Lament des verkarsteten Weibes (gelöscht)

H

Heidrun D.

Gast
Hallo Thylda,

das Wort Lament existiert meines Wissens in der deutschen Sprache nicht; hier würde man Lamento schreiben, es sei denn, du meinst diese Rockband gleichen Namens.

Hierzu passte vielleicht das typische Alkoholikerdrama, das du andeutest. - Im Endstadium wird ja nur noch wenig Nahrung zu sich genommen, der Kalorienbedarf eher über Kaltgetränke gestillt. Andererseits befindet sich die menschliche Nahrung ständig in einem Gärungsprozess, ebenso wie die Erinnerung. ;)

Im Vergleich zu anderen Texten, die ich von dir kenne, gefällt mir dieser recht gut. Er wirkt so authentisch.

Schade aber, dass der Zusammenhang zwischen dem Vergorenen und der Verwehung nicht recht deutlich wird.

Liebe Grüße
Heidrun
 

Thylda

Mitglied
Liebe Heidrun

Wie schön, daß dieser Text auf Dich authentisch wirkt. Danke auch für Deine ungewohnt hohe Wertung.

Ich hatte zunächst Lamento, habe dann aber doch auf das englische Lament verkürzt, da hierdurch mein Ansinnen besser ausgedrückt wird.

Die Nahrung, die den Bauch nicht füllt. Die Frau (Lyri) versucht den Hunger, den sie hat, mit allem Möglichen zu stillen. Mit Speisen, mit geistiger Nahrung, mit Alkohol. Jedoch bleibt der brennende Lebenshunger als Loch. Ein Loch im Bauch, der nie Kinder getragen hat. Vertrocknet ohne Frucht, das gärt. Diese Zeit ist vorbei, es ist nur noch das Abendrot, das frische auf die Wangen zaubert, künstlich. Wenn dann die Nacht kommt und Staub zu Staub wird, erinnert sich kein Kind an seine Mutter. Die Furchen des Kummers und Bedauerns graben sich tiefer. Zu spät. Ist das nicht schrecklich traurig?
Ein Beispiel aus meinem Umfeld, die späte Reue und Verzweiflung, daß auch ein Doktortitel und eine Musterkarriere die Unsterblichkeit durch Nachkommen nicht ersetzt. Am Ende wird sie allein sein.

Liebe Grüße
Thylda
 
Liebe Thylda,
ein kurzer eindrucksvoller Text.
Muss es nicht "verweht" heißen? Wenn ja, würde ich aus rhythmischen Gründen das "der" vor Wind weglassen.
Herzliche Grüße
Karl
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Thylda,

für einen nichtreligiösen Menschen mag Kinderlosigkeit so empfunden werden, wie Du das hier zu beschreiben versuchst. Ein religiöser Mensch empfindet das ganz anders. Er selbst bleibt immer ein Kind Gottes, er empfindet auch alle Menschen als Kinder Gottes. Er schenkt seine Liebe der ganzen Welt und deshalb ist er niemals allein.

Für mich ist dieser Text einfach nur befremdlich. Ich kann nichts damit anfangen.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Thylda

Mitglied
Liebe Vera-Lena

Wenn man dem Konzept des Gottes Moses oder wie er zu ägyptischen Zeiten noch hieß, Thutmosis, folgt, der das ein-Gott-Konzept schon bei seinem Bruder Echnaton, oder ursprünglich Amenhotep, gesehen hatte, weiterhin akzeptiert, daß nach dem babylonischen Exil von den Aufzeichnungen, die noch übrig waren, willkürlich von Priesterseite einige Informationen, wie zB die tragende Bedeutung von Aschera, der Thora vorenthalten wurden, worauf letztendlich auch das neue Testament aufbaut, mag man wohl Geborgenheit in einer Religion finden, deren Regeln aus einer Region mit einer Mangelgesellschaft stammen. Meiner Ansicht nach nicht zwingend geeignet für eine Bevölkerung unserer Breitengrade, die ursprünglich die Verwaltung und Erhaltung einer Überschußvegetation mit saisonalen Engpässen pflegte. Der Satz „...Erde...und macht sie euch untertan“ 1. Mose 1, 28 ist sozusagen der Kernsatz der weltweiten Katastrophe des mangelnden Respekts unseren Lebensraumes gegenüber. In einer Mangelgesellschaft gilt es zu erobern. Das neue Testament hat dagegen auch nichts unternommen, man soll nur seinen Nächsten lieben, Flora und Fauna können ruhig draufgehen.
Wenn Du darin Trost und Geborgenheit findest, freue ich mich für Dich.

