kain

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Label

Mitglied
Lieber Ralf Langer

ich lese einen hochverdichteten Text, der durch geschickte Wortwahl ins Pro und ins Contra zum Thema weist.
Viel Stoff zum Nach- und Weiterdenken.

kain glück :
ist eine welt
ganz ohne gott
zu denken ;
seit es das denken gibt
es auch ein ich
das nicht vergibt

hier fehlt mir irgendein Wort, das zwischen den beiden Gedanken vermittelt und verbindet. zB. ist/ besteht/

doch nur der gott
ein mal - sein zeichen
das wir uneinsichtig
weiter tragen
als wär es keins

der letzte Vers ist ein brillianter Brückenschlag zum Ersten.
es ist m.E. überlegenswert auch hier die unmittelbare Anspielung zu Kain zu wählen, i.e. als wär es kains

gefällt mir gut, dein Gedicht und vielleicht kannst du mit meinen Anregungen etwas anfangen.

lieber Gruß
kainabel ;)
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo label,

herzlichsten dank für deine meldung. ich befürchtete schon das dieses stück ohne meldung bleibt. es ist ja sehr verkopf, verdichtet.

in der tat: hier habe ich versucht sehr viele lesarten um die kainsgeschichte hinein zu weben. durchaus auch widersprüchliches.

die erwähnte stelle bezüglich des enjambements ich hatte rste ine version die sprachlich "leichter" über das zeilenende hinausführt, in dem ich einen relativsatz eingeführt hatte:

kain glück :
ist eine welt
ganz ohne gott
zu denken ;
seit es das denken gibt
es auch ein ich,
das sich nicht - vergibt
doch nur der gott


zusätzlich das sich

im laufe meiner überlegungen entschied ich mich aber dagegen.
es scheint mir so sprachlich kohärenter sozusagen besser in form, vielleicht zu ungunsten des verständnisses.


Ja das letzte wort keins oder kains. hm, ich wollte eigentlci nicht doppeln, wollte auch das der leser hier als erstes erfährt, das kein(e)s hier meine erste gewollte lesart ist.

da werde ich noch einmal drüber nachdenken.

bis hierhin herzlichsten dank
ralf

PS: wie ich in der titelzeile wollte das als erstes KAIN ins auge fällt, durchaus aber trotzdem "kein glück" auch gemeint ist
 

Label

Mitglied
eine SEHR unorthodoxe idee , die den Wortlaut nicht verändert, aber das Verständnis erleichtert


es auch ein ich
das nicht ver
gibt
doch nur der gott
ein mal - sein zeichen


kain glück - war für mich sofort auch als kein Glück lesbar, habe aber beim ersten Lesen den Kain im letzten Vers überlesen. Deshalb die Anregung. Möglicherweise sind andere Leser aber aufmerksamer als ich.

Label
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo label, nur noch mal der deutlichkeit halber

an der stelle:

....
seit es das denken gibt
es auch ein ich
das nicht vergibt
doch nur der gott
ein mal - sein zeichen
....
das vergibt gehört zum ich
und zum gott

der gott vergibt sein zeichen
der gott vergibt( zum beispiel hier die schuld)

also einmal eine VERGABE einmal VERGEBUNG

lg
ralf
 

Label

Mitglied
Hallo Ralf Langer

dass "vergibt" zweifach eingebunden ist, war mir schon klar. Nur nicht sofort.
Es ist dein Gedicht, für dich muss es stimmig sein.

Wäre es meines, würde ich die Stelle so gestalten, dass dies leichter zu erfassen ist. Kann aber auch sein, dass ich zurzeit zerstreuter als sonst bin.

