Leben (Fortsetzung)

xavia

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Dirk stand plötzlich in IHREM Büro in einer Ecke neben dem Fenster. Erschrocken blickte er sich um, versuchte, keinerlei Geräusch zu machen, wagte kaum zu atmen, denn an dem riesigen Mahagoni-Schreibtisch mit dem hohen Ledersessel saß SIE und an der Tür stand Kevin. Beide nahmen keine Notiz von ihm und Dirk hoffte, dass das so blieb.

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Loretta hatte den Backgammon-Koffer mit den »schwarzen Steinen der Macht« vor sich stehen und blickte ratlos darauf. Sie hatte Kurt kräftig den Marsch geblasen. Ach, wie sie es liebte, jemanden so richtig zur Sau zu machen! Es lud sie jedes Mal so wunderbar mit Macht und sexueller Kraft auf, dagegen verblasste alles andere. Sie musste schmunzeln. In ihrem Alter, sie war immerhin 69, welch eine wollüstige Zahl, dachte sie dabei. In diesem Alter konnte keiner ihrer Kerle sie mehr sexuell zufriedenstellen. Sie war mit den Jahren unersättlicher geworden. Aber immer, wenn sie Kurt oder Jo so richtig angeschrien hatte, sie die Angst, die Unsicherheit eines dieser Idioten roch, dann war sie voll da. – Was für ein herrliches Leben sie hatte.

Gleich darauf verdüsterte sich ihre Miene bei dem Gedanken, dass ihr seit geraumer Zeit immer wieder einmal etwas gefehlt hatte. Zunächst dachte sie, dass es die Hormone, das Alter, wären. Aber nein, es musste irgendetwas anderes sein. Sie wusste einfach nicht, was es sein könnte. Wie gut, dass sie mit so dämlichen Mitarbeitern gesegnet war, die ihr dieses Gefühl der Macht gaben.

Sie seufzte kurz vor Wohlbehagen. So hatte sie wenigstens diese ungetrübte Erregung, wann immer es sie danach gelüstete. Eigentlich brauchte sie gar keine »Steine der Macht.« Sie hatte so viel Macht, wie sie wollte. Sie führte ein Bordell, hatte Angestellte, die vor ihr zitterten und ihr jeden Wunsch von den Augen ablasen, um bloß nicht ihren Zorn zu erregen. Dieses Gewürm! Sie verachtete jeden und jede von ihnen. Diese erbärmliche Brut, dachte sie. Vielleicht sollte ich mal wieder einige austauschen. Das war ein weiterer Genuss ihres Lebens, dass sie sich ihre Leute kaufen konnte. Ein wohliger Schauer lief ihr über den Rücken bei diesem Gedanken.

Während sie wieder auf die Steine schaute, fühlte sie sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Immer, wenn sie damals ihre Spielkameraden ausgetrickst hatte und sich alle Murmeln in ihrem eigenen Beutel befanden, hatte sie sich in ihre Höhle aus Rhododendronbüschen hinterm Haus ihrer Eltern zurückgezogen und sich an ihrem Besitz berauscht. So ähnlich war es jetzt auch. Aber ob dieser Besitz etwas taugte? Sie rieb sich ihr faltiges Kinn. Immerhin waren eine Menge Leute den Dingern hinterhergejagt. Ihre Leute hatten einiges darüber erzählt.

»Na, mal sehen«, murmelte sie und nahm die Steine in ihre über und über beringten, mit Halbedelsteinen, Quarzen und Diamanten geschmückten, gepflegten Hände, als Jonny in ihr Büro stürmte.

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Jonny, der Abenteuer, hielt sich für spontan. Er setzte seine Ideen normalerweise sofort um. Seine Erfahrung war, dass er damit die besten Ergebnisse erzielen konnte. Was sollte er lange an irgendeinem Plan feilen, womöglich diffuse Ängste aufsteigen lassen, wenn es auch anders ging? Seine Oma hatte immer gesagt: »Junge, nimm dir, was du kriegen kannst. Durch ehrliche Arbeit ist noch keiner reich oder berühmt geworden.«

Er würde die Puffdame so richtig aufmischen, denn mehr als einen Rausschmiss riskierte er schließlich nicht. Ihre Leibgarde befand sich gerade vor dem Gebäude, was sollte also schiefgehen? Er fand die richtige Tür im Parterre, weil nur neben dieser eine Bodenvase mit künstlichen Blumen stand und stürmte kurzentschlossen in ihr Büro. Beim Türöffnen rief er ihr ohne Vorwarnung laut entgegen, dass das Klo in seinem Zimmer verstopft sei und er sofort jemanden bräuchte, der diese Sauerei wegmachen würde. Beherzt ging er an dem Mann vorbei, der reglos, wartend, einige Meter vor dem Schreibtisch stand. Er wollte die Schrecksekunde nutzen und griff nach den Steinen, die sie in den Händen hielt.

Allerdings hatte er Kevin nicht gesehen, der bisher still neben der Tür gestanden hatte und sich nun freute, aktiv werden zu dürfen, und ihn mit geübtem Griff am Schlafittchen packte. Wir ein Roboter hielt er danach inne und wartete offenbar auf weitere Anweisungen. Jonny ließ erschrocken die Steine fallen, die sich klappernd und kullernd auf dem Boden verteilten.

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»Ach wie schön, da haben wir ja jemanden, der weiß, was man damit anfangen kann«, rief Loretta erfreut. »Der Wurm soll die Steine aufsammeln, die er auf dem Boden verteilt hat und dann kannst du, mein lieber Kevin, deine Überredungskünste einsetzen, um aus ihm herauszukriegen, wie sie funktionieren.« Kevin zeigte ein fieses und siegessicheres Grinsen, beaufsichtigte sorgsam das Aufsammeln der Steine und begab sich mit dem zitternden Jonny, der beteuerte, von nichts zu wissen, ins »Verlies«, wie sie den Keller hier nannten, den sie zu Zwecken verwendeten, die außerhalb jeglicher Legalität waren.

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Dirk hatte die ganze Zeit dabeigestanden und sich gewundert. Erstaunlich, dass es jemand wagte, so mit IHR umzugehen. Durch die Szene in IHREM Büro, die er beobachtet hatte, ohne dass jemand von ihm Notiz nahm, war er nachdenklich geworden. Er verfügte über die Steine, mit denen man an jeden Ort, den man sich wünschte, reisen konnte, so lange sie mit dem Löffel zusammen in dieser stinkigen Socke waren. Vielleicht ging das auch ohne Socke und Löffel? Wie auch immer, sein ursprünglicher Plan, IHR wie gewohnt die Beute abzuliefern und damit in IHRER Gunst zu steigen, war überhaupt kein guter Plan: Er hatte die Steine, er konnte auch selbst etwas damit anfangen. Und er hatte auch schon eine Idee. Eilig lief er die Treppe hinauf in sein Zimmer, schnappte sich seine Reisetasche, grinste bei dem Gedanken, dass er sich auch hätte die Treppe hinaufwünschen können und wünschte sich in den Tresor der Hauptfiliale der größten Bank der nächstgelegenen Stadt.

Dort war es finster und stickig. Er bekam sofort Platzangst, dachte erst jetzt daran, dass er gar nicht wusste, ob dieser Tresor groß genug für ihn war. Er wünschte sich zurück in sein Zimmer, kramte in der Kommode nach einer Taschenlampe, kehrte zurück in den Tresor, dieses Mal gewappnet gegen die stickige Luft. Im Schein der Taschenlampe konnte er sehen, dass Geld in Regalen gestapelt lag, wie im Film.

Er räumte eilig so viele Geldbündel, wie er verstauen konnte, in seine Tasche und überlegte, wohin er sich wenden sollte. Wieder musste er grinsen, weil ihm zuerst der Bahnhof eingefallen war, um abzuhauen. – Was für ein Unsinn! Die Welt stand ihm offen, das ganze Universum!

Erschrocken ließ er die Socke fallen. Das fehlte noch, dass er sich aus Versehen zum Mond wünschte oder auf den Mars! – Mallorca, das war's jetzt! Da könnte er in Ruhe das Geld ausgeben und darüber nachdenken, was er als Nächstes unternehmen wollte. Er packte sich ein paar der Scheine in die Jackentasche, schloss die Tasche, hob die Socke auf und war im nächsten Moment auf Mallorca am Strand. Kurz danach in der Lobby des größten Hotels am Platze.

Ja, so ließ es sich leben! Davon hatte er immer geträumt: Urlaub ohne Ende und Geld bis zum Abwinken. Er dachte daran, ob er Jo holen sollte, als seinen persönlichen Diener, entschied sich aber dagegen. Es war nicht gut, Mitwisser zu haben. Er hatte ein neues Leben und das wollte er sich von niemandem streitig machen lassen.

