Liebe Intonia, liebe KritikerInnen!
Ich will mich Eurer vielleicht sogar konstruktiven Kritik nicht anschließen. Ich beschäftige mich gerade wieder einmal mit Else Lasker-Schüler. In ihren Gedichten sind so viele Ecken, die der Hohe Kunstbetrieb zu ihrer Zeit wohl schwer als Holpern empfunden hat. Würde sie heute leben und ihre Gedichte in leselupe veröffentlichen, man hätte sie wohl zerrissen oder sie gar gar nicht weiter beachtet.
Liebe Intonia, Dein obiges Gedicht hat mich heute Nacht zu einem eigenen verführt. Ich hoffe, Du verzeihst, dass ich Dir Deinen Titel entwendet habe. Der Untertitel lautet:
In Memory of Else Lasker-Schüler and her daughters
Und noch etwas: Schreibe weiter so. Dein Gedicht ist ja mehr ein Seelenstück und es zeigt etwas vom Leben. Und mehr soll es ja auch nicht.
Und wer die Lava, die doch Lava ist, (wie soll man sonst die Wärme da unten umschreiben?), als Kitsch empfindet, der darf hier ganz im Kitsch ertrinken.
Kastanienwald.
Ich bin nicht ich,
bin nur du, dir, dich.
Ich liebe dich.
Ich bin verloren im Mischwald deiner Träume.
Sehe Birken, Eschen, Fichten, Tannen,
und das leise Zittern von Schatten und Licht
und goldenbraune Tropfen von Harz,
die wie büßend Blut
den rauen Stamm herunter rannen.
Deine Worte verletzen mich.
Frage mich und auch dich,
wo sind unsere Kastanienbäume
geblieben?
Ich bin nur ein Mann,
der manchmal soo hart sein kann
zu dir, aber auch zu mir selbst.
Verloren an deine weichen Weiten
und meines Triebes Eitelkeiten
und viel öfter noch
an das böse Tier in mir.
Ich bin nicht ich,
nur der an unsere Kindheit Verlorene,
in der wir,
wie du so schön schreibst,
Kastanie an Kastanie
auf deine mitgebrachten Schnüre reihten.
Wir versanken ganz im Spiel der Ketten
und als wir langsam dem Erwachsensein
entgegen brachen,
war Welt um uns
und unsere Kinderschwüre
fern, und bald vergessen.
Das andere Geschlecht nahm
uns gefangen
und wir füllten Spalten
oder fühlten Spaltgewalten,
je nach dem.
Doch war ich immer nur
ein Mann und du nur eine Frau,
die ihr Sein so ernst genommen.
Ich bin in Spalten ausgeronnen
und du am Spalter so feucht
vorbei geschwommen.
Wie oft ertranken wir in Wonnen
und haben uns doch dabei verloren,
obwohl wir doch für uns geboren
und uns scheinbar soo sehr lieben.
Ich liebe dich, o Dichterin,
ob des Findens deiner Worte,
auch wenn sie mein Geschlecht verletzen.
Ich bin doch nur ein Mann,
der nicht für Taten anderer Männer kann,
die deine Seele in deiner Scham verätzen
und für die ich mit büße.
Ich wollte, ich könnte die Worte,
o Dichterin, die
wie Fledermäuse an deiner Schädeldecke
hängen, aufscheuchen, sie verjagen,
sie auseinander flattern in die Winde,
von wo sie niemals wieder kehren.
O, ich wollte, o Dichterin,
ich könnte dir die Reinheit meiner Sterne
schon heute zeigen,
die so fern am Firmament
auf unsere Erlösung warten
und die wir uns dann alle
aneinander aufgereiht
so Herz an Herz vertragen.
Doch ich bin nur ein kleiner Wortewicht,
wie du, der sich schwer durchs Leben ficht
und wenn er auf dich trifft
nicht mehr sich selber ist.
Drum, ich bin nur noch du, dir, dich,
und will dir damit sagen:
Kämpfe weiter dieses Spiel des Lebens,
reihe weiter Wort an Wort
und wir werden einst auf einem meiner Sterne
ohne diese Dummen und die Bösen
aufeinander treffen,
und so, wie ich es heut erträume,
unter einem deiner Kastanienbäume,
wieder wie die Kinder spielen.
Wir reihen dann so Frucht an Frucht
zu endlos langen Ketten,
die wir uns in Lust versunken tanzend
um die jauchzenden Hälse schlingen
und wir reihen dann von Liebe ganz allein besessen
nur noch gutes Wort an gutes Wort,
und die dummen und die bösen werden wir
vergessen.
In Memory of Else Lasker-Schüler
and her daughters.
Besser kann ich es leider nicht.