Im Sommer 1970 - eine Gruselgeschichte (gelöscht)

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ThomasQu

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Hallo SilberneDelfine,

nachdem du schon zweimal so nett warst, etwas unter meinen Geschichten zu hinterlassen, habe ich mir jetzt eine von dir ausgesucht, bei der du noch keinen Kommentar erhalten hast.
Man merkt, dass du dir mit dem Text viel Mühe gegeben hast, trotzdem finde ich ihn nicht sonderlich gelungen.
Zum einen liegt das daran, dass du Szenen sehr wortreich darstellst, die du viel kürzer und prägnanter hättest beschreiben können. Alles ist viel zu langatmig. Das nimmt leider viel Spannung.
Du erzählst die Nebensächlichkeiten viel zu ausführlich, die du hättest überspringen oder nur andeuten können. Nur bei den entscheidenden Szenen solltest du ausführlich werden. So könntest du den Text leicht um ein gutes Stück kürzen. Und wenn du etwas beschreibst, dann beschreibe so genau wie möglich.

… nachdem sie tagsüber lange durch Wiesen und Wälder gewandert waren …

Über Wiesen und durch Wälder müsste es heißen. Das ist übrigens auch einer von den Sätzen, durch den die Nebensächlichkeiten zu viel Platz bekommen. Du solltest grundsätzlich schneller Fahrt aufnehmen und auf den Punkt kommen.
Vermeide Adjektive und Füllwörter. Verwende nur die Adjektive, die du unbedingt brauchst.

Das Licht der schon langsam tiefer sinkenden Sonne spiegelte sich im Wasser, brach sich dort, das Wasser warf es zurück und sie musste die Hand vor die Augen halten, weil es sie blendete.

Wie langsam oder schnell bei einem Sonnenuntergang die Sonne sinkt, das weiß man doch und wenn das Wasser die Sonnenstrahlen zurückwirft, anstatt sie zu reflektieren, dann müssten die ja wieder Richtung Sonne gehen und nicht die arme Irene blenden. Das sind einfach sprachliche Schlampigkeiten und dadurch bringt der Satz die Sache nicht genau auf den Punkt.

Das Hauptproblem bei deiner Geschichte aber ist der Plot. Warum verschwindet am Anfang der Michael auf einmal, als er mit Irene am Flussufer stand. Warum wacht Irene plötzlich wieder in der Pension auf?
Die Antwort: Einfach, weil es die Autorin so braucht und das ist zu billig. Für diese Vorkommnisse hättest du schon eine Erklärung liefern müssen. Wenn du jetzt sagst: Naja, das sind eben diese Unerklärlichkeiten, die ich erzählen wollte – Das zieht nicht, da fühlt man sich als Leser vergackeiert.

Das alles sind aber nur meine persönlichen Ansichten, vielleicht sehen andere Leser deine Geschichte ganz anders.

Viele Grüße,

Thomas
 
Hallo ThomasQu,

freut mich, dass du mich mit meiner schon älteren Geschichte beschäftigt hast. Du hast recht, sie ist nicht sonderlich gelungen - weil sie noch aus der Zeit stammt, als ich einfach drauf los geschrieben habe, ohne mir vorher genau zu überlegen, wohin die Reise gehen soll und ohne vorher sorgfältig die Charaktere auszuarbeiten. Und ohne mir eine Prämisse zurechtzulegen. Mittlerweile schreibe ich nicht mehr drauf los, außer mir brennt wirklich etwas unter den Fingern. :)

Vermeide Adjektive und Füllwörter. Verwende nur die Adjektive, die du unbedingt brauchst.
Das habe ich mir mittlerweile auch auf die Fahne geschrieben, damals war es aber leider noch nicht so weit.

Warum verschwindet am Anfang der Michael auf einmal, als er mit Irene am Flussufer stand. Warum wacht Irene plötzlich wieder in der Pension auf?
Die Antwort: Einfach, weil es die Autorin so braucht und das ist zu billig. Für diese Vorkommnisse hättest du schon eine Erklärung liefern müssen. Wenn du jetzt sagst: Naja, das sind eben diese Unerklärlichkeiten, die ich erzählen wollte – Das zieht nicht, da fühlt man sich als Leser vergackeiert.
Ich hatte später noch eine zweite Fassung geschrieben, aber nach reiflicher Überlegung war diese dann auch nicht viel besser. Aber schön, dass du dieses Gruselgeschichten-Thema aufgegriffen hast. Vielleicht überlege ich mir dazu noch eine besser ausgearbeitete Geschichte.