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Jo hatte im Wagen auf Dirk gewartet. Er hatte Anweisung, zwanzig Minuten zu warten und dann nachzukommen, um eventuell zu helfen. Das wollte er jetzt tun. Er war ein »Skatbrunder«, hatte Dirk ihm gesagt. Nun ja, er konnte kein Skat, aber das würde schon nicht auffallen. Er fragte an der Rezeption, wo sein Skatbruder zu finden sei, der einen Fahrradunfall hatte und möglicherweise im Koma liege. Sofort wusste die freundliche junge Frau hinter dem Monitor, wen er meinte, dachte glücklicherweise nicht daran, nach dessen Namen zu fragen, sondern gab bereitwillig Auskunft, wo »Robert Weber« zu finden sei. Der dritte Skatbruder sei auch schon dort, teilte sie ihm mit einem verschwörerischen Lächeln mit.

Als er in das Krankenzimmer kam, bot sich ihm ein unerwarteter Anblick: Ein Mann saß auf dem Bett und zog sich vorsichtig Schläuche aus dem Körper. Dabei strahlte er eine enorme Energie aus und sah für ihn überhaupt nicht nach »Koma« aus. Zwei Frauen standen an seinem Bett und guckten, als sei dieser Mann der Heiland persönlich. Von Dirk sah er allerdings keine Spur.

»Wo ist mein Kumpel? War der hier? Wo ist er hin?«, war alles, was ihm dazu einfiel. Die drei sahen ihn verwundert an. Die Schwarzhaarige fand als erste ihre Sprache wieder und obwohl die anderen beiden versuchten, sie mit Gesten zum Schweigen zu bringen, sagte sie:

»Hier war ein wildgewordener Revolverheld, der hat uns die Steine geklaut und ist verschwunden, vor zehn Minuten schon.«

»Kann nicht sein, ich hab' unten gewartet, da ist er nicht aufgetaucht«, wandte Jo ein.

»Mit ›verschwunden‹ meine ich wirklich ›verschwunden‹. Die Steine sind mächtig. Er kann jetzt überall sein. Er hat dich sitzen lassen.«

Er staunte über die Offenheit dieser Frau. Sie sah ihm forschend in die Augen, als wenn sie ihn prüfen wollte. Er hielt ihrem Blick stand und er ging ihm durch und durch. Dann besann er sich: Wenn Dirk ohne ihn abgehauen war, möglicherweise gar nicht vorhatte, ins Hauptquartier zurückzukehren, dann würde SIE ihre ganze Wut an ihm auslassen. Er fühlte sich verloren und im Stich gelassen, ratlos. Er sah, dass die beiden anderen nicht mehr versuchten, einzugreifen. Dadurch fühlte er sich ermutigt, mehr über die Situation in Erfahrung zu bringen.

»Wie soll Dirk denn ›verschwunden‹ sein und was bedeutet das: ›Die Steine sind mächtig‹?« fragte er hoffnungsvoll.

Als hätten sie sich gerade im Nebenraum beraten und seien einig geworden, ihn einzuweihen, berichteten die drei abwechselnd. Sie erklärten ihm, wie sie Spider, den Koma-Patienten, mit den Steinen gesund gemacht hatten und wie ihre Freundin Inga damit unfreiwillig gereist war und jetzt auch sein Kumpel. Dass diese Steine eine Chance für die Menschheit darstellten, falls es ihnen gelingen würde, sie an ihren Bestimmungsort zu bringen. Sollten sie die Granitplatte finden, in der drei Wellen eingraviert waren, die auf der Rückseite die zwölf heiligen Steine aufnahm.

»Das ist ja alles schön und gut, aber was habt ihr davon, heilige Steine in eine gravierte Platte einzusetzen?«, wollte Jo jetzt wissen.

Die andere Frau, die sie Maya genannt hatten und die ebenso wie Spider anscheinend schon weit gereist war für die Steine, erklärte ihm, dass ein gemeiner Mensch wie sein Kumpel mit den heiligen Steinen großes Unheil anrichten konnte, dass Atlantis seinerzeit durch den Missbrauch solcher Energien untergegangen sei. Dass sie andererseits, wenn sie sie in diese Platte einsetzten, vielleicht dafür sorgen konnten, dass die Steine ihre ungeheure Macht vereinen und zum Wohle der Menschheit entfalten könnten, dass sie sich dann niemand mehr würde aneignen können.

»Wenn man damit von jetzt auf gleich an jeden beliebigen Ort reisen kann, dann sind diese Steine extrem nützlich für böse Menschen«, überlegte Jo laut und gleichzeitig wurde ihm klar, dass er in einer Welt, in der Loretta oder Dirk die Steine besaß, nicht leben wollte. Diese drei Menschen hier gaben ihm das Gefühl, dass er dazugehörte, obwohl er sie gar nicht kannte und er fühlte, dass er eine Mission hatte. Weder Dirk noch Loretta dürften die Steine haben, sie waren für ihn das personifizierte Böse und er war nur dort geblieben, weil er nicht wusste, wohin nach seinem Gefängnisaufenthalt und den darauf folgenden, üblichen, Problemen mit seriösen Arbeitgebern.

»Ich bin Jo, wie kann ich euch helfen?«

Die Schwarzhaarige umarmte ihn stürmisch und stellte sich ihm als »Inga« vor. Auch den anderen beiden war die Freude anzusehen. Sie verhandelten leise darüber, wer von ihnen zuerst gemerkt hatte, dass sie in Jo einen Komplizen finden würden, noch bevor Inga aktiv geworden sei.

»Die Platte ist in Schottland«, rief Inga dazwischen, nachdem sie sich wieder von ihm gelöst hatte. »Ich weiß nämlich, wo sie ist. Ich habe sie gesehen. Genau die Granitplatte mit den Wellen, die ihr gerade beschrieben habt.«

Maya und Spider verstummten und blickten sie sprachlos an.

»Auf einem Spaziergang, heute, in Schottland, da haben wir sie gesehen. Terreverde und ich.«

»Terreverde … ist mein Sohn? Er ist in Schottland? Geht es ihm gut?«, fragte Spider mit einem Staunen im Gesicht. Anscheinend war ihm sein Sohn noch wichtiger als diese heilige Granitplatte.

Inga grinste. »Ja, er hat gesagt, sein Vater nenne sich »Spider«. Als ich ihn zuletzt gesehen habe, war er gesund und munter und eine große rothaarige Frau lag in seinen Armen.«

»M-meine Tochter, Zoë?« stammelte Spider kaum hörbar und sank mit einem tiefen Seufzer in seine Kissen, beide Hände auf dem Herzen.

Mit einem Räuspern meldete Jo sich zu Wort: »Was können wir tun, wenn Dirk diese Macht in Händen hält und nicht wir?

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Maya zeigte Jo die zweite Socke:

»Wir haben dieselbe Macht wie dein Ex-Kumpel. Er hat nicht alle Steine. Wir brauchen sie aber alle, um sie in die Platte einzusetzen. Wir müssen ihm die andere Socke wieder abnehmen, und zwar so schnell wie möglich, bevor er herausfindet, was er alles damit anstellen kann.«

Sie beschlossen, das Krankenhaus zu verlassen und an einem sicheren Ort Pläne zu schmieden. Maya erledigte den Papierkram, damit klar war, dass Spiders Rechnung bezahlt wurde, der ja unter falschem Namen und ohne Ausweis hier logierte. Spider überzeugte die Krankenschwestern von seiner wundersamen Genesung und unterschrieb, dass er auf eigene Verantwortung entlassen werden wollte.

Die Vier ließen sich in einem Waldcafé nahe dem Krankenhaus nieder, wo sie ungestört reden konnten. Jo wusste zu berichten, dass Dirk, sobald er »den ersehnten Lottogewinn« haben würde, nach Mallorca übersiedeln wollte.

»Was täten wir nur ohne dich«, sagte Maya erfreut, »dich hat uns der Himmel geschickt.«

Sie konnten sich gut vorstellen, dass Dirk seine Reise-Fähigkeiten nutzen würde, um an viel Geld zu kommen und seinen lang gehegten Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Die Versuchung war groß, es ihm gleichzutun, aber sie widerstanden. Eigentlich wäre wohl jeder und jede von ihnen irgendwann schwach geworden, aber da waren ja noch die anderen und mindestens einer oder eine war jeweils stark und wusste, dass es falsch war, die Steine für so etwas zu missbrauchen. Wenn diese ihre Wirkung auf die Menschheit entfalten würden, wer weiß, ob sich ihre Sünden dann nicht nachteilig auswirken könnten?

So überlegten sie, wie sie am geschicktesten vorgehen könnten, um Dirk die Socke abzunehmen. Inga war zuversichtlich, ihn täuschen zu können. Er hatte sie nur einmal kurz im Krankenhaus gesehen und mit einer langen Blondhaar-Perücke wäre sie ein ganz anderer Mensch. Sie hatte noch eine zu Hause herumliegen von einem Schabernack, den sie in fröhlicheren Zeiten ihren Freunden gespielt hatte. Jo wusste, dass Dirk auf Blondinen stand, und er vermutete, dass die schwarzhaarige Inga ihm überhaupt nicht aufgefallen war. Also war sie es, die auf Mallorca versuchen sollte, Dirk auszuspionieren. In der ersten Zeit würde er die Sock sicherlich nicht aus der Hand legen, um bei Bedarf schnell verschwinden zu können, später seinen »Schatz« sicher verwahren. Sie mussten alle mit, um notfallse einen »Plan B« in die Tat umzusetzen, ohne lange Reisezeiten zu haben. Dirk durfte aber weder Jo noch Spider, nicht einmal Maya, sehen. Er kannte sie alle zu gut.