lieber Gruß
Label
 
O

orlando

Gast
kain glück :
ist eine welt
ganz ohne gott
zu denken ;
seit es das denken gibt
es auch ein ich
das nicht vergibt
doch nur der gott
ein mal - sein zeichen
das wir uneinsichtig
weiter tragen
als wär es keins
Ja, ja das "Glück."
Bedenkt man, dass der Mensch, der Staubgeborene, das Geschöpf des 6. Tages, dem Alleinigen zum Bild- und Gleichnis dienen sollte, steckt allein in dieser Vorstellung die Vergänglichkeit jedweden menschlichen Strebens und Seins. Was Staub ist, muss Staub werden.
Kann dem vergeben werden, der sündhaft über alle Maßen ist und seinem Schöpfer tagtäglich als Spottgebilde erscheinen muss, ganz im Gegensatz zu den Cheruben und Seraphen, den "Erstgeborenen" (Feuer & Geist)?
Dient vielleicht das Kainsmal der immerwährenden Unterscheidung nach außen ("Seht, dies bin nicht Ich")und zeigt gleichzeitig den Einzug des freien Willens in den frisch Erschaffenen auf? Des freien Willens, der stets ein Ja und ein Nein birgt, die Glanzleistung und die Verfehlung, wobei letztere Adams Konto zugerechnet werden kann und von ihm selbst auch zugerechnet wird, wie du sehr treffend andeutest.
Könnte das Glück nicht gerade darin liegen, dass es dem fehlbaren Menschen zunächst einmal gelingt, sich selber anzunehmen?

Ich finde dein Gedicht überaus spannend und ergiebig, wunderbar verdichtet und klug. Gut, dass du ein Bestandteil der Lupe bist.

Herzliche Grüße
Heidrun

[Falls du dich noch näher mit diesen zentralen Fragen beschäftigen möchtest, kann ich dir Ahasver von Stefan Heym empfehlen, eine geistreiche und unaufdringlich-amüsante Auseinandersetzung zwischen den dialektischen Materialisten der DDR und einem fiktiven Professor der Hebrew University, Jerusalem. Köstlich!]
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Orlando,

Könnte das Glück nicht gerade darin liegen, dass es dem fehlbaren Menschen zunächst einmal gelingt, sich selber anzunehmen?

Dient vielleicht das Kainsmal der immerwährenden Unterscheidung nach außen ("Seht, dies bin nicht Ich")


Diese Überlegung zum Kainsmal finde ich höchst spannend. Aus dieser Perspektive habe ich diesen Mythos noch nicht durchdacht.

Ja, das der Alleinige dem Menschen ein Zeichen gibt um ihn auf immer von sich selbst zu unterscheiden, das ist mehr als nur Allegorie.

Immerhin sind eir alle „Söhne“ Kains. Der gute „Abel“ starb ohne Kinder.
Und irgendwie hat es er mit seinen Nachfahren auch geschafft die Sintflut zu überleben. Wir tragen sozusagen modern gesagt alle den genetischen Fingerabdrucks Kains. Wir tragen ihn unsichtbar, aber vielleicht doch nicht so uneinsichtig wie ich formulierte.

Denn, wie du sagtest: im sich selber annehmen liegt auch Befreiung. Es ist nicht Vergebung, die scheint mir sozusagen „unmenschlich“. Nein, Vergebung ist götlliche Intervention, und so liegt in der Doppeldeutigkeit des Vergebens – nämlich eines Zeichen und der Schuld – die Tragik des Seins.

Aber es waren dioe Erben Kains – nach dem alten Testament – die die Flöte und ihr Spiel „erfanden“.

Ich will glauben, das aus der Annahme des Frevels gegen Gott, aus dem Spannungsfeld von Schuld und dem Leben damit, etwas erwuchs, etwas metaphysisches, das über das weltliche hinausreicht:
die Kunst.

Das finde ich einen ehrbaren Gedanken

lg
Ralf
 
O

orlando

Gast
Ich will glauben, das aus der Annahme des Frevels gegen Gott, aus dem Spannungsfeld von Schuld und dem Leben damit, etwas erwuchs, etwas metaphysisches, das über das weltliche hinausreicht:
die Kunst.
Ja, das ist vermutlich richtig. Der Ur-Frevel nährt sich vom Baum der Erkenntnis, welcher die Menschen das (freie) Sehen lehrte, die Grundvoraussetzung aller Kunst. -
Dies funktioniert übrigens genauso, arbeitet man mit den Kategorien der Psychoanalyse, setzt also statt des Gottes (religiöser Mythos) (s)ein Über-Ich (Mythos als Projektion menschlicher Probleme) - mal abgesehen davon, dass der frühe Freud natürlich genau in solchen (religiösen) Verknüpfungen dachte und schrieb; das war er schon seiner Herkunft schuldig.
Für mich sind
seit es das denken gibt
es auch ein ich
das nicht vergibt
ohnehin die zentralen Verse des Gedichts - aber ich glaube, das erwähnte ich schon.

