag gewesen, so ein Tag ohne Anfang und ohne Ende.
Ich fuhr im Fahrstuhl in die zwölfte Etage und überlegte, ob ich Jeff anrufen sollte oder nicht. Ich öffnete das Fenster und blickte eine Weile auf die glitzernden Lichter der Stadt. Dann setzte ich mich an einen Tisch und versuchte, diese Sache so gut wie möglich aufzuschreiben.
Anmerkung:
Vor einigen Jahren gab es auf einem Literaturportal ein User, der sich nebenbei als minderstens fünf weitere User mit unterschiedlichem Namen, etc...ausgab. Er lud demnach unterschiedliche Texte hoch, schrieb im Namen all seiner User Rezensionen und liess „seine User“ im Forum bei allen möglichen Themen heftig gegeneinander diskutieren und streiten. Ihm widmete ich diese Story.
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