In deiner Bar

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Jana Wue.

Mitglied
I

In mancher dunkelschwarzen kalten Nacht
ist helles Leuchten wahrlich ein Geschenk.
Und du bestellst dein letztes Mischgetränk -
die Bar hat ihre Lichter ausgemacht.

So torkelst du, volltrunken, Richtung Türe,
und hörst den Ruf der Straße, Hupen, laut,
schluchzt leise auf, bedauerst all die Schwüre,
die du gegeben hast. Auf deiner Haut

spürst du, gleich einem Kitzeln, Sonnenstrahlen,
dein Blick sucht sich ein neues, fernes Ziel.
Du siehst die Farben schöne Bilder malen.

Das Leben gab dir immer Leid. Zu viel!
Mit dir, nicht mehr bereit, den Preis zu zahlen,
spielt Leben meisterhaft sein buntes Spiel.

II

Spielt Leben meisterhaft sein buntes Spiel,
siehst du die Sonne himmelaufwärts wandern?
Hörst du den Hohn, den leisen Spott der andern,
der dir, Zeit deines Lebens, nie gefiel?

So rennst du frischem Sonnenrot entgegen,
fühlst Hoffnung steigen, endlich hast du Mut.
Dir geht es, wie schon lange nicht mehr, gut.
Merkst, wie sich Trauer, Wut, Verzweiflung legen.

Voll Antrieb würdest du am liebsten schreien,
doch so was, das ist wirklich nicht dein Stil.
Du siehst die Autos eilen. Fahrer - Laien,

auf Autobahnen rasend, infantil
ist dies für dich, wie Leichenzügereihen,
und psychisch ganz und gar komplett labil.

III

Und psychisch ganz und gar komplett labil
läufst du, getrieben von dem Rausch, stets weiter.
Die Sonne steigt, das Wetter zeigt sich heiter,
doch deine Energie braucht ein Ventil.

Du schaffst es, immer weiter auszubrechen,
aus der Verzweiflung, die dich stark beengt,
und während dich leis schleichend Krankheit fängt
hörst du das Leben mahnend zu dir sprechen:

Das Pochen in den Schläfen, die Verzerrung,
die alles, was du siehst, lebendig macht.
Das Laufen, das den einen letzten Sprung

nicht fängt, und auch dein Fallen, das du sacht
nur miterlebst. Der Schmerz hält dich doch jung,
auch wenn die Existenz darüber lacht.

IV

Auch wenn die Existenz darüber lacht,
wie dir Gedanken Todesszenen zeigen,
bleibst du doch denkend stehen, ruhiges Schweigen
umhüllt dich, und du hast dir schon gedacht,

dass irgendwann der Tag des Falls erreicht,
du wappnest dich, bist stark und bist es nicht,
du wartest auf das reine, helle Licht,
doch Leben macht es keinem je so leicht.

Du harrst gefühlte Stunden lauernd aus
und erste Wolken stehlen Sonnenlichter,
du fröstelst und du willst nur noch hier raus,

die Wolkenfront wird stetig immer dichter.
Mit einem Blick aufs weite Feld hinaus
erwartest du des Lebens dunklen Richter.

V

Erwartest du des Lebens dunklen Richter,
erzählst du dir Geschichten über Farben.
Du schaust auf alle deine kleinen Narben
und denkst an all die lebensfrohn Gesichter,

die du in deinem Leben schon gesehen.
Das eine jener, der du Liebe gabst,
von der du dich bis heute immer fragst
„Warum musst sie nur damals von mir gehen?“

Noch immer klingen deine Sehnsuchtsschreie
dem Antlitz deiner Liebsten hinterher.
Du sprintest weiter, flüchtest dich ins Freie,

bedauerst den Verlust von damals sehr.
Dein Kopf pocht, die Gedanken schrein „Verzeihe!“.
Doch trotzdem willst du immer wieder mehr.

VI

Doch trotzdem willst du immer wieder mehr
und kannst dich wirklich nie zufriedengeben.
Erwartest nichts vom deinem eignen Leben
und stürzt dich in das tiefe, rauschend’ Meer.

Geleert hast du die Flasche bislang immer.
Gedanken schweifen während deiner Flucht
vor deinem Leben, deiner starken Sucht.
Mit jedem langen Tag wird sie nur schlimmer.

Du stolperst, schaust zu Boden, bist gefallen,
dein Blick verliert sich in den Wolken, leer,
und du hörst deine Schreie schon verhallen.

Verlässt dich auch die stumme Gegenwehr.
Du kannst die Worte nur noch leise lallen,
denn Leben war auch wirklich niemals fair.

VII

Denn Leben war auch wirklich niemals fair!
Die Grenzen hast du lang schon überschritten
und während du noch immer rennst, inmitten
von Mut und Wut, den Ausgleich finden, schwer.

Du siehst, wie sich die Wolkenfront versteckt
und merkst, dass Dämmerung dich nun umhüllt.
Gedanklich siehst du, wie das Glas sich füllt
und Rausch den Schmerz für eine Nacht verdeckt.

Du willst was sagen, doch du weißt nicht wie,
bedacht wählst du die Worte, wie durch Trichter,
lässt du sie gleiten. Klang der Melodie,

der Ödnis starker, ständiger Vernichter.
Du willst was schreien, anders war es nie,
du willst was schreiben, warst nur nie ein Dichter…

VIII

Du willst was schreiben, warst nur nie ein Dichter.
Auch Liebesschwüre damals - ungereimt.
Die Liebe hat bei ihr doch nie gekeimt,
und bunte Farben wurden dann zu schlichter,

fast öder, träger, stummer Lebensweise.
Du willst den Brand im Hals schon wieder spüren
um die Verzweiflung wieder mal zu schüren.
Dein Leben dreht mal wieder gleiche Kreise:

Von Bar durch Stadt und von der Stadt zur Bar,
die jeden Abend öffnet, dich empfängt.
Dein Leben ist nicht das, was es einst war.

