Ist die Lorelei in Wirklichkeit eine Spreewälderin ?

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Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ein Gurkenbauer aus dem Spreewald
war zu Besuch in Lübbenau.
Man nennt ihn nur den "Fusel-Ewald".
Auch heute ist er mächtig blau.

So schwanken beide auch recht heftig,
der Ewald und sein schlanker Kahn.
Trotz wilder Flüche - grob und deftig,
kommt er recht langsam nur voran.

Und Ewald ist schon bald am Schwitzen.
Die Reue springt ihn an mit Macht.
Was mußt' so lang beim Bier er sitzen?
Es dämmert schon, bald wird es Nacht.

Durch schwüle Luft die Mücken schwirren,
gar gierig witternd blaues Blut.
und Ewald läßt sich glatt beirren,
denn er vergaß im Suff den Hut.

Die linke Hand meist an der Glatze,
damit ihn keine Mücke sticht,
führt's Rudel* er mit einer Tatze,
was leider wenig Fahrt verspricht.

So quält er sich durch all die Fließe.
Zum Unglück geht's auch noch stromauf.
Und keuchend kriegt er nun die Krise.
Die Flüche sterben im Geschnauf.

Und auf der Höhe "Leipsche Grobbla"*,
da fühlt er sich schon matt und mies.
Doch plötzlich stutzt er und grunzt: "Hoppla!
Ihr Gurkengötter, was ist dies?"

Er schaut gebannt wohl in die Richtung,
aus der ein Lied herüber weht.
Grad vor ihm auf der kleinen Lichtung
Ne Maid direkt am Ufer steht.

Sie winkt mit einer Dose Radler,
die in der rechten Hand sie hält
und singt das Lied vom "Roten Adler"*
was Ewald ungemein gefällt.

Sie dehnt den nackten Körper wohlig,
vom ersten Mondstrahl weich umspielt.
Als Ewald denkt :'Potz Blitz, die hol ich',
er seine Kräfte wachsen fühlt.

Die Maid, sie hält im Singen inne,
starrt auf den Mann in seinem Kahn,
der Böses will, weil seine Sinne,
den Lenden plötzlich untertan.

Erschröckt bedeckt sie ihre Blöße,
was mit zwei Händen schwer ihr fällt.
Voll aufgereckt zu ganzer Größe,
so nähert sich der trunk'ne Held

Die Gier verleiht ihm förmlich Flügel.
Er treibt den Kahn mit aller Macht.
Doch wenig unter'm Wasserspiegel -
ein tückisch Pfahl - es knirscht und kracht.

Der Kahn liegt schief, es bricht das Ruder.
des Ewald's Gleichgewicht - hinfort.
Ein irrer Blick zum nackten Luder,
dann geht kopfüber er von Bord.

Es ist nicht tief, doch welch Misere!
Der Schlamm, der ist hier meterdick.
Und Ewalds Kopf, mit wucht'ger Schwere,
der bohrt sich tief in diesen Schlick.

Ein wenig zappeln noch die Beine,
und ein paar Blasen steigen auf.
Es nützt ihm nichts, und auch die Kleine
nimmt Ewalds frühen Tod in Kauf.

Sie löst sich auf in blauen Dünsten.
Ihr Kichern nur durcheilt die Nacht.
Sie hat mit ihren magisch Künsten
den armen Ewald umgebracht.

Drum merke, jeder, der im Spreewald
dem Wassersporte fröhnen will,
er sollte denken an den Ewald
und bleiben stets bei N u l l Promille.


Worterklärung:

Rudel - bis vier Meter lange Holzstange mit einer dem ........Ruderblatt ähnlichen Erweiterung am unteren Ende.

Leipsche Grobla - Name eines der vielen Spreewaldfließe .................(kommt aus dem Sorbischen)

Lied vom Roten Adler - eine Art Brandenburgische .......................Nationalhymne,die bei jeder passenden .......................und unpassenden Gelegenheit inbrüstig .......................abgesungen wird.
 
R

Rote Socke

Gast
Als Rheinland-Pälzischer Bub...

...protestiere ich entschieden, die liebe Loreley sei eine Spreewäldlerin.

Aber interessant war die Geschicht' vom Gurkenbauer allemal.

Schöne Grüße
Volkmar
 
B

Bruno Bansen

Gast
Spreewald

Na das war ja eine Freude - lange nichts von Dir gehört, lieber Ralph, jedenfalls nichts Eigenes! Und dann gleich so'n (im wahrsten Sinne des Wortes) großartiges Werk! Also, sollten sich alle Binnenschiffer merken, das Stolpern innerhalb eines Binnengewässers sollte man vermeiden, denn: die Loreley ist überall, auch wenn sie vielleicht Elfriede oder Käthe heißt! Apropos "Stolpern: Vers 14 und 15 beinhalten je eine kleine Stolperstufe: In Zeile 14 würde die Betonung weiterhin auf der 2. Silbe liegen, wenn Du sagen würdest

"des" Ewalds Gleichgewicht - hinfort

und in der letzten Zeile des nächsten Verses

"der" bohrt sich tief in diesen Schlick.