Darauf hoffend, dass der Stein auch Gruppenreisen ermöglichte, stellten sie sich im Kreis auf, umfassten alle Mayas Faust, in der die Socke war und wünschten sich zuerst ins Wohnzimmer von Ingas Wohnung in Berlin.


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Es hatte geklappt! Maya blickte sich um, sah ein Wohnzimmer und roch kalten, abgestandenen Rauch. Das musste Ingas Wohnung sein. Nach Luft japsend, als wären sie eine Treppe hinaufgerannt, ließen sich alle auf Sesseln und Couch nieder. Spider sah seine Hände und Arme an, als könne er kaum glauben, dass sie heil übertragen worden wären. Maya, schon an die neue Art des Reisens gewöhnt, fasste sich schnell und öffnete ein Fenster. Verkehrslärm, gemischt mit Abgasen, drangen in das Zimmer. Entsetzt schloss sie es wieder. Dann schon lieber abgestandener Rauch. Sie schnappte sich den Aschenbecher, um ihn in der Küche zu leeren, wollte den anderen Zeit geben, anzukommen. Ein Wasserkocher. Sie konnte nicht widerstehen, füllte ihn mit frischem Leitungswasser und nachdem der Aschenbecher ausgespült war, machte sie sich auf die Suche nach Teebeuteln. Becher hingen griffbereit an einer Holzleiste unter dem Hängeschrank.

Als sie mit einem Tablett voller Tee-Becher wieder ins Wohnzimmer kam, fehlte Inga. Sie zog sich wohl um. Als sie hereinstolzierte, empfingen sie alle mit beeindrucktem »Oh« und »Ah«. Maya wusste von der Wandlungsfähigkeit ihrer Freundin, aber die anderen hatten ihr offensichtlich keine solche Wandlung zugetraut. Die sonst durch herbe Sachlichkeit charakterisierte Inga trug ein leichtes geblümtes Sommerkleid und warf die blonden Locken einer Langhaarperücke nach hinten. Mit einem kessen Lächeln lüpfte sie ihr Röckchen und offenbarte, dass sie den Bikini bereits drunter hatte. Die große Sonnenbrille, die sie kurz nach oben schob, um ihre Wirkung zu genießen, verlieh ihr etwas Geheimnisvolles und betonte ihre kirschroten Lippen. Die Männer konnten die Augen nicht von ihr abwenden, als sie ein paar aufreizende Posen ausprobierte. Offensichtlich fühlte sie sich in ihrer Rolle wohl.

»Nun ist aber Schluss«, entschied sie energisch, »wir sind ja nicht zum Vergnügen hier. Wo finden wir den Tunichtgut und wie pirschen wir uns an?«

Jo kannte die genaue Stelle auf Mallorca. Dort wollten sie definitiv nicht alle gleichzeitig erscheinen. Das Arabella Golf Hotel und der Strand davor, in der Bucht von Palma, war zu jeder Tages- und Nachtzeit ein sehr belebter Ort. Davon hatten sie öfters gesprochen im »Hauptquartier«, das galt als der Inbegriff des Luxus'. Golf, der dekadente ›Sport‹ der Reichen. Nichts, was Dirk oder Kurt sich leisten konnten. Kevin war mal mit IHR dort gewesen und hatte davon berichtet. Ohne lange zu diskutieren beschlossen sie, sich drei Kilometer östlich von diesem Hotel an den Strand zu wünschen. Das sollte als Sicherheitsabstand ausreichen. Gleichzeitig hätte Inga nur einen kurzen Fußweg, bis sie ihr Ziel erreichte.

Kaum hatten sie sich im Kreis aufgestellt und ihre Hände in der Mitte zusammengeschlossen, um ihre bereits erprobte Reisemethode anzuwenden, waren sie schon dort. Ein warmer Wind unmwehte sie und der Himmel war wolkenlos blau.

Nach dem Mief in der Raucherwohnung atmeten alle erst einmal tief durch. Dann verabredeten sie einen Treffpunkt für den nächsten Tag.

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Inga winkte kurz und machte sich eilig auf den Weg. Sie war aufgeregt, zu allem entschlossen, aber auch ein wenig besorgt. Würde sie Dirk finden und würde sie ihn überhaupt wiedererkennen? – Ach, so ein fieses Gesicht gab es ja nicht allzu oft, sie wappnete sich mit Zuversicht.

Schon bald wurden ihr all die Dinge bewusst, an die sie nicht gedacht hatten: Zunächst einmal diese Sonne! Ein Sonnenhut wäre nicht verkehrt gewesen, und Sonnencreme. Und dann würde sie vielleicht Geld brauchen, wenn sie sich unter die Reichen mischen wollte. Ein wenig hatte sie in ihrer Badetasche dabei, aber nicht viel. Und Gepäck. Es wäre vielleicht unauffälliger gewesen, mit einer Reisetasche anzukommen und ein Hotelzimmer zu buchen. Aber die Preise! Nein, sie würde so tun, als wäre sie ein Gast im Arabella-Hotel und dafür war die Badetasche genau das richtige Requisit, wenn sie nur am Strand oder am Swimming Pool herumlungern wollte. Sie packte ihre Sandaletten in die Tasche und lief den Strand hinunter zum Wasser, wo sie sich wohlig seufzend die Zehen benetzen ließ.

Dann hüllte sie sich in ihr Badehandtuch, um ihre nackten Schultern vor der Sonne zu schützen, und machte sich auf den Weg. Das Luxushotel lag direkt am Strand, sie würde es nicht verfehlen können. Drei Kilometer waren bei der Hitze schon ein beachtliches Stück Weg, aber endlich erreichte sie das sandfarbene Gebäude, dessen Ausmaße sie aufgrund der üppigen Vegetation und der raffinierten Bauweise nur ahnen konnte. Unauffällig versuchte sie, sich einen Eindruck zu verschaffen. Keine Spur von Dirk, auch auf dem nahe gelegenen Golfplatz konnte sie ihn nicht entdecken, wenngleich das Gelände weitläufig war und sie wenig Lust hatte, weiter zu laufen. Schließlich ließ sie sich am Pool nieder und hoffte, dass er irgendwann auftauchen würde.

Genervt musste Inga feststellen, dass eine attraktive Blondine an einem Pool nicht lange allein bleiben konnte. Sie wies einen Verehrer nach dem anderen mit der Ausrede ab, ihr Mann, ein Preisboxer, käme gleich wieder und würde es gar nicht gerne sehen, …

So wartete sie Stunde um Stunde, mancher Verehrer war verwirrt, dass ihr Mann angeblich inzwischen Bodyguard geworden war und am Fenster ihres Hotelzimmers über sie wachte. Sie hatte es aufgegeben, sich die Typen genauer anzusehen und dachte sich immer neue Lügen aus, um der Langeweile zu entkommen. So wartete sie vergebens, auch am Abend in der Hotelbar. Es gab so viele Möglichkeiten, wo man sich hier aufhalten konnte. Überall Menschen, kein Dirk.

Frustriert wanderte sie schließlich den Strand entlang zurück zum Treffpunkt, wo die anderen auf sie warteten. Sie blickte in gespannte Gesichter und brachte es kaum übers Herz, die schlechte Nachricht auszusprechen:

»N…nichts«

»Nicht einmal gesehen hast du ihn?«, fragte Maya enttäuscht.

»Wahrscheinlich ist er gar nicht auf Mallorca«, mutmaßte Spider. Er hatte eine Sandburg gebaut und verzierte sie gerade mit Dingen, die er am Stand gefunden hatte: Eine Sandkuchenform, eine Sonnenbrille und eine Schaufel steckten schon darauf, jetzt mühte er sich ab, die Plastikverpackungen verschiedener Süßigkeiten so zu befestigen, dass sie nicht fortgeweht werden. »Ich fand den Plan von Anfang an windig«, setzte er nach.

»Sonnig«, korrigierte Inga ihn grinsend. »Morgen finde ich ihn sicherlich.«

»Ganz bestimmt«, pflichtete ihr Jo bei, »ich weiß einfach, dass er hier ist. Vielleicht ist er unter anderem Namen hier abgestiegen.«

Die Gruppe hatte eine billige Unterkunft organisiert, in der sie alle übernachteten und auf einen erfolgreicheren nächsten Tag hofften.


