Inferno (gelöscht)

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Epistula

Mitglied
nochmal ich,

ich glaube diesen Text kann nur jemand würdigen, der sich mit diesem Thema auskennt - wie du es anscheinend auch tust.

Ich finde einfach, du hast eine saugute Schreibe, gefällt mir (3 oder 4 Texte gelesen)

aber dieser war der Hammer - für mich.

daher volle Punktzahl ;-) und lG
 
S

Steky

Gast
Dein Text

Ich glaube der Text wäre der absolute Hammer, wenn du nicht so viele Sätze mit Beistrichen verbinden würdest, die eigentlich getrennt stehen sollten. Wie gesagt: ein bisschen am Feinschliff arbeiten, dann ist diese Geschichte top. LG Steky
 

Ofterdingen

Mitglied
Hallo Luisa,

"Noch heute, wo ich fünfundsechzig Jahre alt bin, wo mich die Biegungen meines Körpers krumm gemacht haben, jedes heisere Lachen meine Lunge zerreißt, mein Blut quälend langsam durch mich hindurch fließt, verstehe ich das Leben nicht."

Entschuldige, aber dieser Satz ist sprachliche Barbarei. Es könnte zum Beispiel etwas besser heißen:

Noch heute, ich bin (mittlerweile) fünfundsechzig Jahre alt, die Biegungen meines Körpers haben mich krumm gemacht und jedes heisere Lachen zerreißt meine Lunge, noch heute verstehe ich das Leben nicht."

Was das Blut betrifft, das "quälend langsam durch mich hindurch fließt", das ist ein arges Klischee, wirkt peinlich, sollte besser wegbleiben. Wer das liest, denkt: Warum geht sie nicht zum Arzt und lässt sich Tabletten verschreiben, die das Blut dünnflüssiger machen?

Gruß,

Ofterdingen
.
 

Louise

Mitglied
Beitrag Ofterdingen

Hallo Ofterdingen,

mir sind meine grammatikalischen "Ausfälle" durchaus bewusst. Gehen wir mal davon aus, dass nach dreißig Jahren Schreiben Absicht im Spiel ist. Möglich ist auch: es ist noch nicht einmal Absicht. Es kommt so aus mir heraus und ich nehme es, wenn es mir gefällt. :)

Danke für deine Auseiandersetzung mit meinem Text.

Gruß von Louise
 

Louise

Mitglied
Beitrag Steky

It's done. :) Meine Zufriedenheit hält sich noch in Grenzen. Meinen Impuls auf eindeutige Sätze zu verzichten, kann ich auch heute noch nachvollziehen. An manchen Stellen frage ich mich, welche Form einer Interpunktion ich für sinnvoll erachte.

Immerhin: hoffentlich habe ich "verbessert" und nicht "verschlimmert.

Louise sagt: danke
 

Val Sidal

Mitglied
Louise,

das ganze Erwachsenenleben der Protagonisten in weniger als zehntausend Zeichen zu fassen ist ein sportliches Vorhaben. Es verwundert nicht, dass der Text wie TV-gehetzt rüber kommt. Ich sehe förmlich die flink geschnittenen Bilder und höre die emotionsgeladene Stimme aus dem OFF:
Damals im Ministerium und ich mit der Suppenkelle in der Hand oder mit einem Messer oder mit einem Löffel, immer den Kopf nach unten. "Was darfs sein? Eine Bohnensuppe oder lieber ein Stück Kassler?".

>Schnitt<

Und du ganz hinten in der Schlange, hungrig von den Briefen, hungrig von den Worten- "Hier, mein Fräulein. Ein ganzer Stapel Briefe oder auch nur drei oder vier Briefe." Hungrig von den Paketen, schwere Pakete, leichte Pakete, große Pakete, kleine Pakete. "Das hier sieht aus wie ein Geschenk. Finden Sie nicht auch?"

>Schnitt<

Und ich den Kopf nach unten, aber bei dir die Augen nach oben gerichtet, dich angesehen, ein Lächeln, ein paar Sätze,

>Schnitt<

schließlich ein Tanz. Deine Hände an meinem Rücken, deine Lippen an meinem Hals, und dann.