LG SilberneDelfine
 

ThomasQu

Mitglied
Hallo SilberneDelfine,

… weil sie noch aus der Zeit stammt, als ich einfach drauf los geschrieben habe, ohne mir vorher genau zu überlegen, wohin die Reise gehen soll und ohne vorher sorgfältig die Charaktere auszuarbeiten. Und ohne mir eine Prämisse zurechtzulegen.

Wenn ich mit einer Geschichte anfange, habe ich meist noch gar keinen Plan.
Der vage Ansatz einer Anfangsidee genügt, ich fange an, lasse mich treiben und der ganze Plot ergibt sich während des Schreibens.
Für mich wäre das sinnlos, mir schon vorher alles auszudenken, weil dann sowieso alles ganz anders kommt.

Thomas
 

a.lipschitz

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Hallo SilberneDelfine,


ich finde die Grundidee der Geschichte gut, allerdings hat der Plot auch aus meiner Sicht noch ein paar Macken, die man aber mit einigen Änderungen beheben könnte.

Neben dem, was Thomas schon angemerkt hat, macht auch die Warnung des Rothaarigen meines Erachtens keinen Sinn. Der Fluss nimmt zwar offenbar die Lebenden, aber in wie fern nimmt er auch die Toten?
Und den Abschiedsbrief muss Michael bereits vor Beginn der Wanderung geschrieben und auf den Tisch in der Pension gelegt haben, d.h. er muss da schon Suizidabsichten gehabt haben, bevor er auch nur in die Nähe des verwunschenen Flusses kommt. Entweder macht auch das keinen Sinn oder ich verstehe den Sinn nicht.
Auch kommt der dramatische Höhepunkt in Form von Michaels Verschwinden deutlich zu früh. Bis hierhin wurde noch keine Spannung aufgebaut.


Ausgehend von deinem Ansatz, dass es bei der Geschichte im Kern um ein geheimnisvolles Gewässer geht, das irgendwie "die Lebenden nimmt", habe ich mir mal ein paar Gedanken gemacht, wie man den Plot verändern könnte:

Zunächst würde ich den Fluss durch einen kleinen See, z.B. einen abgelegenen Bergsee im Alpenvorland, ersetzen, damit das übernatürliche Element lokal begrenzt und dadurch "besonders" bleibt. Ein kompletter Fluss, der womöglich über eine Länge von vielen Kilometern verflucht sein soll, ist unplausibel. Er müsste ja ständig irgendwelche Opfer fordern.

Michael und Irene kommen bei ihrer Wanderung also an diesen einsamen See, der ein sehr klares Wasser hat und zum Baden einlädt. Der Rothaarige taucht auf und warnt vor dem See, z.B. mit den Worten "Der See löscht das Leben" oder "Der See löscht alles aus".
Der Rothaarige verschwindet wieder, Michael glaubt nicht an die Warnung und geht in den See. Er bemerkt noch, dass das Wasser für einen Bergsee unglaublich warm ist. Irene ist das Ganze unheimlich, aber Michael kommt kurz darauf unversehrt wieder aus dem Wasser.
Irene fällt vielleicht noch auf, dass der See gar keinen Zulauf und Ablauf hat, dass das Wasser, das ihn speist, direkt aus der Erde zu kommen scheint, und dass man gar keine Fische oder andere Tiere im oder am Wasser sieht.

An dieser Stelle kann man gut mit den Erwartungen der Leser spielen, die nach der Warnung des Rothaarigen jetzt schon im Geiste das Loch-Ness-Monster, die Killer-Piranhas oder ähnliches kommen sehen. Hier aber passiert erst einmal gar nichts.

Für Irene scheint das Schlimmste auch überstanden, als sie sich mit Michael wieder auf den Rückweg macht.
Und jetzt kann man den Grusel langsam kommen lassen, ohne gleich zu viel zu verraten: Michael ist auf dem Rückweg seltsam wortkarg, trotz seines ansonsten unfehlbaren Orientierungssinnes haben sie sich kurze Zeit später verlaufen, es wird dunkel und Irene bemerkt mit Schreck, dass sie ihren Ring, den Michael ihr geschenkt hat und den sie am Morgen noch hatte, scheinbar auf der Wanderung verloren hat.

Sie erreichen den Bauernhof, Michael versucht, sich bemerkbar zu machen, niemand reagiert, erst als Irene ruft, kommt die Bauersfrau ans Fenster. Sie ignoriert Michael völlig, erfährt dann von Irene, dass sie am See waren und fragt nur, ob Michael im Wasser war. Sie weist Irene den Weg zurück zur Pension und verschwindet dann schnell wieder im Haus.