Früh Morgens brach Inga wieder auf, dieses Mal mit einem ordentlichen Finanzpolster in der Tasche. Sie wollte versuchen, Dirk beim Frühstück zu treffen. Irgendwann musste er dort erscheinen. Vorher wollte sie an der Rezeption nach ihm fragen. Seinen Nachnamen, Krause, hatte sie gestern noch nicht gewusst, hatte ihn jetzt von Jo erfahren und hoffte, dass er diesen Namen tatsächlich benutzte. Die blonde Perücke saß ihr wie eine Wollmütze auf dem Kopf und ihr war heiß, sogar jetzt schon. Wenigstens war der Sand noch ein wenig kühl von der Nacht und der Strand noch nicht so bevölkert wie gestern. Offenbar waren die meisten Mallorca-Urlauber Nachtmenschen und schliefen morgens lieber aus.

Einige ›Fitness-Junkies‹ drehten schon ihm Pool ihre Runden, als Inga beim Hotel ankam. Unter ihnen würde sie Dirk sicherlich nicht finden. An der Rezeption lieferte sie der freundlichen Frau, die unter anderem fließend Deutsch sprach, eine herzzerreißende Geschichte: Sie habe ihrem Verlobten den Laufpass gegeben, er sei frustriert mit all ihren Ersparnissen nach Mallorca abgeflogen. Sie habe erfahren, dass sie ihm Unrecht getan habe, habe bereut. Daher müsse sie ihn unbedingt wiederfinden, um ihm zu sagen, dass sie ihm verziehen hat, dass sie weiß, dass es gar nichts zu verzeihen gibt, dass sie ihn liebt und sonst niemanden. Tja, und dass sie hoffte, ihn in diesem Hotel zu finden, weil sie immer davon geträumt hatten, einmal gemeinsam hierherzukommen.

Die Dame an der Rezeption hatte zugehört, ohne sie zu unterbrechen. Sie blickte ihr mit professionellem Lächeln in die Augen und sagte, als Inga mit ihrer Geschichte fertig war:

»Im Interesse unserer Gäste kann ich Ihnen leider die gewünschte Auskunft nicht geben, …«

Inga setzte zu einer erneuten Tirade an, aber während sie noch einatmete, fuhr die Dame mit einem verschwörerischen Augenzwinkern fort:

»aber einen Rat kann ich Ihnen geben. Buchen Sie hier ein Frühstück und bleiben Sie so lange im Frühstücksraum sitzen, bis ›er‹ dort auftaucht.«

Inga war hocherfreut über diesen Rat, und darüber, eine Komplizin gefunden zu haben. Sie bat diese, nichts von ihrem Gespräch zu verraten, auch in den nächsten Tagen nicht.

»Diskretion ist in diesem Hotel selbstverständlich«, versicherte die Dame ihr mit ernster Miene.


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In einer schattigen Ecke des Frühstücksraums fand Inga einen freien Tisch, deponierte ihre Tasche und holte sich erst einmal Kaffee, Orangensaft und ein Croissant. Mehrere aktuelle Zeitungen in deutscher Sprache gehörten zum Inventar und hingen direkt neben ihrem Tisch. Sie nahm sich eine davon, biss in das Croissant und grinste kauend in sich hinein. So hatte sie sich das Leben einer Detektivin vorgestellt.

Der Frühstücksraum war exquisit gestaltet. Inga blickte von ihrem Tisch aus quer durch den Raum auf einen rosa blühenden Busch, einige Palmen und einen sorgsam gepflegten Rasen, wahrscheinlich ein Ausläufer eines der Golfplätze. Im Hintergrund gab es ein paar Felsen und dahinter erstreckte sich ein Wald. Überall strotzte üppige Vegetation, die in der Nähe des Hotels durch bizarre Palmen, üppig blühende Pflanzen und von Natursteinen gesäumte Wege gezähmt wurde. Ebenso luxuriös wie der Ausblick war das Angebot an Speisen. Das reichhaltige Frühstücksbüffet bot nicht nur alles, was sie sich wünschen konnte und was sie von anderen Büffets kannte, es gab auch allerlei Speisen, die Inga noch nie gesehen oder gar gegessen hatte. Aus sicherer Entfernung beobachtete sie, was die ersten Frühstücksgäste bevorzugten. Rührei, Eier, Wurst, Brötchen. Langweilig. Ebenso wie Inga wählten die wohl das, was sie kannten. Der Obstsalat sah interessant aus. Inga füllte sich eine Schale damit und strich verschiedene farbenprächtige Cremes auf eine Scheibe Brot, um sich einen Eindruck zu verschaffen, welche ihr am besten schmeckten. Die zahlreichen Müsli-Sortimente ließ sie stehen. Davon hatte sie zu Hause genug.

Nachdem sie ihren Hunger gestillt hatte, saß Inga sinnierend bei einer weiteren Tasse Kaffee und einem Glas Orangensaft und knabberte an einem kleinen Käse-Sortiment mit Beeren und Trauben, das sie sich für den Abschluss zusammengestellt hatte. Langsam füllte sich der Saal. Zuerst kamen die Familien mit Kindern, später auch Hotelgäste, die es schließlich doch geschafft hatten, trotz des Katers vom gestrigen Feiern aus den Federn zu kommen. Plötzlich entdeckte sie Dirk und verstand auf Anhieb, wieso der Dame an der Rezeption das Lächeln entglitten war: Er war umringt von einer Schar von Blondinen. Alle schnatterten aufgeregt durcheinander, buhlten um seine Gunst. Inga zählte sechs, eine schöner als die andere. – Hatten die alle mit ihm übernachtet? Nicht zu fassen!

Entmutigt stahl sie sich davon. Sie konnte sich nicht vorstellen, mit sechs Profi-Blondinen in Konkurrenz zu treten. Es wurde Zeit für einen Plan B. Zunächst befragte sie die diskrete Dame an der Rezeption, sagte ihr, dass sie jetzt nur noch den Rest ihrer Ersparnisse retten, nicht jedoch ihrem Verflossenen – Schande über ihn – verzeihen wollte. Wer denn diese Frauen seien, wollte sie wissen. Die Befragte bedauerte es ehrlich, keine der Damen zu kennen. Wohl wusste sie, wo man derlei Damen mieten konnte, aber die Möglichkeiten waren vielfältig und woher diese kamen, wusste sie nicht.

»Vielleicht kennt einer Ihrer Kollegen die Agentur dieser Damen?«, versuchte Inga es hoffnungsvoll.

»Ja, das ist möglich, er wird einen Mann gefragt haben. Aber mein Kollege beginnt heute erst um 18 Uhr. Auch ist es denkbar, dass Ihr Ex-Verlobter jemanden an der Bar gefragt hat.

Inga ging erst einmal nach draußen um zu rauchen. Im Frühstücksraum, ja im gesamten Hotel, war das verboten. Schlimm. Nirgends konnte man es sich mehr gemütlich machen. Ein neuer Plan musste her, wenn sie nicht noch tagelang immer wieder diesen Weg den Strand entlang wandern wollte. Wandern war nun wirklich nicht ihr Ding. Sie setzte sich in eine Sitzecke der Lobby und nahm einen Mann mittleren Alters ins Visier, der dort Zeitung las. – Was konnte sie ihm erzählen, damit er für sie herausfand, bei welcher Agentur Dirk seine Frauen buchte? Zur Abwechslung versuchte sie es direkt:

»Entschuldigen Sie, wenn ich störe, …«


Er blickte erfreut von seiner Zeitung auf und versicherte ihr, dass eine schöne Frau wie sie ihn niemals störte.

»Mein Anliegen ist etwas ungewöhnlich.«

»Zu Ihren Diensten, meine Schöne.«

»Könnten Sie in den Frühstücksraum gehen und den Mann mit den sechs Blondinen fragen, wo er diese gemietet hat?«

Jetzt schluckte er doch und blickte sie verwirrt an.

»Eine Wette«, beeilte Inga sich, zu behaupten.

»Einverstanden. Ich finde das für Sie heraus und Sie essen dafür heute mit mir zu Abend.«

»Deal«, sagte Inga erfreut, denn die kulinarischen Genüsse des Frühstücks hatten ihr Lust auf weitere Erfahrungen dieser Art gemacht. Sie ahnte zwar, dass er auf mehr hoffen würde, aber man sollte den Menschen ihre Träume lassen. Leider war er nicht so dumm wie sie dachte. Als er von Dirks Frühstückstisch zurückkam, wo er kurz mit ihm geredet hatte sagte er:

»Ich habe, was Sie wollten, Sie bekommen es heute Abend nach dem Essen.

Inga bedankte sich und sie verabredeten sich für 20 Uhr in der Lobby. Mist, so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Aber wenigstens wollte er mit der Information schon nach dem Essen herausrücken und nicht nach … sie schauderte. Essen war okay. Viele Mahlzeiten wollte sie sich hier nicht leisten, auch wenn sie jetzt genügend Geld dabeihatte.

