Kalender

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Perry

Mitglied
Hallo Franke,

die Kalender als Tages-, Wochen- oder Monatszähler werden nicht dünner, eher größer, farbiger und vielfältiger.:)
Der Lebenskalender, dagegen wird mit jedem Blatt, das wir abreißen dünner und einmal wird es das letzte sein.
Die Kalendermetapher gefällt mir gut, an der Ausarbeitung könntest Du noch etwas feilen.
LG
Manfred
 

revilo

Mitglied
das erinnert mich an das Adressbuch meines Vaters....es war in helles Leder eingebunden und hatte von aussen gesehen goldene Seiten....starb jemand jemand von den Bekannten,Verwandten, Freunden, machte er hinter den Namen ein Kreuz und trug das Todesdatum ein....irgendwann starb sein letzter Freund.....und das Büchlein war voller Kreuze.....

LG revilo
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Perry,

vielen Dank für die Beschäftigung mit meinem Gedicht.
Kannst du näher ausführen, was du mit feilen meinst?
Die Sprache allerdings habe ich hier bewusst einfach gehalten.

Liebe Grüße und schöne Weihnachten
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo revilo!

Danke, dass du meine Erinnerungen mit mir teilst. Ich bin voll davon und das Schöne daran ist, dass es fast durchwegs gute Gefühle sind.

Liebe Grüße und schöne Weihnachten
Manfred
 

Perry

Mitglied
Hallo Franke,

konkret meine ich, dass das Eingangsbild zu allgemein ist,
denn nicht alle Kalender werden dünner.
Im weiteren, wenn interesieren die "noch kommenden (Tage)",
wenn der (Todes)Tag gerissen ist.
In diesem Sinn weiter frohes Schaffen und LG
Manfred
 

Perry

Mitglied
Hallo Franke,

was könnte wohl an einem Tag -außer dem Lebensfaden- noch reißen, dass alle folgenden leer bleiben?
Vielleicht
- eine Verbindung im Gehirn, was eine Demenz etc. zur Folge hat,
- Schicksalsschlag der eine/n Liebste/n von der Seite reißt, oder
- der Geduldsfaden.:)
Wenn Du eine bestimmte Intention im Sinn hast, dann wäre ein kleiner Zusatzanstoß vielleicht hilfreich.
LG
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Perry,

da hast du doch schon einige Lesarten gesammelt. Meine eigene Intention ist dabei unwichtig.
Ich habe beruflich sehr oft mit Menschen zu tun, denen irgendwann der Tag gerissen ist. Manchmal waren es Ursachen, die mit logischen Vernunftsgründen gar nicht nachvollziehbar sind.

Ich habe vor Jahren in einem Gedicht geschrieben:

... eines Morgens
wachst du auf
und weißt einfach
nicht mehr weiter.

Liebe Grüße
Manfred
 
F

Frodomir

Gast
Hallo Franke,

ich will dich nicht verfolgen, aber ich schaue gerade mal von meiner Masterarbeit auf und habe Lust auf ein bisschen Lyrik und nachdem ich dein Gedicht Aufprall gelesen habe, bin ich auch bei diesem hier hängen geblieben.

Ich finde es durchaus gelungen, weil es zum einen - auch wenn es bei mir vor allem eine gewisse Angst vor dem Kommenden auslöst - etwas Berührendes besitzt und weil es zum anderen dieses Berührende in eine passende Form überträgt.
Das Rührende liegt dabei meinem Empfinden nach in der ungerechten Machtverteilung zwischen Zeit und Mensch. Denn letzterer ist durch seine Vergänglichkeit der Zeit aufs Schlimmste ausgeliefert, sodass in erster Linie zu hoffen bleibt, die gegebene Zeit erfüllt zu verbringen. Das Gedicht verweist aber auf das Gegenteil der Erfüllung, nämlich die Leere, also das Gefühl der Sinnlosigkeit, welches in seiner theologisch-philosophischen Brechung bereits in antiken Zeiten das Charakteristikum des Bösen gegenüber dem Guten war. Aber das führt zu weit... Ich wollte damit nur ausdrücken, dass die Furcht vor der Leere und damit die Leere selbst von Menschen als derartig schlimm empfunden werden kann, dass selbst das verneinenste Prinzip, welches sich der Mensch je erdacht hat, mit dieser Leere zu erklären ist.

Vor diesem Hintergrund empfinde ich die eher vorsichtige Sprache und den von Enjambements geprägten Stil, welcher zudem noch das Um-blättern des Kalenders illustriert, passend, denn ein oppulentes Reimgedicht in geschliffener Metrik würde in meinen Augen die greifbar werdende Leere mit zuviel Beiwerk schmücken.

In meinen Augen hat dein Gedicht an einer Stelle aber eine schwierige Situation zu überstehen, und zwar beim Übergang von Vers 5 zu Vers 6:

[...] mit den Jahren
sieht man sich
um
blättern
fast ängstlich

der Tag könnte reißen [...]
Hier legst du offensichtlich besonderen Wert auf das Apokoinu um, welches wirkungsvoll auf die Verben umsehen und umblättern verweist. Gerade das dadurch sprachlich erfahrbar werdende Umblättern finde ich richtig gut, doch freilich müssen die Bezugsworte des Apokoinu auch eigenständig funktionieren. Und da fällt meiner Meinung nach das Wort blättern ab, weil es zu offensichtlich nur auf das um bezogen bleibt und separiert stehend den nächsten Vers nicht mehr in eine syntaktische Verbindung bringen kann:

blättern
fast ängstlich
Da ich aber nun ungern deinen sprachlichen Kniff zerstören will und sonst keine andere Lösung sehe, als umblättern einfach in einer Zeile zu schreiben, würde ich es bei der jetzigen Version belassen.

Viele Grüße
Frodomir
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Frodomir,

keine Sorge, wenn eine Verfolgung in solch gewinnbringende Diskussionen führt, lasse ich mich gerne verfolgen.

Du sprichst hier die Problemstelle im Gedicht an. Hier war ich auch am Überlegen. Da aber das "um" den Vorgang des Umblätterns verstärken soll, wie du ganz treffend erkannt hast, war die isolierte Stellung des "blättern" nichtso wichtig.

Danke für deinen ausführlichen Kommentar.

Liebe Grüße
Manfred
 



 
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