Kein Betreff

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Johnson

Mitglied
Die Fachwerkhäuser hier
sind komplett im Arsch
der Putz ist gelb
Sieht doch aus
wie neunzehnfünfundvierzig
In ihnen hocken die Leute
vor ihrem Röhrenfernseher und
dem Kohleherd

Haben sie Sex
Essen sie ein Butterbrot
Nehmen sie eine neue Rolle Klopapier aus dem Schrank

Selbst Spielcasinos existieren hier nicht

Im Lokal dann;
ein dahingerotzter Teller Scheußlichkeiten
Ich bin wieder am Anfang
 
Zuletzt bearbeitet:

Mimi

Mitglied
"Haben sie Sex
Essen sie ein Butterbrot
Nehme sie eine neue Rolle Klopapier aus dem Schrank"


Diese Zeilen finde ich etwas verwirrend ...
Warum plötzlich der Imperativ?
Dann würde ich das "sie" allerdings groß schreiben und statt "Nehme" Nehmen schreiben.

Gruß
Mimi
 

mondnein

Mitglied
"Nehme" ist doch kein Imperativ, bestenfalls ein Konjunktiv, aber eher noch ein Flüchtigkeitsfehler, verlorenes Schluß-"n": "Nehmen sie" setzt offensichtlich den Plural der vorigen Zeile fort.
 

Mimi

Mitglied
Nehme" ist doch kein Imperativ, bestenfalls ein Konjunktiv, aber eher noch ein Flüchtigkeitsfehler, verlorenes Schluß-"n": "Nehmen sie" setzt offensichtlich den Plural der vorigen Zeile fort.

Hmm...



In der Annahme eines Tippfehlers, ging ich von "nehmen" aus.
 

sufnus

Mitglied
Hey Johnson,

also den kleinen n-Typo hab ich ehrlich gesagt gar nicht bemerkt, aber insgesamt wirkt dieser Text auf mich etwas zu unambitioniert, ein bisschen so, als gelte es herauszufinden, wie wenig "Mühe" man sich geben kann, um dennoch vom "LeLu-Publikum" ein paar Lobsternchen zu ergattern. Hier ist - für mein Empfinden - dann die Hürde eher unter- als übersprungen worden.

Und das klingt jetzt nach garstigem Totalverriss, aber so ist es gar nicht gemeint. Man kann den (formal und inhaltlich etwas dürftigen) Text nicht völlig von dem dahinter stehenden Konzept trennen - eine einfache Schreibe, die Dinge möglichst direkt angehen, keine Verkünstelungen. Und dieses Konzept halte ich für äußerst schätzenswert (obwohl es meinem eigenen tendenziell [meist] eher entgegengesetzt ist). Nur kann gar nicht verfolgt werden, ohne dass auch mal ein Text zu sehr entschlackt (oder um es etwas unverblümter zu sagen: dahingewixt wurde). Ohne solche unterfordernden Texte gibt es eben auch nicht diejenigen, die ihr Topic exakt auf den Punkt bringen.

Um es mithin nochmal klar zu sagen: Gemessen an dem, was Du kannst, Johnson, ist dieser Text (m. E.) deutlich unterdurchschnittlich. Gemessen an den (nicht unzahlreichen) LeLu-Texten der... naja... inspirirationslosen Art, ist dieses Werk aber natürlich schon formidabel.
Keine Ahnung, wie ich das jetzt in Sternen ausdrücken soll... ;)

Nicht ohne Angeregtheit gelesen habende Grüße,

S.
 