Mir bleibt noch, dir ein herzliches Dankeschön für deinen Antwortkommentar zu sagen; du ahnst gar nicht, wie froh es mich stimmt, hier nicht gänzlich in zähen Wattewolken zu verschwinden.
orlando
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi Ralf Langer

das ist eben die Crux der heutigen Lyrik: Die Lyriker schreiben nur noch für Lyriker. Aber mal ganz nebenbei: Dieser Stil ist out. Die Lyrik besinnt sich wieder auf sich selbst, es wird wieder gereimt, ein Gedicht, das man beim ersten Lesen versteht, ist nicht mehr verpönt, die Geheimniskrämer haben abgedankt, ich verweise zum Beispiel auf Rap, der die Dinge ungeschminkt beim Namen nennt. Bei deinem verschwurbelten Gedicht muss man sich nicht wundern, dass außer Lyrikern kaum noch jemand Lyrik liest, geschweige kauft.

Du fragst in deinem Kurzgedicht, ob eine Welt ohne Gott zu denken ist. Schon die Fragestellung gibt indirekt eine Antwort: Nein! Wäre es anders, würdest du eine These aufstellen: Es ist gibt eine Welt ohne Gott.

Dann weichst du auf das Denken aus und versuchst das irgendwie zu erklären: Seit es das Denken gibt, gibt es auch ein Ich, das nicht vergibt. Nun ist es wohl recht einsichtig, wenn ich behaupte, der Mensch denkt, seit er Mensch ist, also sein Gehirn benutzt, dadurch unterscheidet er sich eben vom Tier. Ein Ich, bedingt durch die christliche Religion, gibt es aber erst seit den mechanischen Materialisten, erst im Kampf des Bürgertums gegen den Feudaladel entdeckte der Mensch sein Ich, er begriff, dass es auf sein eigenes Handeln ankommt, nicht auf das, was sein imaginärer Gott über ihn bestimmt. Und das war erst im späten Mittelalter. Und wie verhält sich das nun mit dem Vergeben?
Wem oder was soll der Mensch nicht vergeben? Reiner Formulierungsschnörkel? Da du im Folgenden darauf zurückgreifst, könntest du dir diesen Passus sparen.

Weiter geht es: Nur Gott vergibt. Die Existenz Gottes wird also von dir als Autor nicht in Frage gestellt.

Das Vergeben ist das Mal Gottes, sein Zeichen, das wir uneinsichtig weitertragen, als wäre es keins.
Wie soll ich das deuten? Nur der eingebildete Gott kann vergeben, der Mensch nicht, der ist fein raus, Gott tut es ja für ihn? Denke ich das weiter, dann ist gerade diese Passage eine Rechtfertigung für jede Barbarei, die man sich vorstellen kann, halb so schlimm, Gott vergibt dir ja.
Das ist auch der Sinn der katholischen Beichte, und gerade der Katholizismus hat nach zweitausend Jahren Verbrechen Vergebung ja nötig.

... das wir weitertragen, als wäre es keins - das übersetze ich mir, Menschen können nicht vergeben, sie müssen es auch nicht, füge ich hinzu, das tut ja ihr Gott. Eine sehr bequeme Religion.

Zusammenfassend schätze ich das Gedicht als eine Rechtfertigung des Katholizismus ein, die ein obrigkeitliches Denken offenbart, denn schon immer ging die Kirche mit der jeweiligen Macht Hand in Hand gegen "die da unten". Sofern man in diesem Fall überhaupt von Denken sprechen kann, es handelt sich vielmehr um den bedingungslosen Glauben. Offensichtlich rechnest du dich nicht zu "denen da unten", sondern eher zu "denen da oben". Für mich hat es immer etwas Anachronistisches, wenn ein Mensch des 21. Jahrhunderts den Katholizismus verteidigt, nachdem die Geschichte der christlichen Kirche nachgewiesenermaßen eine einzige Anhäufung von Verbrechen ist. Marx hatte da schon recht: Die Religion ist das Opium des Volkes, der gedemütigten Kreatur.
Mit der Religion kommt er auf keine dummen Gedanken, wie etwa Aufstände oder Revolutionen, die Religion macht ihn zum widerstandslosen Geschöpf.

