Arno Abendschön
Mitglied
Ich spürte etwas hinten am Hosenbein entlangstreichen und sah mich um. Eine kleine schwarze Katze lief auf dem Feldweg hinter mir her und erwiderte meinen Blick. Sie war erst wenige Monate alt. Es ist eigentlich erstaunlich, dass so kleine Tiere einem für sie so großen Wesen, wie es ein erwachsener Mensch ist, in die Augen sehen können. Ich bin diesen kleinen Tieren gegenüber nicht so gefühllos, wie es meiner Verlobten bald vorkommen musste. Im Gegenteil, ich wundere mich immer wieder, wenn ich feststelle, wie wenig körperliche Ausdehnung zur Ausbildung eines individuellen seelischen Apparates genügt. Ja, ich erkenne es an, dieses Kätzchen hatte schon seinen eigenen Willen und war somit fast so etwas wie eine kleine Persönlichkeit. Sie sollte mir rasch lästig werden.
Doris ging in die Hocke und sprach auf diese verniedlichende Weise zu dem kleinen Tier: „Ja, wer bist du denn? Und woher kommst du denn?“ Dann in ihrer ziemlich tiefen normalen Stimmlage zu mir: „Sie ist noch keine drei Monate. Was macht sie hier auf dem Feld?“
Das Gut liegt etwa drei Kilometer von unserem Dorf entfernt. Davon hatten wir jetzt mindestens zwei schon zurückgelegt. Doris stand auf und strich sich das Kleid glatt. Sie sah mich fragend an.
„Sie wird vom Gut gekommen sein. Und jetzt findet sie den Weg nicht zurück.“ Wir gingen langsam weiter, und das Tier folgte uns mit flinken Trippelschrittchen. Es missfiel mir gleich, dass es dabei geradezu heiter und zuversichtlich wirkte. Alles wird gut, alles wird gut … Dieser Text schien seinem Hoppeln und Trippeln zugrunde zu liegen.
„Soll sie halt mitlaufen.“ So war es beschlossen. Übrigens lief das Kätzchen immer nur hinter mir her, nicht hinter Doris. Meine Verlobte wandte sich häufig nach ihm um. Ich konnte jetzt nicht von unserer Hochzeit anfangen. So hielt ich einen kleinen Vortrag über das Gut und über einen seiner früheren Besitzer. Das war eine ebenso eigenwillige wie unselige Persönlichkeit gewesen, sie versorgte mich mit Stoff, bis wir die ersten Gebäude erreichten. „Er ist schon so lange tot, aber sein Geist spukt noch immer bei uns herum.“
Ich drehte mich jetzt auch um. „So, jetzt bist du wieder daheim. Du weißt doch hoffentlich, wo du hingehörst?“
Die Katze schien durchaus noch nichts wiederzuerkennen. Wir gingen langsam die Reihe der Gutsgebäude entlang. Ich sah mir das Tier noch einmal an. Es wirkte jetzt weniger zuversichtlich, eher leicht irritiert. Es war wohl schon etwas überanstrengt.
Hinter dem Gut führt der Weg in den nahen Wald. „Lass uns jetzt schneller gehen, so schnell, dass sie nicht mitkommt. Dann muss sie zurückbleiben.“
„Du willst sie einfach zurücklassen? Wo soll sie denn hin?“ - „Einfach hier bleiben. Sie muss doch von hier sein.“
Wir gingen sehr schnell, rannten fast schon. Doch der Versuch führte zu nichts. Die kleine Katze folgte mir geradezu hündisch. Obwohl es ihr sichtlich schwer fiel, ließ sie uns keinen Vorsprung gewinnen. Nach fünf Minuten waren wir bereits tief im Wald. Und das Tier miaute jetzt auch noch fortwährend mit dünnem Stimmchen. Ich wusste, man soll das Verhalten der Tiere nicht mit der menschlichen Psychologie erklären. Aber das half mir nichts, es klang nun einmal enttäuscht, wenn nicht anklagend.
Doris protestierte, als ich weiter in den Wald vordringen wollte. Sie verlangte, dass wir den Versuch abbrächen und zum Gut zurückkehrten. Da das ohnehin unser Heimweg war, willigte ich ein. Unsere Prozession erreichte den Hof in der gleichen Formation wie bisher. Die Katze miaute lebhafter, seit wir den Wald verlassen hatten. Dennoch war nicht zu übersehen, wie erschöpft sie jetzt war. Wir blieben stehen.
„Nie im Leben kommt sie vom Gut“, sagte Doris.
„Dann hat sie einer auf den Feldern ausgesetzt, vielleicht einer aus der Stadt. So etwas kommt vor.“
„Und was soll nun werden? Können wir sie nicht mitnehmen? Sie meint ja offenbar, du bist jetzt ihr Mensch.“
„Das geht absolut nicht. Im Dorf gibt’s mehr als genug Katzen. Die nimmt keiner. Außerdem kann sie bald nicht mehr.“
„Dann musst du sie tragen.“ Ich hob sie hoch und trug sie einige Meter. Sie war so zappelig, dass ich sie bald wieder laufen lassen musste. „Geht ohnehin nicht“, sagte ich zu Doris. „Sie muss hier bleiben.“
Doris sah mich schweigend an. Wir gingen weiter. Ich versuchte noch zweimal, das Tier loszuwerden, indem ich es wieder packte und über eine Einfriedung aus Buchsbaum warf. Es fand beide Male eine Lücke in der Hecke und klebte mir wieder am Hosenbein.