Auch nach mehrmaligem Lesen, falle ich an diesen Stellen immer wieder auf die Betonung der 2. Silbe, die sonst immer durchläuft, kann aber auch von mir 'ne Macke sein.

Köstlich wie die Spreewälder Gurken, dieses Drama!!!

Grüße aus dem Norden

von Bruno!
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo ihr,
vielen Dank für eure netten Reaktionen.

@ Rote Socke
dein leidenschaftlicher Protest hat mich nicht mehr ruhig schlafen, aber dafür fieberhaft recherchieren lassen. Und richtig! Mein als Frage gedachter Titel ist überholt. Es handelt sich nicht um die Lorelei, sondern um eine nur schlecht als solche getarnte Spreewälderin. Verraten hat sie sich nicht nur mit dem Roten Adler, sondern vor allem durch ihre Immunität gegen Mückenstiche. Wer sich an einem Sommerabend splitternackt auf einer Spreewaldwiese tummelt, kann nur bekloppt oder einheimisch sein.


@ Bruno
wow, voll erwischt!!! Da habe ich nun stundenlang betonte und unbetonte Silben übers Papier geschoben und... dann das! :))
Deine Vorschläge habe ich gleich eingearbeitet. Schön, daß es noch Leute gibt, die noch Wert auf Rhytmus und Versmaß legen und was davon verstehen. Ich muß wohl "betriebsblind" gewesen sein. Danke Bruno.

Grüße aus Randpolen von
Ralph
 
Lieber Ralph,
ein kleines Meisterwerk, fürwahr!
Bin hin und weg.
Einfach toll geschrieben
findet Willi

und schaut noch einmal neidisch nach oben.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

ralph! der erste herzhafte lacher an diesem morgen und ich verdanke ihn dir. das kommt natürlich in meine sammlung und wird - mit deiner freundlichen genehmigung - zu weihnachten der familie vorgelesen. ganz lieb grüßt
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke Christa,

das gibt Auftrieb und hilft vielleicht, meine momentane Schreibfaulheit zu lindern.
Der Familie vorlesen? Genehmigt. Hauptsache, die Lieben schlafen angesichts der Überlänge des Gedichtes nicht schon vor der Bescherung ein. :))

Gruß Ralph
 
B

Bruno Bansen

Gast
nix mit meckern...

Hi Ralph!

Diese Gurke mußte noch mal ganz nach vorn, dieweil sie so köstlich wie nur was ist!!! Perfekt im Reim, perfekt die Story, die Pointen - einfach genial. Das isses, was ich liebe!

Viele Grüße

von Bruno
 

McFire

Mitglied
Gurkeley

Zeilen, so köstlich wie die grünen Dingens der Gegend.

Ich werd dann aber doch nochmal da hin fahren, mit Katamaran und Schwimmweste und Fotoapparat....
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Michael,

es freut mich, dass Du diesen mitlerweile recht verstaubten Schinken ausgebuddelt hast und noch mehr, dass er dir gefällt. Letzte Strophe disharmonisch? Du siehst mich nicken. Ich weiß das klingt nach dem vor langer langer Zeit so oft angefügten: "Und die Moral von der Geschicht..."
Da ich dieses Gedicht aber regional vorstellen möchte, hielt ich die vier Zeilen mit dem Hinweis auf die immer noch reichlich anzutreffenden "blaublütigen Spreewaldkapitäne" für angebracht. Aber na ja...hm... weiß nicht recht....vielleicht streich ich es doch.

Gruß Ralph
 
H

Heidrun D.

Gast
Voll aus dem spreewäldischen Leben gegriffen, vermute ich fachmännisch, wenn ich auch die Meinung eines Kommentators über euer Hauptexportgut, nämlich die "köstlichen grünen Dinger" so gar nicht teilen kann. - Am ersten Tag meiner Feldstudien war ich den Eingeborenen und ihren Sitten gegenüber noch von großer Offenheit und ließ mir direkt ein Gurkenbier andrehen. Doch:
O Wanderer kommst du zum Wald,
so kürzt es den gastlichen Halt,
wenn trinkst du vom Bier jener Gurken,
verkauft bei den Fließen von Schurken!
In diesem Sinne
gemüsefreie Grüße
Heidrun
 



 
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