Verzweiflung wird von kühlem Nass versengt
und in den Träumen bist du stets ein Star.
Das Dasein wird von deiner Bar bedrängt.

IX

Das Dasein wird von deiner Bar bedrängt
und du machst kehrt und suchst dir deinen Weg.
Du kennst ihn, deine Sucht ist der Beleg,
denn du bist es, der sich die Gründe fängt.

Die Sonne wandert himmelabwärts nun,
in deinem Blickfeld tanzen bunte Sterne.
Dein Blick verliert sich in der weiten Ferne,
du wartest auf dein nachtnächtliches Tun.

Du denkst schon wieder an die Lederhocker,
dort neben dir saß meist ein junges Paar.
Ihr Lachen klang so ungezwungen, locker.

Und ihr Verhältnis war dir immer klar,
der junge Mann war, gleich dir damals, Rocker.
Dort warst du, und das jeden Tag im Jahr.

X

Dort warst du, und das jeden Tag im Jahr,
du sahst so viele Menschen kommen, gehen,
und einer nur, nur du, bliebst immer stehen.
Und mittlerweile hast du graues Haar.

Nur wenig Strecke liegt noch zwischen euch,
der Bar und dir, dem Leben und dem Tod,
das Schild glitzert von weitem dunkelrot,
du hörst das dir bekannte Türgeräusch.

Ein Nicken, als du durch die Türe gehst,
der Tresen, der dich einladend empfängt.
Und während du allein im Gastraum stehst

erkennt du deinen Hocker, der dich drängt,
zu sitzen. Langsam ruhst du und verstehst.
Und Gin und Cola wurden oft vermengt.

XI

Und Gin und Cola wurden oft vermengt,
Geschmack, der dich erinnert, Freude hegt
sie war es, die Erinnerung gelegt,
und dich mit ihrer Abweisung erhängt.

Das erste Glas steht leer schon auf dem Tresen,
das Rockerpärchen nähert sich, du grüßt.
Das Mädchen lächelt zu dir und versüßt
die Andenken, die langsam schon verwesen.

Ihr Lächeln damals war so bittersüß,
du legtest ihr Gefühle offen dar.
Doch war es sie, die dich darauf verließ.

Du siehst bis heute niemals die Gefahr,
doch weißt noch immer, wie das Fräulein hieß.
Es ist und war wahrhaftig wirklich wahr.

XII

Es ist und war wahrhaftig wirklich war,
dein Leben neigt sich bald dem Ende zu
und immer noch, noch immer wartest du
auf dieses Lachen, das dir heute gar

Von Fremden schon erfülltes Glück dir bringt.
Du hörst noch ihre leise Melodie,
die sie, und anders war es wirklich nie,
in Träumen jeden Tag nur für dich singt.

Du hörst noch, wie ihr Lied oft nächstens klingt,
in das dein Lauschen sich noch stets verfängt.
Du spürst dein Herz, merkst, wie es drängend springt.

Das dritte Glas, das die Gedanken sprengt,
du der, der stets um seine Fassung ringt,
denn niemals wurdest du dort eingeengt.

XIII

Denn niemals wurdest du dort eingeengt,
dein Blick ist meistens dann nach vorn gerichtet.
Und während du Gedankenlicht gesichtet,
bist du es selbst, der sich ins Dunkel zwängt.

Ein tiefer Schluck. Die Reihe wird erweitert,
von Glas zu Glas, wie auch von Tag zu Tag.
Du warst es, der in Träumen wachend lag,
du warst es, der in Wirklichkeit gescheitert.

Und draußen hupt ein Auto viel zu laut
Gedanken deinerseits, sie rufen „Fahr!“,
als sich der Ton in deinen Ohren staut.

Zu deinem Denken streust du noch ein paar
Erinnrungsfunken. Hast du dir vertraut?
So sitzt du heute da - in deiner Bar.

XIV

So sitzt du heute da - in deiner Bar
und lächelst manchmal leis in dich hinein.
Und könntest vor Verzweiflung manchmal schrein,
und vor dir reiht sich eine Gläserschar.

Und wenn das Licht den Dunkelheiten weicht,
und du volltrunken aus der Türe gehst,
dann weißt du, dass du abends wieder stehst,
und hoffst, dass du den Tag erlebst. Ganz leicht

ist das Verlangen, endlich anzukommen
und Wochen zu erklären, da. Zu viel
an Trauer, keiner hat sie dir genommen.

Du brauchst das eine, wahrheittragend\' Ziel,
das du in deinen Träumen schon erklommen.
Spielt Leben meisterhaft sein buntes Spiel?

XV

In mancher dunkelschwarzen kalten Nacht
spielt Leben meisterhaft sein buntes Spiel.
Und psychisch ganz und gar komplett labil,
auch wenn die Existenz darüber lacht,

erwartest du des Lebens dunklen Richter.
Doch trotzdem willst du immer wieder mehr,
denn Leben war auch wirklich niemals fair.
Du willst was schreiben, warst nur nie ein Dichter,

das Dasein wird von deiner Bar bedrängt.
Dort warst du, und das jeden Tag im Jahr,
und Gin und Cola wurden oft vermengt.

Es ist und war wahrhaftig wirklich wahr,
denn niemals wurdest du dort eingeengt.
So sitzt du heute da - in deiner Bar.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Jana Wue., herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Ein sehr schöner Einstand ist Dir gelungen, ein Sonettenkranz als Kettengedicht.

Herzlich willkommen.

Viele Grüße von Bernd

Redakteur in diesem Forum
 



 
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