Während sie innerlich vor sich hingrummelte, ihren neuen Verehrer gelegentlich scheinbar verbindlich anlächelnd, sah sie zwei Blondinen zu den Waschräumen stöckeln, munter miteinander auf Russisch oder Polnisch plaudernd. Sie folgte den beiden und als sie zu dritt vor dem Spiegel standen, sprach sie sie an. Die Deutschkenntnisse der beiden genügten, um herauszufinden, dass sie für den VIP-Escort auf Mallorca arbeiteten, »namhaftes Organisation«, wie sie ihr versicherten.

»Ich bin eine Journalistin. Ich schreibe über einen Escortservice.«

Beide Frauen sahen Inga interessiert an.

»Wieviel zahlt er?«

»1500 Euro für ein Tag und Nacht«, sagte die Kleinere der beiden, die andere sah sie böse an.

»Ich möchte das selbst ausprobieren, 500 Euro, wenn ich eine von euch einen Tag vertreten darf. Dann wären das 2000 Euro zusammen mit dem, was er zahlt. Später machen wir Interviews, ebenfalls bezahlt. Ich möchte über euren Beruf informieren, möglichst authentisch.«

Die beiden sprachen aufgeregt miteinander. Die Kleinere schien geneigt zu sein, einzuwilligen, die andere hatte anscheinend Angst um ihren guten Job, falls Dirk dahinterkam, was hier lief.

Schließlich wurden sie einig und Inga durfte für Maria den Tag übernehmen. Sie würden behaupten, Maria sei unpässlich und werde vertreten von ihr, Nadine. Mit einem kritischen Blick auf ihr Kleid und die bequemen Schuhe, die Inga heute trug, schlug Maria vor, zu tauschen. Seufzend stieg Inga in die hochhackigen silbernen Sandaletten, die auch zu dem ›Kleinen Schwarzen‹ passten, das Maria sich für den Abend mitgebracht hatte und ihr ebenfalls überreichte. Wortreich erklärten die beiden ihr, dass sie ohnehin nicht viel zu laufen hätte. Es ginge mehr darum, dass er zeigen wollte, dass er viele Frauen hatte. Die Nächte waren manchmal eine Qual, aber damit würde sie ja nichts zu tun haben, bis dahin sei Maria wieder da, die auch die ausgefalleneren Wünsche zu erfüllen wusste.

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Es wurde ernst. Inga stöckelte zusammen mit Vlada zurück in den Frühstücksraum, wo Dirk uns seine Gespielinnen gerade aufbrachen, um an den Pool zu gehen. Dort scharten sich die Mädels sogleich um Dirk, der sich unter Jubel und Applaus ausgezogen hatte und nun von ihnen mit Sonnenöl eingerieben wurde. Er schien von Inga keine Notiz zu nehmen, stutzte nur kurz. Vlada informierte ihn über die Vertretung, mit der er nach einem, wie er meinte, Kennerblick auf ›Nadine‹ und einem schmutzigen Grinsen zufrieden zu sein schien. Inga untersuchte unauffällig die Kleidung, die Dirk abgelegt hatte, indem sie sie ordnete und zusammenlegte. Da war sie, die Socke. Offenbar meinte er, vor Diebstahl sicher zu sein, weil dieses Objekt so gar nicht nach Wert aussah.

»Hey, was machst du da?«, rief Dirk misstrauisch.

»Sachen ordnen«, erwiderte Inga mit einem Lächeln und tätschelte den Stapel, auf dem sie Hose, Hemd und Socken zusammengelegt hatte. Oh weh, sie merkte schon, dass ihr spröder Charme so gar nicht zu einer Blondine passte.

»Lass die Finger davon«, befahl er, sichtlich um einen gelassenen Eindruck bemüht. Er wollte sicherlich kein Interesse an den Klamotten wecken, prüfte deshalb auch nicht, ob die Socke noch da war. – Wer würde schon eine gebrauchte Socke klauen?

Schnell fand Inga sich in das lockere und fröhliche Geplauder der Frauen hinein. Sie waren alle sehr hübsch, sehr selbstbewusst, dabei sehr nett miteinander. Keine Konkurrenz. Es war ganz klar Solidarität, was sie verband. Sie waren Profis, wussten, wie sie es einem Mann bequem machen konnten, oh ja! Inga staunte und Dirk sonnte sich in der scheinbaren Sympathie, die sie ihm schenkten.

Hin und wieder schickte er eine weg, um dieses oder jenes für ihn zu holen. Viel hatten sie dabei nicht zu tun, denn es gab einen ausgezeichneten Service hier im Hotel, sogar am Pool und auch schon vormittags. Die Frauen hatten atemberaubende Bikinis, die weit mehr zeigten als sie verbargen. Inga kam sich wie ein Landei vor, obwohl sie ihren bisher auch ganz chic gefunden hatte. Dirk warf den Männern in seiner Umgebung immer wieder verstohlene Blicke zu, weidete sich offenbar an ihrem Neid. Manche starrten die schönen Frauen an, andere versuchten, sich nichts anmerken zu lassen, aber ihrer aller Aufmerksamkeit lag offensichtlich bei »seinen« Frauen, die gelegentlich eine Runde durch den Pool schwammen und dann zu ihm zurückkehrten. Zu ihm, ihrem Herrn und Meister, dachte er wohl. Zu ihm, der dafür 1500 EUR pro Nase bezahlen musste, dass sie in seinem Beisein faulenzten. Und wenn es ihnen gelang, ihn abends wieder so richtig abzufüllen, würden sie alle eine ziemlich ruhige Nacht haben. Inga sowieso, denn ihre ›Schicht‹ endete vor dem Zu-Bett-Gehen.

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~ 19 ~
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Loretta hatte sich nach einiger Zeit im Verlies eingefunden, um Kevin bei der Arbeit zuzusehen. Es gefiel ihr, Menschen leiden zu sehen. Dieser ›Abenteurer‹, Jonny, war allerdings eine Enttäuschung. Er hatte solche Angst davor, dass Kevin ihm wehtun könnte, dass er wahllos alles erzählte, was ihm einfiel. Das meiste war nicht zu gebrauchen. Aber die Panik, die er ausstrahlte, überzeugte Loretta davon, dass er tatsächlich nicht mehr wusste als das, was sie längst wusste, was ihr Kurt zuvor berichtet hatte. – So ein Reinfall! Allerdings faselte er von einer Oma und in seinem Adressbuch stand diese Oma drin, mit einem Herzchen daneben – wie niedlich! Anscheinend bedeutete sie ihm etwas. Loretta packte Jonny, drehte seinen Kopf so, dass sie ihm aus kürzester Entfernung in die Augen blicken konnte und schnauzte:

»Pass mal auf, du Würstchen, ich erzähl' dir, wie es läuft: Du findest jetzt ganz schnell diesen Spider und kriegst aus ihm heraus, wo die Steine sind und wie sie funktionieren. Sonst statten wir deiner Oma einen Besuch ab, der ihr ganz sicher nicht gefallen wird.«

Sofort begann Jonny, zu winseln: »Ich tu ja alles, was Sie wollen, aber lassen Sie meine Oma aus dem Spiel, bitte!«

Loretta freute sich. »Mach' ihn los, lass' ihn laufen und schick' Kurt hinterher. Ich verstehe nicht, wo Dirk und Jo bleiben. Nun musst wohl du ein Weilchen die Tür im Auge behalten, mein Großer«, fügte sie mit einem bedauernden Schulterzucken hinzu.

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Jonny war zuversichtlich, seinen Job schnell erledigen zu können. Erstens wusste er, wo Spider war, und zweitens hatte er eine Süße in dem Krankenhaus, die er befragen konnte. Deren Hilfe brauchte er mehr als erwartet, als er erfuhr, dass Spider nicht mehr im ›Evangelischen‹ war. Conni hatte zu seinem Glück Dienst, war aber recht ungehalten, weil er so lange nichts hatte von sich hören lassen.

»Geschäfte, meine Liebe, versteh' das doch. Ich war unterwegs, musste jemanden beschatten. Ein ganz wichtiger Auftrag. Bin immer noch dabei. Wenn du mir hilfst, hab ich bald wieder Zeit für dich. Und Geld. Das ist eine ganz große Sache.«

Conni war, das konnte er sehen, nicht wirklich überzeugt, aber was er wissen wollte, sagte sie ihm. Immerhin war Spider das Gesprächsthema auf allen Etagen im ›Evangelischen‹. So erfuhr Jonny, dass Spider unter falschem Namen verlegt worden war, um mordlustigen Verbrechern zu entkommen. Dass einer von denen eine Krankenschwester und eine Ärztin bedroht und gefesselt hatte, um herauszufinden, wohin er verlegt worden sei. Als sie dann dort anriefen, war er wohlauf und kurz darauf wäre er auf wundersame Weise geheilt und entlassen worden. Nein, nicht die Ärzte hätten Wunder vollbracht, es sei quasi ganz von allein gegangen. Auch die Nummer seines Krankenzimmers konnte sie Jonny verraten, da sie ihn im Krankenhaus-Slang nicht ›Spider‹, sondern ›Fahrradunfall von Nummer 205‹ nannten.