Johnson

Mitglied
Sufnus klasse erklärt. Gefällt mir dein wohlgewollter Abriss! Gut getippt

Das habe ich nach dem notwendigen beruflichen Aufenthalt in der Stadt „Weißfels“ geschrieben. Und das nicht in Gedenken an den dort an Schwindsucht gestorben guten Herrn Novalis…….RIP Georg
 

petrasmiles

Mitglied
Es muss Weißenfels heißen, das weiß ich aber auch nur, weil meine Mutter dort geboren wurde, nicht, weil ich eine Novalis-Jüngerin wäre.
Genauer betrachtet könnte es eine jede x-beliebige Stadt sein, weil der Autor sein eigenes Bild eschafft aus dem, was in ihm ist - kein Ort zum Verweilen, nirgends.
Liebe Grüße
Petra
 

Johnson

Mitglied
Es muss Weißenfels heißen, das weiß ich aber auch nur, weil meine Mutter dort geboren wurde, nicht, weil ich eine Novalis-Jüngerin wäre.
Genauer betrachtet könnte es eine jede x-beliebige Stadt sein, weil der Autor sein eigenes Bild eschafft aus dem, was in ihm ist - kein Ort zum Verweilen, nirgends.
Liebe Grüße
Petra
Genau Weißenfels…ja, es könnte auch Remscheid oder jede x-Beliebige sein!
 
Man kann den (formal und inhaltlich etwas dürftigen) Text nicht völlig von dem dahinter stehenden Konzept trennen - eine einfache Schreibe, die Dinge möglichst direkt angehen, keine Verkünstelungen. Und dieses Konzept halte ich für äußerst schätzenswert (obwohl es meinem eigenen tendenziell [meist] eher entgegengesetzt ist). Nur kann gar nicht verfolgt werden, ohne dass auch mal ein Text zu sehr entschlackt (oder um es etwas unverblümter zu sagen: dahingewixt wurde). Ohne solche unterfordernden Texte gibt es eben auch nicht diejenigen, die ihr Topic exakt auf den Punkt bringen.
Hallo sufnus,

ich mag solche Texte wie den hier von Johnson auch, weil er sehr direkt ist. Meinst du hier unterfordernd für den Autor oder für den Leser? Du meinst wahrscheinlich für den Autor, aber mir stellt sich da gerade eine interessante Frage: Überfordern manche Texte nicht auch den Leser? Wenn sie vielleicht zu gekünstelt sind?

LG SilberneDelfine
 

Johnson

Mitglied
ich mag solche Texte wie den hier von Johnson auch, weil er sehr direkt ist.
ich kenne mich literaturgeschichtlich in Deutschland sehr gut aus. Aber ich habe nie einen Bezug zu Gedichten von z.B. Lessing gefunden...ja, mir fehlt diese Direktheit und der Bezug zu meiner Wirklichkeit...deshalb mache ich aus meinen Texten keine Kunst...ersten, weil ich es nicht kann und zweitens, weil mir die Zeit fehlt....das sind nur Einfälle die mir einmal im Monat kommen, die ich dann ins Handy tippe...das ist auch kein wirkliches Hobby.....das ist meine Verarbeitung der Wirklichkeit....ich könnte genauso gut Boxen gehen....
dazu verschlucke ich oft Endunge(.)! Selbstverständlich gefällt mir eure Beschäftigung mit meinen Texten!.......
 

Mimi

Mitglied
mir fehlt diese Direktheit und der Bezug zu meiner Wirklichkeit..
Ich glaube nicht, dass Lyrik irgendeine Wirklichkeit ablichten muss, mal dahingestellt von welcher Wirklichkeit überhaupt die Rede ist, denn die des Autors ist selbstredend nie identisch mit der des Lesers.

Allerdings empfinde ich Deinen Text ein bisschen zu sehr "bloß dahingeschrieben", dabei geht es mir jetzt weniger um eine tiefgründige Lyrik im eigentlichen Sinne oder handwerkliches know-how, sondern um die für mein Empfinden krampfhaft schnoddrige Darstellung, die ich eher als aufdringlich und gekünstelt empfinde.

Selbstverständlich gefällt mir eure Beschäftigung mit meinen Texten!.......
Meine Frage aus Kommentar #2 hast Du übrigens nicht beantwortet ...