Liebe Grüße
Thylda
 

Vera-Lena

Mitglied
Es geht nicht um die Geborgenheit!

Es geht darum, Liebe zu empfinden für den Kosmos, für die Erde für die Menschheit. Nur wer liebt, wird alles, was ihm geschenkt wurde, auch liebevoll behandeln, egal ob er sich einer Religionsgemeinschaft anschließt oder nicht. Er pfeift auf die Geborgenheit. Er wird sich einsetzen für das, was allen Menschen gut tut. Und da gibt es genügend Arbeit zu tun. Liebevoller und gerechter Umgang mit den Erdreserven, Durchsetzung von Menschenrechten und Menschenwürde, Unterstützung für alleinstehende alte Menschen und noch sooooooooooo Vieles mehr. So jemand ist nie allein.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Thylda

Mitglied
Liebe Vera Lena

Genau, um Respekt für die Mitkreatur und unseren Lebensraum zu empfinden, brauche ich nicht religiös zu sein. Und um zu sehen, daß die Natur großartig ist, brauche ich keinen Gott, weder einen alttestamentarisch Strafenden, noch einen lenorgespült-wir-haben-uns-alle-lieb Neutestamentarischen mit Endstory im Drogenrausch. Ich glaube, daß das Wichtigste das Leben ist, und wir als Frauen im Zentrum dieses Wunders stehen. Jede Frau, die die Einzigartigkeit des Weiblichen nie erfahren hat, selbstgewählt oder nicht, ist zu bemitleiden. Sie hat keinen Anteil an der "Unsterblichkeit" und an dem außergewöhnlichen Wissen und Einsichten, die nur Müttern zuteil werden.


Lieber Revilo

Vielen Dank für dieses Lob und Deine Wertung. Ich freue mich, das Dich mein Text erreicht.

Liebe Grüße
Thylda
 

Inu

Mitglied
Ein drastischer Text, der weh tut. Ein ehrlich empfundenes Gedicht, das alle Schnörkel , künstlich aufgepumpten Worthülsen und willkürlichen Auslegungsmöglichkeiten weg lässt. Gerade in seiner Kürze und Komprimierung ist der Text sehr poetisch

Gruß
Inu
 

Thylda

Mitglied
Liebe Inu

Es freut mich, daß Dir mein Text gefällt. Vielen Dank für Kommentar und freundliche Bewertung. :)

Liebe Grüße
Thylda
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Thylda!

Bekanntlich liebe ich kurze Gedichte, allerdings muss dann auch jedes Wort passen.
Und was soll ich sagen: Dein Gedicht hat mir die Füße weggezogen.
Klasse!

Liebe Grüße
Manfred
 

Thylda

Mitglied
Lieber Jean

Mit dem Tod spielt man nicht. Braucht man auch nicht, er ist eine Tatsache für Alles was lebt. In den Spiegel zu schauen ist kein Problem, wenn man im Grunde mit sich zufrieden ist und die Dinde tut, die man für sich als wichtig erachtet. Am Ende kommt es darauf an, ob Du mit Deinem Lebenswerk fertig geworden bist. Dann kannst Du in aller Ruhe gehen. Deswegen finde ich es sinnvoll, so früh wie möglich herauszufinden, was für Dich wichtig ist. Nachkommen zu haben ist naturgemäß oft in den oberen Rängen und leider irgendwann nicht mehr möglich. Tragisch gerade für Frauen, die dieses Zeitfenster verpaßt haben und sich damit abfinden müssen, dem Lebensende hilflos näher zu kommen. Keine mögliche Anstrengung kann dieses Loch mehr füllen. Ihr Männer habt ja ein wenig mehr Zeit und seid deswegen selten so verbittert;-) Vielen Dank für Deinen Kommentar.