###Bis hierher überarbeitet###

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~ 20 ~
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Jonny dankte und brauste zum Landeskrankenhaus, hoffte, der Bettnachbar von Spider könnte ihm weiterhelfen. Und er hatte Glück! Nicht nur, dass der noch in 205 lag, er war bei Bewusstsein, langweilte sich, weil der Trubel um Spider schon wieder abgeklungen war und hatte nur darauf gewartet, dass ihm jemand zuhören wollte. Als Jonny sich einen Hocker an sein Bett zog, sich setzte und gar so gebannt guckte, witterte der alte Heinrich seine Chance:

»Meine Kehle ist total ausgetrocknet, mit ein wenig Scotch könnte ich sicherlich flüssiger berichten.« Er kicherte in sich hinein, als der Andere eilig aufbrach, um seinen Wunsch zu erfüllen und er staunte nicht schlecht, wie schnell er zurück war, eine Flasche vom Feinsten in der Tragetasche und zwei Wassergläser in der Hand. – Ha, der wusste, wie das hier lief!

Jonny goss für beide ein und Heinrich trank einen großen Schluck. »Aaah … das hab' ich vermisst! Hier kann man ja nicht gesund werden, wenn sie einen dursten lassen.« Jonny nippte an seinem Glas:

»Nun mach's doch nicht so spannend, erzähl!« forderte er. Und Heinrich erzählte. Er erzählte manches Unwichtige, aber Jonny ließ ihn geduldig gewähren, wusste er doch, dass es schwer war, zu entscheiden, was überhaupt wichtig war. So erfuhr er, dass die Steine in eine Steinplatte eingesetzt werden sollten, um die Menschheit zu retten. Heinrich konnte die Steinplatte mit der Wellengravur beschreiben und auch den Ort, wo sie sich befand. Jonny staunte nicht schlecht, was der alte Zausel alles mitbekam. Wahrscheinlich hatte Spiders Gruppe ihn für senil gehalten. Heinrich hatte keine Ahnung, wovon er redete, aber er konnte alles sehr genau und zusammenhängend berichten, wusste sogar, dass ein Fiesling einen Stein in einer Socke hatte und damit reisen konnte, einfach nur durch Wünschen und dass Spiders Gruppe – eine Frau mit Rollkragenpullover, eine mit schwarzen Stoppelhaaren und ein riesiger Gorilla – die anderen Steine hatte, eine weitere Socke präpariert hatte und ihn nun verfolgen wollte. Dass der Gorilla übergelaufen war und der Fiesling sich selbständig gemacht hatte, war ihm auch nicht entgangen.

Jonny war sehr zufrieden. Seine Oma war gerettet. An seinen Profit dachte er gar nicht mehr. Eilig machte er sich auf den Weg, um Loretta Bericht zu erstatten. Die hörte ihm gespannt zu und beschloss dann:

»Wir müssen nach Schottland zu diesen Ökos, ein wenig Selbsterfahrung mimen. Früher oder später werden sie mit den Steinen da auftauchen, falls sie Dirk überlisten können. Ich denke, das werden sie. Eine andere Chance sehe ich nicht. Wenn Dirk gewinnt, dann finde ich ihn auf Mallorca und schieße ihm persönlich eine Kugel in den Kopf, diesem Verräter. Aber das hat Zeit. In seinem Spatzenhirn ist sicherlich keine Idee für einen anderen Ort, um Geld zu verprassen. Kevin, pack unsere Sachen. Jonny, mach dich bereit für eine Reise, verabschiede dich von deiner Oma. Du arbeitest jetzt für mich. Ab morgen bleibt dieser Puff geschlossen.«

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~ 21 ~
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Inga versuchte, locker, lustig und leichtlebig zu sein. Das waren nicht gerade ihre Stärken. Jedesmal, wenn Dirk sie besitzergreifend angrapschte, musste sie den Impuls niederkämpfen, ihm eine reinzuhauen. Die anderen Frauen halfen ihr, so gut sie konnten, aber es entging ihr nicht, dass sie besorgte Blicke austauschten.

Dieser Job erforderte emotional mehr von ihr, als sie erwartet hatte. Dafür war er intellektuell anspruchslos und sie konnte bei alledem darüber nachdenken, wie sie an die Steine kommen sollte und mit denen entkommen könnte. Würde Dirk sie in den Tresor packen, hätte sie ein echtes Problem. Jetzt waren sie in seiner Hosentasche und er hatte die Hose nicht an. Vielleicht gab es so eine Gelegenheit nicht wieder.

Aber Dirk war schnell und aufmerksam und wenngleich er nicht besonders stark zu sein schien, hätte er mit der kleinen Inga dennoch ein leichtes Spiel. – Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Wie hatte sie nur so blind sein können? Sie hatte darüber nachgedacht, dass es ein Fehler gewesen ist, die andere Socke beim Rest der Gruppe zu lassen, weil sie jetzt so gerne damit geflohen wäre. Aber die Socke in Dirks Hosentasche war ja ebenso gut! Sie musste laut lachen bei dem Gedanken, dass ihr das entgangen war. Bevor Dirk noch etwas unternehmen könnte wäre sie bereits weg. Sie stand auf, ging zu dem Klamottenstapel auf der Nachbarliege, packte die Hose samt Socke darin und wünschte sich zum Treffpunkt mit ihrer Gruppe. Im selben Augenblick war sie dort und hätte sich fast versehentlich zurückgewünscht, so gerne hätte sie Dirks dummes Gesicht gesehen, dessen an sie gewandten Befehl sie im Verschwinden schon kaum mehr gehört hatte:

»Hey, du da, komm' sofort hier rüber!«

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~ 22 ~
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Zoë hatte Stubenarrest. So nannte sie es, klagte darüber bei jeder Gelegenheit. Seit Loretta mit ihren drei Männern eingetroffen war, durfte sie ihr Zimmer nicht mehr verlassen. Terreverde hätte auch ohne ihr Jammern gewusst, welch eine Folter das für seine quirlige Schwester war. Den Bewohnern der kleinen Siedlung hatten sie erzählt, dass sie krank sei. Es war nicht einfach, ihre Nachbarn und Nachbarinnen davon abzuhalten, allerlei Medizin an ihr auszuprobieren. Terreverde hatte sich schließlich selbst zum Medizinmann bevördert und behauptet, er wisse am besten, was für seine Schwester gut sei und sie dürfe auf gar keinen Fall zu irgend jemandem außer ihm Kontakt haben. So lag sie nun in ihrem gemeinsamen Zimmer und langweilte sich.

Terreverde berichtete ihr, so oft er konnte. Er musste ja andererseits auf der Hut sein und so viel wie möglich von den Plänen Lorettas ausspionieren. Die Vier benahmen sich wie Elefanten im Porzellanladen. Überall suchten und fanden sie Streit, sie waren offensichtlich ganz und gar unzufrieden mit der Situation, wollten nicht hier sein, nicht lieb tun und nicht warten. Sie liefen in der Gegend herum, guckten in jedes Gebüsch, schienen nach etwas zu suchen. Hin und wieder besuchten sie auch Vorträge und Seminare, ruinierten dort die Atmosphäre durch dumme Fragen oder einfach nur durch ihre Anwesenheit.

Inga hatte ein Handy dabei, ebenso wie Terreverde und die beiden Geschwister hatten mit Spider gesprochen. So vieles gab es zu reden, sie mussten es abrupt abbrechen, um auf das Wesentliche zu kommen: Sobald die Anderen alle Steine haben würden, sollte Terreverde eine SMS bekommen um sicherzustellen, dass Lorettas Bande sich in Sichtweite aufhielt.

Beim Frühstück war es endlich so weit. Als Terreverde das Essen für Zoë zusammenstellte, meldet sich sein Handy in der Hosentasche. Er blickte sich unsicher um: Handys waren hier verpönt. Da noch alle beim Essen waren, beeilte er sich, zu Zoë zu laufen und simste die Antwort: »Alles sicher.«

Dann beeilte er sich, an den Frühstückstisch zu kommen, um sicherzugehen, dass das auch so blieb. Lorettas Bande stritt sich gerade darum, ob es eine gute Idee war, hierher gekommen zu sein oder ob man vielleicht doch lieber direkt zu Dirk hätte fahren sollen, um ihn zu erschießen. Einige Mitglieder der Gemeinde, die Deutsch verstanden, gucken mit angstvollen Augen zu den Vieren, aber keiner sagte etwas. Sie versuchten, jeden so zu nehmen, wie er war und vertrauten darauf, dass die Menschen hier zu sich Selbst finden und keinen Schaden anrichten würden. Bisher hatten sie damit Recht behalten.