Gruß
Mimi
 

sufnus

Mitglied
Hey Johnson!

ich kenne mich literaturgeschichtlich in Deutschland sehr gut aus.
Ich hab versehentlich erst "nicht sehr gut aus" gelesen und bereits den Doziermodus angeschmießen ;) ... gut, dass ich nochmal nachgelesen hab.... :cool:
Aber warum kommst Du dann ausgerechnet mit Lessing um die Ecke? Da der Gute mittlerweile schon ein wenig länger nicht mehr unter uns weilt, mag seine Sprache ja manchmal etwas altmodisch anmuten, einverstanden (und das kann man ihm nun irgendwie schlecht vorwerfen), aber seine Gedichte sind doch häufig gerade eher direkt und meinen im wesentlich das, was auch dasteht:

Lied

Aus dem Spanischen

Gestern liebt ich,
heute leid ich,
morgen sterb ich.

Dennoch denk ich
heut und morgen
gern an gestern.


oder:


Auf sich selbst

Ich habe nicht stets Lust zu lesen.
Ich habe nicht stets Lust zu schreiben.
Ich habe nicht stets Lust zu denken;
kurzum, nicht immer zu studieren.

Doch hab ich allzeit Lust zu scherzen.
Doch hab ich allzeit Lust zu lieben.
Doch hab ich allzeit Lust zu trinken;
kurz, allezeit vergnügt zu leben.

Verdenkt ihr mirs, ihr sauern Alten?
Ihr habt ja allzeit Lust zu geizen;
ihr habt ja allzeit Lust zu lehren;
ihr habt ja allzeit Lust zu tadeln.

Was ihr tut, ist des Alters Folge.
Was ich tu, will die Jugend haben.
Ich gönn euch eure Lust von Herzen.
Wollt ihr mir nicht die meine gönnen?
 

sufnus

Mitglied
Hallo sufnus,

ich mag solche Texte wie den hier von Johnson auch, weil er sehr direkt ist. Meinst du hier unterfordernd für den Autor oder für den Leser? Du meinst wahrscheinlich für den Autor, aber mir stellt sich da gerade eine interessante Frage: Überfordern manche Texte nicht auch den Leser? Wenn sie vielleicht zu gekünstelt sind?

LG SilberneDelfine
Hey S.D.! :)

Sorry - hab Deinen Post einfach überlesen - daher also eine Antwort mit Verzögerung... :)
Ja - in der Ereigniskette sehe ich zunächst eine (Selbst-)Unterforderung Autor*innen-seitig, die aber dann eine Unterforderung auf der Lese-Seite nach sich zieht.

Was die Überforderung angeht, hast Du sicher recht. Ich würde aber (in allen Lebensbereichen) eine chronische von einer punktuellen Überforderung abgrenzen. Ideal ist m. E. eine profilierte Erlebnislandschaft aus leichten (unterfordernden) Erholungs-Leveln, einem großen Spielbereich Leistungs-gerechter Hürden und einem (initial) überforderndem Finale mit dem Endgegner.
Wenn dann irgendwann die Congrats-Melodie ertönt und man sich in der Bestenliste wiederfindet, wirds auch Zeit für ein Update. :)

Auf die Lyrik übertragen stelle ich mir einen frischgebackener Rentner, der nach jahrzehntelanger Tätigkeit im mittleren Management eines Nähmaschinenherstellers auf der Suche nach Zeiterfüllung ist und sich der Lyriklektüre zuwenden möchte; hier wäre jetzt ein Gedichtband von Daniel Falb, bei dem das Inhaltsverzeichnis bereits fordernder ist als bei anderen Lyriker:innen der eigentliche Textteil, nicht die ideale Wahl.
Erstmal mit einer bunten Anthologie (möglichst kommentiert) anfangen, dann ein Band mit späten Gernhardtgedichten, gefolgt von Szymborska und Lisel Müller, anschließend Carol Ann Duffy und Anne Dorn. Auf der Basis schließlich weiter mit Jan Wagner, Ror Wolf, William C. Williams, Richard Brautigan, Bert Papenfuß, Monika Rinck, Wallace Stevens.... usw. (und natürlich ist das jetzt keine Qualitätsleiter, weil die Szymborska eh alles überstrahlt. :)

LG!

