Das ist ein spannende Frage…
Richtig Kunst wird es, wenn der Ich-Erzähler (ohne sehr überzeichnet oder anderswie als Kunstfigur kenntlich gemacht zu werden) eine andere Meinung hat als der Autor und man das als Leser auch noch erkennen kann. Die Kunst besteht in BEIDEN Seiten dieses Problems: Erstens ist es unglaublich schwer, einen Ich-Erzähler (oder jeden anderen Fokus tragenden Protagonisten) rundum glaubwürdig zu schreiben, wenn man selbst an andere Sachen glaubt. Und wenn man es doch hinkriegt und dann noch so hinkriegt, dass der Leser eben nicht Held und Autor gleichsetzt, dann ist das genial. Die Frage zu untersuchen, wie er das macht, ist dann sehr wohl Gegenstand literarischer Betrachtungen…
Im Übrigen wird – glaub ich – in Fällen wie dem von dir genannten, Zefira – immer jemand aufheulen. Weil: Wenn der Protagonist wirklich glaubwürdig geschrieben ist, wird ein Sog entstehen, der den Leser sich mit dem Helden zu identifizieren drängt. Wenn der Leser dann – nachdem er sich selbst im Helden sieht – eine Meinung sagen/denken liest, die nicht seine ist, schlimmer noch: die gesellschaftlich verpönt ist, wird automatisch die Abwehr kommen: "Wie kann der Autor es wagen, mir das zu unterstellen!" Natürlich denkt er nicht "mir", so weit reicht die Trennung zwischen Buch und Wirklichkeit schon, aber dieses "Wie kann er es wagen!"-Gefühl ist da und drängt an die Luft…
Zurück zum Thema Inhalts-Diskussion: In so einem Fall wird "man" dann natürlich über den Inhalt diskutieren – wo der Denk/Fühlfehler des Protagonisten liegt (schon. um sich selbst zu beweisen, dass man selbst doch besser ist als „der Typ“). Das hat dann aber nichts mehr mit literarischer Diskussion zu tun, sondern mit dem, was Literatur eben auch – oder vor allem (?) – soll: Lebens-Diskussionen auslösen.