Köpper von der Couch

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Ralf Langer

Mitglied
Von Realitäten und anderen Illusionen

Köpper von der Couch

Lange genug
habe ich mich
in der Realität gesonnt.

Ich erhebe mich
für einen Köpper
von der Couch.

Staunende Augen
begleiten mein Eintauchen
in den Wohnzimmerteppich.

Dann bin ich weg

und tauche erst
zum Abendessen
wieder auf.


Hallo Klaatu,

ich lasse dieses Gedicht nun schon längere Zeit auf mich einwirken, denn ich erkannte in mir ein Unbehagen in diesem eigentlich gelungenen Stück mit einer überraschenden Köppervariante.

Letztlich habe ich mein Unbehagen lokalisieren können:

Die einzige Schwäche in meinen Augen an diesem Stück ist sozusagen seine Ouvertüre.

Für mich wirkt gerade der Anfang wie mit einem schlechten Schweißdraht angeklebt, und ich Frage mich einerseits ob es deutlich zu verbessern wäre, oder ob dieses Stück nicht in Gänze auf die ersten Strophe verzichten könnte?….

Hm, ich versuche das einmal zu erklären:

dieser Teil:

Ich erhebe mich
für einen Köpper
von der Couch.

Staunende Augen
begleiten mein Eintauchen
in den Wohnzimmerteppich.

Dann bin ich weg

und tauche erst
zum Abendessen
wieder auf.

ist in sich stringend. Ich kann ihm gut folgen und erahne welche unendlichen Weiten sich in einem Teppich, natürlich mit dickem Flor verbergen könnten.
Der Wunsch unterzutauchen, einfach für eine Zeitlang zu verschwinden und andere Möglichkeiten zu suchen, dieser Wunsch metaphorisch bezogen auf einen eigentlich alltäglichen Teppich ist dir überzeugend gelungen.

Aber:

Lange genug
habe ich mich
in der Realität gesonnt.

Das ist für mich kein gutes Opening. Zum einen ist es nicht im Bild der anderen Worte, weder sprachlich noch metaphorisch. Vielmehr ist es schon die Vorweggenommene, an den Anfang gesetzte Erklärung des Verhaltens von lyrich.

Das empfinde ich mindestens als störend. Denn der Leser weiß doch um die „Realitätsflucht“.
Sie steht doch sehr deutlich in allen anderen Strophen.

Hinzu kommt der Begriff „Realität“ als solcher. Das ist aber eher persönlicher Natur. Trotzdem will ich meine Unbehagen mit diesem Wort kurz anreißen:

Was ist das Realität?
Mir begegnet sie in meinem Alltag nicht! Gibt es eine empirische Realität?
Wie steht dieser Begriff zu den weiteren Abstrakta: Wahr – Falsch – Lüge – Irrtum?

Ich persönlich versuche diesen begriff zu meiden und benutze wenn nötig „Wirklichkeit“


Die Wirklichkeit ist das Ergebnis von Wirkungen, Wirkungen sind immer real, will heißen im Leben, die Annahmen können und sind oft genug falsch. Aber das spielt keine Rolle.

Ein Beispiel:
Die Erde steht im Mittelpunkt unseres Sonnensystems?

Das ist falsch! Vielleicht ein Irrtum. Aber die Einstellung zu dieser Annahme schuf eine Wirklichkeit.

Oder :
die heilige Inquisition. Hexenverbrennungen, mindestens Diffamierungen etc.

All das wegen einer Annahme, die unbeweisbar war und ist. Aber sie schuf grausame Realität.

Fazit: Die Realität ist eine Illusion. Eigentlich ist sie in meinen Augen Teil von Metaphysik.

Puh, etwas langatmig und eigentlich Off Topic…

Nichtsdesotrotz
dein Gedicht weiß zu gefallen.
Vielleicht ist in meinen Überlegungen ja etwas dabei mit dem du arbeiten möchtest.

Lieber Gruß
Ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Klaatu,

"All das wegen einer Annahme, die unbeweisbar war und ist. Aber sie schuf grausame [strike]Realität[/strike]."

Hier bitte im Kopf Realität durch Wirklichkeit ersetzen...
Sorry
Ralf
 

klaatu

Mitglied
@ Mondnein

Anfangs war der Text länger und ich erlebte noch ein paar seltsame Dinge im Teppich (ich lernte das Teppichvolk kennen...), aber ich beschloss, mich lieber auf das Wesentliche zu konzentrieren.


@ Rolf Langer

Danke für deine Gedanken zu diesem Text. Ich habe lange mit mir gerungen, aber ich stimme dir zu. Ohne den ersten Absatz ist es echt besser. Die Realitätsflucht sollte auch so klar werden.

Deine Gedanken zum Thema "Wirklichkeit" habe ich gerne gelesen!

LG
k
 



 
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