Lieber Franke

Ein großes Lob von Dir. Vielen Dank.
Du liebst die würzige Kürze - ich auch. Je dichter desto besser. Reduzieren, komprimieren, auf das Muster des innersten Kerns zusammenschrumpfen, so daß nur noch das Wichtige bleibt. Ein Motto, das ich auf mein ganzes Leben anwende, damit mehr Raum und Zeit für die Entfaltung in die wesentlichen Dinge bleibt. Das gemischt mit Humor, Spaß und guter Laune ist meines Erachtens der Idealzustand.


Liebe Grüße Euch beiden
Thylda
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo Thylda,

irgendwie kann ich mich mit dem Text nicht so recht anfreunden. Einerseits fehlt mir der Rhythmus, die Melodie. Das ist aber wohl Geschmackssache. Ebenso wie der Schluss. Der Wind, der die Asche verweht, ist mir zu abgedroschen, das "erinnert sich niemand mehr" zu melodramatisch. Insgesamt fehlt mir der Fluss.

Viele Grüße von Hannah
 

Thylda

Mitglied
Liebe Hannah

Zunächst einmal vielen Dank fürs Kommentieren
Ich hatte, als ich Deine Anmerkung las, das Gefühl, daß Dir mein Text zwar schon zugesagt hat, nur die Ausführung nicht nach Deinem Geschmack war. Ich erinnere mich nur dunkel an einige Werke von Dir. Ich glaube, sie waren auch eher komprimiert und hatten schwerverdauliche Thematiken, na ja, jedenfalls keine „Löffelkost“.

Du bemängelst fehlenden Rhythmus. Ein Rhythmus wäre nur durch zusätzliche Füllwörter herzustellen. Das wollte ich gerade nicht. Es ist ein Thema, „that goes down to the bare bone“. Jedes bißchen “meat to the bone” würde meinem Zweck zuwiderlaufen.

Die ersten beiden Zeilen stellen den Zustand beim Betrachten dar. Die nächsten zwei zeigen Handlung und innere Abläufe. Vier Zeilen einer noch lebenden Person. Solange man lebt, denkt man, man könne noch etwas ändern, eingreifen, ausweichen, umdefinieren.
Die letzten beiden sind, anders als die ersten vier, Klartext, keine Mehrlagigkeit, kein Ausweichen mehr. Wenn der Tod kommt, bleiben nur noch harte Tatsachen. Es gibt nichts mehr zu interpretieren oder falsch zu verstehen. Der Tod ist in seiner Endgültigkeit sehr einfach und klar. Das Ende des Lebens. Im Falle meines Gedichtes so endgültig, daß noch nicht mal ein Teil in einem Nachkommen weiterlebt.

Das Bild des Windes, das die Asche verweht sei abgedroschen. Abgedroschen finde ich in diesem Zusammenhang ein außergewöhnlich gut passendes Wort, allerdings nicht im herkömmlichen Sinn. Beim Abdreschen des Korns bleiben nur noch die leeren Spelzen, die hohle Schale übrig. Das ist genau das passende Gefühl. Hohl, leer und unnutz. Die Asche war mir wegen der Analogie zu „Erde zu Erde, Staub zu Staub“ wichtig.

Es sei zu melodramatisch, daß sich niemand mehr erinnert. Bist Du der Ansicht, daß man das nicht mehr hätte dazusagen müssen, daß der Leser dies sich hätte erschließen können? Warum findest Du es zu melodramatisch? Ist es, weil noch einmal genau das ausgesprochen wird, was man eigentlich nicht hören oder wissen will?

Liebe Grüße
Thylda
 



 
Oben Unten