Die Anspielung im Titel auf Kain wirkt auf mich doch recht aufgesetzt. Du hast das Gedicht fast bis zur Unverständlichkeit gerafft. Was die Seele eines Gedichtes ausmacht, die Poesie, vermisse ich jedoch. Poetische Besonderheiten, die erwähnenswert wären, sind mir nicht aufgefallen, lediglich das einmal eingesparte "gibt", das mich in dieser Zeilenanordnung allerdings stolpern lässt, und ein Enjambement.

Meine Einschätzung deines Gedicht unterscheidet sich von der Einschätzung meiner Vorgänger von grundauf, aber ich kann nur über das schreiben, was ich an Text vorfinde, und meine ganz persönliche Ansicht dazu äußern. Also nicht persönlich nehmen, sondern nachdenken, wo hat Einsprengsel recht, wo nicht.

Einsprengsel
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo einsprengsel,

da sind eine große menge thesen in deiner antwort auf mein gedicht "kain", die ich im moment im einzelnen noch nicht durchschaue. ein großer teil von dem was du sagst, erregt meinen widerspruch.
nun die menschen sind verschieden, ihre an und einsichten auch; auf eine replik deinerseits, sie ist lyrischer natur
möchte ich allerings eingehen.
du schreibst:

"Weiter geht es: Nur Gott vergibt. Die Existenz Gottes wird also von dir als Autor nicht in Frage gestellt."

nun stellt sich mir die frage, wie du darauf kommst, meine welt, also die des autoren zu kennen.
ich meine dies nicht arglistig, hinterlistig oder gar bösartig.
aber sind in deiner lyrischen welt der autor und das lyrische ich deckungsgleich?

hm, scheint mir recht fragwürdig. ich denke autor und lyrisches ich sind verschieden.

mag aber auch sein das das zu oldschool für dich ist.

aber zur klarstellung:

ich im text und der autor, den du nicht kennst sind nicht dasselbe. diese unterstellung trifft ins leere.

ich werde versuchen zu einem späteren zeitpunkt auf weitere details einzugehen.

lg
ralf
 
E

Einsprengsel

Gast
Hi Ralf Langer

ja, das passiert öfter, das das literarische Ich dem Autoren-Ich gleichgesetzt wird, aber eigentlich nur Leuten, die mit dem Umgang von Literatur nicht sehr vertraut sind.

Ein Autor sollte sich darüber aber nicht wundern, wenn er so unkritisch wie du an das Thema herangeht. Du zeigst keine neuen Erkenntnisse auf, dein Gedicht bietet auch inhaltlich
nur Bekanntes in deinem doch etwas anspruchslosen Text, du entwickelst keinen neuen Gedanken. Das aber ist die Voraussetzung eines Gedichtes, der Grund seines Daseins.
Der Text ist allzu schlicht, zu naiv, zuwenig durchdacht. Was hinzukommt: Auch wenn man dich persönlich nicht kennt, so kennt man doch deine Gedankenwelt, die du als Autor öffentlich machst.

Nun warte ich auf deine weitere Antwort, sobald du meinen kritischen Kommentar durchschaut hast.

Einsprengsel
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo einsprengsel,
ich habe jetzt eine zeitlang überlegt, wie ich mit unserem disput umzugehen gedenke.

ich ahbe noch ienmal beide repliken von dir zu meinem gedicht durchleuchtet.

nun ja, erst war ich wütend, fühlte mich in meiner eigegen art von eitelkeit, verletzt.

zorn ist aber ein schlechter ratgeber.

ich habe viele fragen, von denen ich mich aber nach reiflicher überlegung verabschiedet habe.

ich habe den dringenden verdacht,das sich hier ein schlachtfeldszenario zwischen uns beiden droht zu entwickeln.

aber, ich mache das nicht, neben das einfach nicht an, sondern entscheide mich für einen rückzug, den du wenn du möchtest gerne als einen sieg verbuchen kannst...

nun ja, mehr habe ich nicht zu sagen.

wünsche dir weiterhin frohes schaffen.

man liest sich

ralf
 



 
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