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~ 23 ~
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Die vier »Mallorca-Urlauber« reisten sicher und unbemerkt zu der Steinplatte. Es war die richtige, Maya sah sie und war sich ganz sicher. Da waren die drei Wellen und sie hatte genau die Ausmaße, die das Medium angegeben hatte: Zehn Meter lang und fünf Meter breit. Auch mit so einem kräftigen Helfer wie Jo gelang es natürlich nicht, die Platte zu bewegen. Aber Maya hatte vorgesorgt: Auf Mallorca hatte sie weitere Socken vorbereitet, in jeder waren jetzt drei der heiligen Steine zusammen mit richtigen billigen Eisenlöffeln und jeweils einem Quarz. Jeder von ihnen nahm eine solche Socke an sich und setzte sich damit an eine Ecke der mächtigen Steinplatte. Sie konzentrierten sich ohne weitere Verabredung auf die Platte. Keiner sagte etwas. Sie saßen dort eine gefühlte Ewigkeit, die Zeit schien still zu stehen. Inga dachte noch: So ein Unsinn, das ist ja wie bei Superman, wir können doch diese Platte nicht heben, da standen auf einmal alle wie auf Kommando auf und jeder packte die Platte an seiner Ecke und zog sie nach oben. Sie bewegte sich! Sie wurde aus ihrem Bett aus Moos und Wurzeln gerissen und fühlte sich leicht an wie eine Holzplatte.

»Schnell, richtet sie auf, damit wir an die Unterseite kommen, Inga und Maya nach unten, Jo und ich nach oben«, befahl Spider, dem als erster aufgefallen war, dass sie versäumt hatten, für diese Situation weiter zu planen. Anscheinend hatte keiner von ihnen so richtig an einen Erfolg geglaubt.

Gesagt, getan. Nun stand die Platte aufrecht auf der langen Seite und sie konnten unten zwölf Einbuchtungen sehen, die anscheinend für die heiligen Steine vorgesehen waren. Auf wundersame Weise waren diese nicht von Erde oder Flechten bedeckt wie der Rest der recht rauen Unterseite der Steinplatte. Sie waren glatt und sauber, wie poliert. – Wie sollten sie daran die Steine festmachen? Maya dachte nicht lange nach, sondern hielt einen der Steine aus ihrer Socke an eine der Einbuchtungen. Sofort sprang er ihr aus der Hand und verband sich mit einem Leuchten mit der Platte. Nun war da keine polierte Einbuchtung mehr, sonern ein Knubbel. Der Stein war mit der Platte verbunden, als wäre er immer dort gewesen, als hätte jemand die Erhebung aus einer dickeren Granitplatte herausgemeißelt.

Als die anderen sich von dem Schrecken erholt hatten, taten sie es ihr gleich und gaben auch die eigenen Steine frei, damit sie sich mit der Platte verbinden konnten. Es geschah jedes Mal mit einem Sprung des Steins zur Platte hin und mit einem Leuchten, als würde er eingeschweißt. Dann war es vorbei und alle Steine waren in der Platte enthalten. Ratlos blickten die vier auf die große Platte: Sollte die denn jetzt hier so stehenbleiben? Sie konnte umkippen und jemanden erschlagen. Aber sie trauten sich nicht, sie umzustoßen, es kam ihnen wie ein Sakrileg vor, so grob mit etwas so Mächtigem umzugehen.

»Schnell, weg, sie kippt!«, rief Inga und alle liefen auseinander. Die mächtige Platte fiel langsam und mit einem sanften Rumms an ihren Platz zurück, dahin, wo sie vorher gelegen hatte.

Sie standen darum herum und guckten. Sie sah aus wie eine ganz normale Steinplatte, gehauen aus einem riesigen Granitblock und graviert mit drei Wellen. Nun, da sie vollendet war, was würde wohl geschehen? Würde sich etwas ändern auf der Welt? Würde sie den Menschen helfen können, sich zu dem zu entwickeln, was in ihnen steckte? Zu Menschen, die man wirklich »menschlich« nennen mochte?

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~ 24 ~
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Es war bereits Abend geworden, als die Vier zu der kleinen Gemeinde kamen, die sich um ein Lagerfeuer versammelt hatte und Stockbrot und Salate und eingelegtes Gemüse aß. Jemand spielte auf der Gitarre Amazing Grace und viele sangen leise. Besonders schön hörte sich eine dunkle Stimme an. Jo musste zweimal hinsehen, konnte es nicht glauben: Die Gauner aus Lorettas Gruppe hatten sich unter die Anderen gemischt, Kevin hatte seinen Arm um ein rothaariges Mädel gelegt, ganz sanft, anders als es sonst seine Art war. Auch Loretta hatte Anschluss gefunden. Sie saß neben einem der älteren Männer der Gruppe und die beiden sahen einander beim Singen in die Augen. Die schöne Stimme, die Jo aufgefallen war, gehört Loretta, immer noch stark geschminkt und mit viel Schmuck behängt, aber mit einem weichen, entspannten Ausdruck im Gesicht und in perfekter Harmonie mit ihrem Gegenüber.

Ende.
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Zuletzt bearbeitet:

xavia

Mitglied
Hier erscheinen die wöchentlichen Fortsetzungen der Geschichte, die mit Kapitel 1 bis 11 unter dem Thema »Leben« begonnen hat.
Ich freue mich über jeden und jede, die bis hierher durchgehalten haben und sich fragen, was es mit den Steinen auf sich hat, die für so viel Wirbel gesorgt haben.
 

Aufschreiber

Mitglied
Gibt es die Möglichkeit, die anderen Teile irgendwie zu verlinken?
Das wäre für sone Nasen wie mich hilfreich, die nämlich jetzt eben das erste davon wahrgenommen haben.

TIA, Steffen.
 

xavia

Mitglied
Hallo Steffen, Willkommen im Leben ;)
Ich habe nun zwei Links eingebaut, die die beiden Teile der Geschichte verbinden. Mehr als zwei werden es höchstwahrscheinlich nicht.
LG xavia.
 

xavia

Mitglied
Heute hat es etwas gedauert, aber besser spät als nie: Kapitel 15 ist online, noch am Freitag. Kapitel 14 gab es wie üblich letzten Freitag. Da hatte ich vergessen, anzukündigen, dass es da ist.
 

xavia

Mitglied
Kapitel 16 ist online. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern und allen Leselupos und -lupinen ein frohes Weihnachtsfest und geruhsame Feiertage. Eine Fortsetzung gibt es dieses Jahr noch :)
 

xavia

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Tut mir leid, diese Woche ist es Samstag geworden, aber jetzt steht der vorletzte Teil, 23, online. Viel Spaß.
 

ahorn

Mitglied
Hallo Xavia,

die Szene der Alten gefällt mir. Die ist so schön, wie du es vielleicht schreiben würdest, ätzend.

Dirk stand plötzlich in IHREM geräumigen (Ist das wichtig?) Büro in einer Ecke neben dem Fenster.

Es lud sie jedes Mal so wunderbar mit Macht und sexueller Kraft auf, dagegen verblasste eigentlich alles andere. Sie musste schmunzeln. Ja, wirklich: In ihrem Alter, sie war jetzt immerhin schon 69 -- KOMMA welch eine wollüstige Zahl , dachte sie sich dabei. In ihrem diesem Alter konnte keiner ihrer Kerle sie mehr körperlich wirklich (Wenn sexuell) zufriedenstellen. Sie war mit den Jahren immer unersättlicher geworden. Aber immer, wenn sie Kurt oder Jo so richtig angeschrien hatte und KOMMA sie die Angst und KOMMA die Unsicherheit eines dieser Idioten riechen konnte roch, dann war sie wieder (Hat sie irgendeine Schwäche eingestanden?) voll da. Was für ein herrliches Leben sie doch hatte ! PUNKT



Aber gleich Gleich darauf verdüsterte sich ihre Miene bei dem Gedanken, dass ihr seit geraumer Zeit immer wieder einmal etwas gefehlt hatte. Zunächst dachte sie, dass es die Hormone oder KOMMA das Alter wären.

Sie wusste einfach (schlicht ;)) nicht, was es sein könnte. Wie gut, dass sie mit so dämlichen Mitarbeitern gesegnet war, die ihr dieses Gefühl der Macht gaben ! PUNKT

So hatte sie wenigstens diese ungetrübte Erregung, wann immer es sie ihr (Wen?) danach gelüstete. Eigentlich brauchte sie gar keine »Steine der Macht.« Sie hatte so derart viel Macht, wie sie wollte. Sie führte ein großes (Was ist groß, was ist klein? ;)) Bordell, hatte Angestellte, die vor ihr zitterten und ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen wollten ablasen, um bloß nicht ihren Zorn zu erregen.

Sie verachtete jeden und jede Einzelne. Diese erbärmliche Brut, dachte sie. Vielleicht sollte ich einige mal wieder (Wie oft tauscht sie, wen aus? Dürfen sie nach einer gewissen Zeit wieder anheuern?) austauschen. Das war ein weiterer Genuss ihres Lebens, dass sie sich ihre Leute einfach kaufen konnte. Ein wohliger Schauer durchlief (Kann ein Schauer laufen? Durchdringen?) sie bei dem Gedanken.
Während sie jetzt(Wann sonst?) wieder auf die Steine herabschaute, fühlte sie sich sehr intensiv in ihre Kindheit zurückversetzt. Immer, wenn sie damals ihre Spielkameraden so richtig schön ausgetrickst hatte und sich alle Murmeln in ihrem eigenen Beutel befanden, …

Aber ob dieser Besitz auch etwas taugte? Sie rieb sich das ihr (Hört sich sonst an, als gehöre es ihr nicht) faltige Kinn.