Diese peinliche Geschichte, die mir schon viel zu lange dauerte, endete dann unversehens. Im Garten des letzten der Gesindehäuser stand eine junge Frau. Ich ergriff das Kätzchen noch einmal und brachte es ihr. Sie hörte sich an, was ich zu sagen hatte, und sagte dann ihrerseits: Ja, sie wolle das Tier annehmen. Ich segne sie noch heute dafür.
Doris ging in die Hocke und sprach auf diese verniedlichende Weise zu dem kleinen Tier: „Ja, wer bist du denn? Und woher kommst du denn?“ Dann in ihrer ziemlich tiefen normalen Stimmlage zu mir: „Sie ist noch keine drei Monate. Was macht sie hier auf dem Feld?“
Das Gut liegt etwa drei Kilometer von unserem Dorf entfernt. Davon hatten wir jetzt mindestens zwei schon zurückgelegt. Doris stand auf und strich sich das Kleid glatt. Sie sah mich fragend an.
„Sie wird vom Gut gekommen sein. Und jetzt findet sie den Weg nicht zurück.“ Wir gingen langsam weiter, und das Tier folgte uns mit flinken Trippelschrittchen. Es missfiel mir gleich, dass es dabei geradezu heiter und zuversichtlich wirkte. Alles wird gut, alles wird gut … Dieser Text schien seinem Hoppeln und Trippeln zugrunde zu liegen.
„Soll sie halt mitlaufen.“ So war es beschlossen. Übrigens lief das Kätzchen immer nur hinter mir her, nicht hinter Doris. Meine Verlobte wandte sich häufig nach ihm um. Ich konnte jetzt nicht von unserer Hochzeit anfangen. So hielt ich einen kleinen Vortrag über das Gut und über einen seiner früheren Besitzer. Das war eine ebenso eigenwillige wie unselige Persönlichkeit gewesen, sie versorgte mich mit Stoff, bis wir die ersten Gebäude erreichten. „Er ist schon so lange tot, aber sein Geist spukt noch immer bei uns herum.“
Ich drehte mich jetzt auch um. „So, jetzt bist du wieder daheim. Du weißt doch hoffentlich, wo du hingehörst?“
Die Katze schien durchaus noch nichts wiederzuerkennen. Wir gingen langsam die Reihe der Gutsgebäude entlang. Ich sah mir das Tier noch einmal an. Es wirkte jetzt weniger zuversichtlich, eher leicht irritiert. Es war wohl schon etwas überanstrengt.
Hinter dem Gut führt der Weg in den nahen Wald. „Lass uns jetzt schneller gehen, so schnell, dass sie nicht mitkommt. Dann muss sie zurückbleiben.“
„Du willst sie einfach zurücklassen? Wo soll sie denn hin?“ - „Einfach hier bleiben. Sie muss doch von hier sein.“
Wir gingen sehr schnell, rannten fast schon. Doch der Versuch führte zu nichts. Die kleine Katze folgte mir geradezu hündisch. Obwohl es ihr sichtlich schwer fiel, ließ sie uns keinen Vorsprung gewinnen. Nach fünf Minuten waren wir bereits tief im Wald. Und das Tier miaute jetzt auch noch fortwährend mit dünnem Stimmchen. Ich wusste, man soll das Verhalten der Tiere nicht mit der menschlichen Psychologie erklären. Aber das half mir nichts, es klang nun einmal enttäuscht, wenn nicht anklagend.
Doris protestierte, als ich weiter in den Wald vordringen wollte. Sie verlangte, dass wir den Versuch abbrächen und zum Gut zurückkehrten. Da das ohnehin unser Heimweg war, willigte ich ein. Unsere Prozession erreichte den Hof in der gleichen Formation wie bisher. Die Katze miaute lebhafter, seit wir den Wald verlassen hatten. Dennoch war nicht zu übersehen, wie erschöpft sie jetzt war. Wir blieben stehen.
„Nie im Leben kommt sie vom Gut“, sagte Doris.
„Dann hat sie einer auf den Feldern ausgesetzt, vielleicht einer aus der Stadt. So etwas kommt vor.“
„Und was soll nun werden? Können wir sie nicht mitnehmen? Sie meint ja offenbar, du bist jetzt ihr Mensch.“
„Das geht absolut nicht. Im Dorf gibt’s mehr als genug Katzen. Die nimmt keiner. Außerdem kann sie bald nicht mehr.“
„Dann musst du sie tragen.“ Ich hob sie hoch und trug sie einige Meter. Sie war so zappelig, dass ich sie bald wieder laufen lassen musste. „Geht ohnehin nicht“, sagte ich zu Doris. „Sie muss hier bleiben.“
Doris sah mich schweigend an. Wir gingen weiter. Ich versuchte noch zweimal, das Tier loszuwerden, indem ich es wieder packte und über eine Einfriedung aus Buchsbaum warf. Es fand beide Male eine Lücke in der Hecke und klebte mir wieder am Hosenbein.
Diese peinliche Geschichte, die mir schon viel zu lange dauerte, endete dann unversehens. Im Garten des letzten der Gesindehäuser stand eine junge Frau. Ich ergriff das Kätzchen noch einmal und brachte es ihr. Sie hörte sich an, was ich zu sagen hatte, und sagte dann ihrerseits: Ja, sie wolle das Tier annehmen. Ich segne sie noch heute dafür.