S.
 
Ja - in der Ereigniskette sehe ich zunächst eine (Selbst-)Unterforderung Autor*innen-seitig, die aber dann eine Unterforderung auf der Lese-Seite nach sich zieht.
Hallo sufnus,

hm ... sehe ich eigentlich nicht so. Mich interessiert immer, was andere Autoren bewegt, was ihnen an ihrer Umwelt aufgefallen ist. Das kann ich aus sehr ver- oder gekünstelten Gedichten meist nicht herauslesen. Bei Johnsons Text(en) schon. Deswegen fühle ich mich als Leserin aber nicht unterfordert.



Auf die Lyrik übertragen stelle ich mir einen frischgebackener Rentner, der nach jahrzehntelanger Tätigkeit im mittleren Management eines Nähmaschinenherstellers auf der Suche nach Zeiterfüllung ist und sich der Lyriklektüre zuwenden möchte; hier wäre jetzt ein Gedichtband von Daniel Falb, bei dem das Inhaltsverzeichnis bereits fordernder ist als bei anderen Lyriker:innen der eigentliche Textteil, nicht die ideale Wahl.
Möglich, nein, sehr wahrscheinlich.

Erstmal mit einer bunten Anthologie (möglichst kommentiert) anfangen, dann ein Band mit späten Gernhardtgedichten, gefolgt von Szymborska und Lisel Müller, anschließend Carol Ann Duffy und Anne Dorn. Auf der Basis schließlich weiter mit Jan Wagner, Ror Wolf, William C. Williams, Richard Brautigan, Bert Papenfuß, Monika Rinck, Wallace Stevens.... usw. (und natürlich ist das jetzt keine Qualitätsleiter, weil die Szymborska eh alles überstrahlt. :)
Von den ganzen Namen kenne ich eigentlich nur Gernhardt. Danke für die interessanten Tipps!

LG SilberneDelfine
 

revilo

Verboten
Die Fachwerkhäuser hier
sind komplett im Arsch
der Putz ist gelb
Sieht doch aus
wie neunzehnfünfundvierzig
In ihnen hocken die Leute
vor ihrem Röhrenfernseher und
dem Kohleherd

Haben sie Sex
Essen sie ein Butterbrot
Nehmen sie eine neue Rolle Klopapier aus dem Schrank

Selbst Spielcasinos existieren hier nicht

Im Lokal dann;
ein dahingerotzter Teller Scheußlichkeiten
Ich bin wieder am Anfang

Ich wage mich mal kurz aus der Deckung, um dann gleich wieder abzutauchen......Da geht ein Typ durch irgendeine mittelgroße Stadt, sieht irgendwas, zückt sein Handy tippt einen kurzen Text und stellt ihn hier ein............ das Gedicht ist sicherlich nicht perfekt (will es auch offensichtlich überhaupt nicht sein)...... aber es hat gegenüber dem verkopften und Ich – bezogenen Kram, der hier (fast nur noch) zu lesen ist einen entscheidenden Vorteil: Das Gedicht ist absolut authentisch und frei von jeglichem Lyrik – Lametta........... und genau deswegen sind Deine Texte hier in der LL so ungeheuer wichtig....... Du bist einer der ganz wenigen Dichter, die hier frei nach Schnauze schreiben, sich dabei einen Dreck um lyrische Konventionen scheren und den Text einfach so rausballern...... so, ich bin einmal wieder wech......... herzliche Grüße von Oliver
 



 
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