Ihre Leute hatten so einiges darüber erzählt.
»Na, mal sehen«, murmelte sie und nahm die Steine in ihre über und über beringten und mit Halbedelsteinen, Quarzen und Diamanten bestückten (Bei und sind ihre Hände mit Diamenten bestückt. ;) ), gut gepflegten Hände, als Jonny der Abenteuer in ihr Büro stürmte.


Liebe Grüße
Ahorn
 

xavia

Mitglied
Hallo, lieber Ahorn, willkommen in der Fortsetzung. Ich gratuliere dir zu deiner Ausdauer und danke dir für deine wertvollen Kommentare. Schön, dass dir Lorettas Szene gefällt :)

Jetzt habe ich sie überarbeitet und vielleicht gefällt sie dir dann noch besser, mir auf jeden Fall.

Hier konnte ich dir nicht folgen:

wann immer es sie (Wen?) danach gelüstete.
Ja, wen gelüstet es? Sie.
Duden

Ein wohliger Schauer durchlief (Kann ein Schauer laufen? Durchdringen?) sie
Ja, sieht so aus, als könne er das:
Redensarten

wie du es vielleicht schreiben würdest, ätzend.
Habe ich tatsächlich schon mal das Wort »ätzend« gebraucht?

Liebe Grüße Xavia.
 

ahorn

Mitglied
Hallo Xavia,

sorry, bei dem Satz vor dem ‚ätzend‘ ist mir leider ein ‚nicht‘ abhandengekommen.
Diese ewigen Wechsel der Protagonist machen mich zwar ein wenig konfuse, aber langsam gewöhne ich mich daran. ;)

Wem gelüstet es? Ihr.

Redensarten. Schöne Seite, habe mir ein Lesezeichen gesetzt.
Allerdings lese ich dort:
jemandem läuft ein / jagt es einen Schauer / Schauder über den Rücken.
Dies finde ich logisch. :)

Jonny setzte seine spontanen Ideen (Idee=Geistesblitz. Spontan?) immer (Bezweifele ich.) meist / oft / im Regelfall sofort um.

Was sollte er lange an irgendeinem Plan feilen, womöglich noch diffuse Ängste aufsteigen lassen, wenn es auch anders ging? Seine Oma hatte immer gesagt: »Junge, nimm dir KOMMA was du kriegen kannst. Durch ehrliche Arbeit ist noch keiner reich oder berühmt geworden.«
Gesagt, getan: Er würde die Puffdame so richtig aufmischen, ...

Kurzentschlossen stürmte er Jonny stürmte also in ihr Büro.

Dass es das beste Zimmer mit der schönsten Tür im Parterre sein würde, war ihm von vornherein klar und so rief er ihr beim Türöffnen ohne Vorwarnung laut entgegen, dass das Klo in seinem Zimmer verstopft wäre und er sofort jemanden bräuchte, der diese Sauerei wegmachen würde.
Ein bisschen lang der Satz ;) Ist es wirklich wichtig, ob er das schönste Zimmer hat oder nicht. Kommt niemand bei schlichten Zimmern? Was ist das für ein Laden?:eek:

Er packte Jonny ihn mit geübtem Griff am Schlafittchen und wartete auf weitere Anweisungen.
Jonny ließ erschrocken erschrocken ließ er die Steine fallen, ...

»Der Wurm soll die Steine aufsammeln, die er auf dem Boden verteilt hat und dann kannst du, mein lieber, gemeiner (Zu dick aufgetragen.) Kevin, deine Überredungskünste einsetzen, um aus ihm herauszukriegen, wie sie funktionieren.« Kevin zeigte ein fieses und siegessicheres Grinsen, …

…, wie sie ihren Keller hier nannten, da er zu finsteren Zwecken verwendet wurde.
‚da er zu finsteren Zwecken verwendet wurde.‘ Nee! den sie zu Zwecken verwendete, die außerhalb jeglicher Legalität waren.:rolleyes:

Liebe Grüße
Ahorn
 

xavia

Mitglied
Hallo lieber Ahorn, deine Nachricht (danke für die Kommentare, die führe ich mir morgen zu Gemüte) hat mich an meine versäumten Pflichten erinnert: Das Ende, es ist noch nicht fertig, ich werde es morgen fertigstellen und dann hochladen. Bei der Gelegenheit geht es dann auch mit dem Überarbeiten weiter.
Tatsächlich ist »ätzend« durchaus ein Begriff, den ich gerne verwende, ich dachte nur, dass du das eigentlich nicht wissen kannst :)
Jetzt will ich erst mal in Ruhe den Sturm genießen und hoffen, dass mein Dach hält.
Liebe Grüße Xavia.
 

xavia

Mitglied
Ein bisschen lang der Satz ;) Ist es wirklich wichtig, ob er das schönste Zimmer hat oder nicht. Kommt niemand bei schlichten Zimmern? Was ist das für ein Laden?
Ja, es ist wichtig, weil Jonny auf diese Weise ohne zu suchen das Zimmer findet. Und es ist schön, damit Loretta sich wohl fühlt. Ob jemand kommt oder nicht ist ihr egal, sie leitet den Laden ja, die Leute werden anderswo empfangen.
Aber ich habe es jetzt anders formuliert und auch den Schauer außen herum laufen lassen, wenngleich ich das Gefühl kenne, wenn er innen läuft. Egal. Hauptsache, er läuft.
Liebe Grüße Xavia.
 

ahorn

Mitglied
Hallo Xavia,

geile Socke.

Dirk hatte die ganze Zeit dabeigestanden und sich gewundert. Erstaunlich, dass es jemand wagte, so mit IHR umzugehen ! PUNKT durch die Szene in IHREM Büro, die er beobachten konnte hatte, ohne dass jemand von ihm Notiz nahm, hatte er Zeit gehabt, nachzudenken.

Oder vielleicht sogar (Eins ist zu viel. Entweder vielleicht oder sogar.) auch ohne Socke und Löffel? Wie auch immer, sein ursprünglicher Plan, IHR die Beute abzuliefern, wie er das gewohnt war, und dann davon zu profitieren, dass SIE wusste, was damit zu tun war, war überhaupt kein guter Plan: PUNKT Er hatte die Steine, er konnte auch selbst etwas damit anfangen . Und er hatte auch schon hatte sogar eine Idee.

Eilig lief (Eiliges Laufen, schnelles Gehen. Klar, du willst nicht den Satz mit ‚er‘ beginnen. Vielleicht gibt es eine andere Lösung ;) ) er die Treppe hinauf in sein Zimmer, schnappte sich seine Reisetasche, grinste bei dem Gedanken, dass er sich auch hätte die Treppe hinauf wünschen können und wünschte sich in den großen Tresor der Hauptfiliale (Großer Tresor? Wie viele Tresore hat diese Bank?) der größten Bank (Große Bank? Nur, weil eine Bank ‚groß‘ ist, heißt lange nicht, dass dort viel zu holen ist.) der nächstgelegenen Stadt (Weshalb beschränkt er sich auf die ‚Nächstgelegene‘, wenn er sich überall hin wünschen kann? Fort Knox wäre sicherlich interessanter. :) ).
Dort war es dunkel (Wie im Kühlschrank. Da geht auch erste das Licht an, wenn man die Tür aufmacht. Dort ist es aber nicht bloß ‚dunkel‘, sondern finster.) und stickig. Er konnte nichts sehen (Logisch ;), ist ja dunkel) und bekam sofort Platzangst (Dann sieht er doch etwas?). Er wünschte sich zurück in sein Zimmer, kramte in der Kommode nach einer Taschenlampe und KOMMA kehrte zurück in den Tresor, dieses Mal innerlich (Wie sonst?) gewappnet gegen die stickige Luft dort (Wo sonst.). Mit der Taschenlampe konnte er sehen (Ich sehe mit den Augen :) ), dass Geld in Regalen gestapelt lag, wie im Film.

Wieder (Wann hatte er zuvor gegrinst?) musste er grinsen, weil ihm zuerst der Bahnhof eingefallen war, um abzuhauen. Was für ein Unsinn ! ? (Kommt besser) Die Welt stand ihm offen, das ganze Universum!
Erschrocken ließ er die Socke fallen. Das fehlte ihm noch, ...

…, was er als Nächstes unternehmen wollte.

Und kurz darauf Kurz danach in der Lobby des größten Hotels am Platze.

Er dachte kurz daran, ob er Jo holen sollte, als seinen persönlichen Diener, entschied sich aber dagegen : PUNKT Es war nicht gut, Mitwisser zu haben. Er hatte hier (Wenn er überall hin kann?) ein neues Leben und das wollte er sich von niemandem streitig machen lassen.

Liebe Grüße
Ahorn
 



 
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