Hi cecil!
Cool, dass Du in Deinem Kommentar auf Lichtenstein anspielst, der in meiner lyrischen Schreibwerdungsphase sicherlich auch eine wichtige Rolle spielt. Im Gegensatz zu seinem Gedicht "Dämmerung" wirkt Dein Text auf mich weitaus planvoller, nein, das ist noch keine gute Bezeichnung... wie könnte man es sagen... vielleicht in bewusster Doppeldeutigkeit: Über-dacht: Der Text bewegt sich unter dem Dach (der Durchdenkung) seines Autors und das führt dazu, dass das Gedicht sich in der letzten Strophe quasi selbst erklärt.
Bis dahin, in den Strophen 1 und 2, ist das vom Lichtenstein'schen Reihungsstil gar nicht so weit weg, dem Leser werden die Bilder unverbunden und ohne interpretierende Meta-Ebene angeboten.
Das ändert sich dann mit der letzten Strophe, die das ganze Geschehen in einen Sinnzusammenhang stellt und Ursache und Wirkungen benennt: Der Wind ließ die Äste schwanken, die schwankenden Äste führten zum Kuss. Ich will nicht sagen, dass wir hier schon in einer ganz deterministischen Welt angekommen sind, einige Umkehrungen in der Ereigniskette bleiben denkbar, so könnten die Äste wohl auch unter dem Kuss ins Schwanken geraten sein. Insgesamt wird die Welt hier aber etwas enger, ausgerechnet im Moment des Kusses.
Man hört wahrscheinlich raus: Ich persönlich hätte eine etwas unüberdachtere Reihung bis zum Ende noch einen Tick schöner (weil eben offener) gefunden, aber auch so gefallen mir Deinen Zeilen sehr. Ich mein, hallo, es kommt zum Kuss, was kann in einem Gedicht besseres passieren? Gibt es nicht ein Goethe-Zitat, wonach Gedichte Küsse an die Welt sind?
LG!
S.