Auf dem weiteren Weg im Dunklen durch den Wald verschwindet Michael. Irene ist in Panik, schafft es aber trotzdem irgendwie zur Pension. Dort will sie Hilfe für den im Wald verschwundenen Michael holen, aber man versucht nur, sie zu beruhigen. Als schließlich ein Krankenwagen kommt, ist sie erleichtert, dass nun doch Hilfe für Michael da ist, nur um festzustellen, dass der Krankenwagen ihretwegen kommt.
Die Pensionswirtin und ein paar Gäste schwören, dass Irene niemals in Begleitung war und dass sie offenbar einen Schock erlitten hat. Irene will aus ihrem Zimmer einen Beweis für Michaels Existenz holen und findet nichts, so als ob es Michael nie gegeben hätte. Mit einem endgültigen Nervenzusammenbruch wird sie in die Klinik mitgenommen.
In den letzten Sätzen könnte man andeuten, dass auch die Erinnerung an Michael schließlich aus Irenes Gedächtnis verschwindet.


Das sind nur ein paar spontane Ideen, aber vielleicht kannst du etwas damit anfangen.

Viele Grüße
 

ThomasQu

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Hallo Herr lipschitz,
(Das "Herr" nehme ich jetzt mal an.) (-:

klingt gut!
Habe ja schon einiges von dir gelesen und weiß, dass du Fachmann bist. (Besonders die Eisenbahngeschichte fand ich klasse.)

Gruß Thomas
 
Hallo ThomasQu,

Wenn ich mit einer Geschichte anfange, habe ich meist noch gar keinen Plan.
Der vage Ansatz einer Anfangsidee genügt, ich fange an, lasse mich treiben und der ganze Plot ergibt sich während des Schreibens.
Für mich wäre das sinnlos, mir schon vorher alles auszudenken, weil dann sowieso alles ganz anders kommt.
Genauso habe ich es früher auch gemacht, ehe ich mich ein wenig mit der Technik des Schreibens beschäftigt habe. Meistens wusste ich dann in der Mitte nicht mehr weiter (was man auch hier merkt). Inzwischen habe ich einige Bücher über das Schreiben gelesen. Jetzt überlege ich mir vorher einen Plot und skizziere für mich die Charaktere. Ich überlege mir vorher, wie alt die Figuren sind, wie sie aussehen und welchen psychologischen und soziologischen Hintergrund sie haben. Das muss ich dem Leser noch nicht mal genauso mitteilen, aber es hilft dabei, dass ich die Figuren vor mir sehe und der Text dann quasi von selbst "purzelt". Ideen während des Schreibens für die Geschichte, die ich dann einfließen lassen, kommen mir trotzdem.

LG SilberneDelfine
 
Hallo a.lipschitz,

vielen Dank für deine sehr konstruktive Kritik! Da bekomme ich glatt Lust, die Geschichte, die ich eigentlich schon ad acta gelegt hatte, nochmal ganz neu zu schreiben.

Und den Abschiedsbrief muss Michael bereits vor Beginn der Wanderung geschrieben und auf den Tisch in der Pension gelegt haben, d.h. er muss da schon Suizidabsichten gehabt haben, bevor er auch nur in die Nähe des verwunschenen Flusses kommt. Entweder macht auch das keinen Sinn oder ich verstehe den Sinn nicht.
Auch kommt der dramatische Höhepunkt in Form von Michaels Verschwinden deutlich zu früh. Bis hierhin wurde noch keine Spannung aufgebaut.
Ja, das stimmt, es ist kein richtiger Spannungsbogen, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich beim Schreiben im Kopf hatte, ständig eine gruselige Atmosphäre zu schaffen, auf Kosten aller anderen Zutaten einer Geschichte. Es ist ja gruselig, wenn jemand, der neben einem steht, auf einmal verschwindet und sich ein freundlicher Tag in einen feindlichen verwandelt. Darüber habe ich dann so gut wie vergessen, logische Zusammenhänge zu liefern, wie den, dass Michael den Abschiedsbrief in der Pension zurück gelassen hat. Damit könnte die neue Geschichte anfangen:
Als Michael und Irene am letzten Urlaubstag zu ihrer Wanderung aufbrechen und schon vor der Pension stehen, läuft Michael noch einmal zurück ins Zimmer, angeblich, um etwas zu holen. Daran anknüpfend, würde sich gleich ein völlig anderes Bild ergeben.

Der Rothaarige und sein Satz: "Der Fluss nimmt die Lebenden und die Toten" sollte einfach nur ein gruseliges Element sein. Das kann ich im nächsten Entwurf dann wirklich besser machen.

Schade, dass ich die Geschichte hier löschen muss, wenn ich die neue einstelle, sonst könnte man vergleichen...
Aber bis die fertig ist, wird es sowieso ein wenig dauern.

Dir jedenfalls vielen Dank!

LG SilberneDelfine
 
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