Hallo Oliver,
dein kippen-Gedicht habe ich natürlich zur Kenntnis genommen. Die Szenerie hat sich mir auch gefühlsmäßig erschlossen.
Nur ist es so, dass ich mich aktuell mit jener Art Lyrik (Änderungen sind nie auszuschließen!) schwertue. Mir gefällt durchaus, dass sich hierbei Konkretes den Lesern mitteilt, nicht rein Abstraktes, Gekünsteltes etc., wobei auch jene Werke sehr intensiv sein können. Jedoch fehlt mir (das ist rein subjektiv) hier eine gewisse Lasur "Kunst", die natürlich nicht zu dick sein darf. Denn Authentizität war schon immer die Kraft in literarischen Werken, die sich vielen, auch mir, unmittelbar und ohne Umwege, ohne Lexika und ohne eitle Schwellen, die zu überbrücken sind, vermitteln konnte, die schlussendlich ins Mark geht und nachwirkt, wie auch immer. Da gehört zweifelsohne auch Bukowski dazu, dessen Shortstories und Gedichte ich ein paar Jahre entdecken und schätzen lernte, bis zu einem gewissen Punkt, auf welchen ich später eingehen möchte. Mein absoluter Favorit in seiner Lyrik ist das Gedicht BORN INTO THIS (konnte mangels Kompetenzen in Sachen Englisch nur auf die deutsche und bestimmt sehr gelungene Übersetzung von Carl Weissner zurückgreifen - Buk´s Werk im Original lesen zu können, ist bestimmt -vom Klang her- nochmal eine andere Erfahrung; du siehst, dass ich auch etwas klang-affin bin). Und bei eben diesem Gedicht spürte ich eine unteilbare poetische Power, kein anderes Gedicht von ihm konnte mir das ebenso nachhaltig ins Fleisch schreiben. Beispielsweise Thomas Brasch, der übrigens Hank und Linda in den 1980ern besuchte, wurde einmal gefragt, wie viele seiner Gedichte bleiben werden, quasi "Ewigkeitscharakter" enthalten; er meinte, wenn ich mich nicht irre, fünf. Bei BUK, schätze ich, wird das auch nicht anders sein. Bei allen, die Lyrik verfassen, wird es sich bestimmt ähnlich verhalten.
Ja, Oliver, es gab, was Bukowski betrifft, auch einen Auslöser, mit ihm zu brechen - was sicher auch mit meinem Wesen zu tun haben mag. Ich besaß damals eine Leinenausgabe von Kurzgeschichten (KIWI Verlag?) und las mit Feuereifer darin, bis eine Story mir das Ganze irgendwie verübeln konnte: da ging es um ein Pärchen, das einen jungen Typ mitnahm, im Auto wurde gekifft, Fellatio inbegriffen usw. Irgendwann kamen die Drei an, irgendwo im Grünen; es wurde weiter getrunken etc., und als der junge Mann so hinüber war (es war System im Spiel) - wurde dieser am Anus wie ein Spanferkel aufgespießt, Da ging mir auf, nee, das geht mir einfach zu weit!
Und da ich wusste, dass Bukowski auch von Louis-Ferdinand Celine (seine Schuld während der deutschen Besetzung mal ganz außen vor gelassen) inspiriert war, ging ich ans Werk, diesen Autor unter die Lupe zu nehmen. Und mir fiel auf, dass sein Stil, neben derben Sprüchen und Tiraden, in gewisser Weise aber auch jene von mir am Anfang benannte stilistische Lasur hatte; bin übrigens schon gespannt auf das 2023 bei Rowohlt erschienene Werk "Krieg", dessen Manuskript erst vor wenigen Jahren zufällig entdeckt wurde, das im Regel schon wartet, gelesen zu werden.
Und da komme ich jetzt endlich zum Punkt: Lyrik, die sowohl Bodenständigkeit (Authentizität) als auch eine gewisse sprachliche Raffinesse aufweisen kann, spricht mich (derzeit) am meisten an.
Übrigens sollten dich diese Zeilen per Unterhaltung erreichen, funktionierte leider nicht.
Herzliche Grüße an Dich!
Marc