>Schnitt<


Karl und Luise, Luise und Karl.“
Der Text bleibt am flachen Profil der Figuren kleben und fliegt flott von den Lippen des Autors.

Sie (Figuren und Autor) sind berechenbar und berechnend. Keine Überraschungen: Der Alkoholiker erreicht das Delirium, ihn trifft der Schlag (Leberzirrhose wird unerwähnt auch im Spiel sein) und muss, schon dement, das Lamento seiner Frau ertragen. Und das ist schwer zu ertragen. Denn Ihr langer Monolog ist oberflächlich, unlauter und dient nur zur Vertonung der Melodie vom alten Lied: Was für eine Tragödie!
Warum sind die Briefe schwer geworden, Karl? Warum sind die Pakete schwer geworden? Warum keinen Hunger mehr, sondern Durst? Warum den Bodensee verloren, Paris, die Adria?
Der Text lässt den Figuren keinen Lebens- und Spielraum. Wäre auch gefährlich, müsste er sonst doch noch genauer hinschauen, sie aus dem Klischee herausbrechen lassen, und ihnen Individualität – das Recht auf ein ICH zugestehen. Stattdessen lässt er die Protagonistin lügen:

Mir wurde es nie zufiel mit dir, Karl. Mir wurde nichts zufiel, nicht die Spinnen, die Kröten, die Ratten, die Schlangen. Und du im Bett um dich schlagend, die Haut aufkratzend, an der Decke zerrend.
Man stelle sich vor, in welche Bredouille die Geschichte geriete, wenn die Protagonistin, jetzt wo ihr Mann keine Stühle mehr schmeißen kann, zugeben würde, dass ihr die Sucht ihres Mannes sehr wohl zuviel wurde. Dass sie sich manchmal fragte, ob sie daran Mitschuld trüge. Dass sie tausendmal geschworen hatte, bei der nächsten Eskalation, sich scheiden zu lassen, es aber nie gewagt ... Dass sie zu feige wahr, ein neues Leben zu beginnen usw.

Wie sehr der Text auf Effekte aus ist, zeigt die folgende Passage:
Ich klopfte an Türen. "Meinen Mann hat der Schlag getroffen." Ich hämmerte mit den Fäusten gegen Türen. "Macht mal jemand auf? Meinen Mann hat der Schlag getroffen." Ich zerkratzte mit den Fingernägeln den Lack der Türen. "Mach doch mal jemand auf." Aber nichts.
Die emphatische Erhitzung der Szene durch die Wiederholung („...an Türen“, „,,, gegen Türen“, „... Lack der Türen“) gelingt nur scheinbar, denn die Szene ist unglaubwürdig: Die Protagonistin würde vielmehr 112 wählen, evtl. Widerbelebungsmaßnahmen versuchen oder schlichtweg durchdrehen.

Der Schluss schmerzt:
Nichts mehr geblieben, nur noch Augen, die bitten. 'Ein Schlückchen, Luise, nur ein ganz kleines Tröpfchen. Gerade soviel um die trockene Zunge zu erfrischen.' Es ist nichts mehr geblieben, Karl, nur noch die Pflegerin heute Abend. "Er ist fertig. Dann bis morgen früh."
Trappatoni war in seinem Drama dagegen authentisch und unterhaltsam : „Habe fertig! Flasche leer!“

Fazit: Die Geschichte gefällt mir nicht. Der Text ködert den Leser mit stilistischen Manierismen, um ihn dann leer ausgehen zu lassen: knappe Lebenszeit auf das Lesen geopfert und nichts bekommen.
 

Ofterdingen

Mitglied
Ich finde, Val S. beurteilt den Text fair und zutreffend. Ob die Verfasserin etwas davon umsetzen wird, möchte ich jedoch eher bezweifeln. Sie wird vermutlich jede Plattheit im Plot, jede Schwäche der Figurenzeichnung, jedes Klischee, jede sprachliche Barbarei und selbst noch Eigenwilligkeiten der Rechtschreibung ("Mir wurde nichts zufiel") als absichtsvoll eingesetzten Kunstgriff herausstellen, als funkelndes Juwel einer Autorin, die in dreißig Jahren alles über Edelsteinschleiferei gelernt hat.
 
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