Leibrand

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lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Leibrand

Du richtest deine Blicke auf das Meer,
bist lang gewandert, ganz dem Möwenschrei verfallen,
für diese Nacht am schwarzen Ufer
mit dem Lärm der Ewigkeit
und all dem Plärren einer Kirmeswelt,
die dir das Herz zu füllen nicht vermag,
wo unter dir im weißen Schaum
dein Schatten in die Tiefe sinkt.

Mit ihm das Funkeln deiner Augen
und die spitzen Winkel eines Lächelns,
das nur für eine Nacht geformt und aufgebeben war.
Für eine, die der Nacht in sternenarme Reiche folgte,
die nie dem Flüstern deiner Stimme lauschen wollte,
als du die eine unvollendete Geschichte
in den Bauch der Flasche sprachst
und zu den Kerzen auf dem Grabstein legtest.

Und das ganze Feld der Toten
lauscht dem Wispern aus der Flasche,
das von dir und Leibrand raunt
und sieh, die Geister, wie sie in die Straßen eilen,
sich die blauen Tupfen zeigen, die nach Brooklyn führn.
Zu ihrer Königin, zu ihren leeren Fassungen
in den Laternen ihrer Stadt.

Doch das liegt hinter dir, an Land,
nur einen Atemzug entfernt,
nur einen Fall hinab.
 
O

orlando

Gast
Vorab:
Mit ihm das Funkeln deiner Augen
[strike]und[/strike] die spitzen Winkel eines Lächelns,
das nur für eine Nacht geformt und aufgebeben war. (aufgehoben?)
Ansonsten: grandios!
Unglaublich expressive Sprache, wie ich sie nun einmal mag.
Gefühlte 10.

:)
 
F

Fettauge

Gast
Hallo Lapismont,

der Titel machte mich neugierig. Es gibt mehrere Firmen mit dem Namen Leibbrand und auch einen Psychologen namens Leibbrand, was aber mit Leibrand gemeint sein könnte, da bin ich überfragt. Vielleicht kannst du mir einen Tipp geben, ich bin so scheußlich ungebildet, habe vielleicht noch nicht die gesamte Weltliteratur gelesen und auch noch nicht alle Erzeugnisse der US-amerikanischen Filmunterhaltungsindustrie mir reingezogen.

Man hat beim Lesen im ersten Moment den Eindruck, dass es ein sprachlich ziemlich eingängiges Stück ist. Inhaltlich versuche ich das Ganze mal auseinanderzuklamüsern:

Einer (Leibrand) ist lange gewandert, und während des Wanderns verfiel er dem Möwenschrei ganz (so ist es etwas unlogisch formuliert, du meintest natürlich, dass er jetzt dem Möwenschrei verfallen ist), jetzt steht er am Meer eines schwarzen Ufers mit dem Lärm der Ewigkeit und all dem Plärren einer Kirmeswelt (ich kann nichts für deine Formulierungen), und am schwarzen Ufer sinkt sein Schatten in die Tiefe.

Mit seinem Schatten versinkt das Funkeln der Augen eines nicht anwesenden Du, das anscheinend grinst, wenn du von "spitzen Winkeln eines Lächelns" schreibst. Offensichtlich gab es eine Nacht mit dem Du, es folgt ein Tippfehler, wo ich raten darf, was gemeint ist. Danach wird es etwas rätselhaft. Worauf bezieht sich eigentlich "Für eine, die der Nacht in sternenarme Reiche folgte" etc.? Du willst sagen, dass die eine (also das Du) nie dem Flüstern deiner Stimme lauschen wollte, als du die eine unvollendete Geschichte in die Flasche sprachst" etc. Diese Strophe scheint mir in der Tat eine unvollendete Geschichte zu sein.

Dann lauscht das ganze Feld der Toten dem Geraune aus der Flasche, und die Geister eilen in die Straßen und zeigen sich die blauen Tupfen, die nach Brooklyn führen (schenk dem "führn" ein e). Man erfährt, warum sie das tun, nämlich es zieht sie ungemein hin zu den Laternen mit den leeren Fassungen der Königin.

Doch das liegt hinter Leibrand, an Land, "nur einen Fall hinab". Von welchem Fall ist hier die Rede? Und dass er an Land war, hast du oben schon gesagt, außerdem scheint mir das jetzt nicht mehr von Relevanz zu sein.

Anzunehmen, dass du hier einen US-amerikanischen Schmachtfetzen auf deine dir mögliche Weise bedichtest, der dich anscheinend so sehr beeindruckt hat, dass es dich überwältigte, daraus einen etwas, für mich jedenfalls, nicht ganz zulänglichen Text zu basteln, bedenke ich die doch gehäuften sprachlichen und satzunlogischen Formulierungen.

Man bewundert eben immer wieder die Kühnheit mancher Autoren, sich mit einem doch ziemlich unzureichenden Text in die Öffentlichkeit zu wagen.

Sollte ich hier irgendwas nicht ganz verstanden haben, bitte ich freundlich um Korrektur.

Gruß, Fettauge
 
O

orlando

Gast
Zum Inhalt:
Nach langer Wanderung erreicht ein Mensch sein vorläufiges Ziel. Den Rand nämlich. Den Rand des Leibes vor dem Freitod. - In einer anderen (klanglichen) Lesart entsteht die Assoziation zur Leihgabe oder gar des Leihbrandes. Alle drei Lesarten schmiegen sich in das Thema. - "Leibrand" als Personenname ist m. E. gänzlich außer Acht zu lassen, darüber kann nur der Autor Auskunft geben (evtl. ein Künstlername?).
Der Gestrandete fühlt sich angewidert ("Plärren einer Kirmeswelt", nichtiger "Schaum" etc.) und gnadenlos enttäuscht.
Und es handelt sich um eine verlorene Liebe zu der einen / dem einen, für die es sich lohnte, sich gänzlich hinzugeben. Zu etwas, dem es gelang, die Traurigkeit aus den Winkeln des Mundes zu löschen.
Und es handelt von unvollendeter Poesie, in eine Flasche hineingesprochen - die sich auf ein Grab legen lässt oder ins Meer geworfen werden kann. -
Noch lebt der Geist der Flasche, wispert, raunt und wird doch bald dem Vergessen anheimfallen - "nur einen Fall hinab."
Vorerst aber:
und sieh, die Geister, wie sie in die Straßen eilen,
sich die blauen Tupfen zeigen, die nach Brooklyn führn.
Zu ihrer Königin, zu ihren leeren Fassungen
in den Laternen ihrer Stadt.
Spannend finde ich, dass es sich bei der(m) Angebeteten um eine reale Person, aber auch um das Reich der Poesie selbst handeln kann, um eine nicht immer erwiderte Leidenschaft. -
Insgesamt bewegt sich der Text zwischen zwei Welten, der realen und der irrealen (surrealen?) - was sich thematisch perfekt schmiegt.
Sprachlich ist das Gedicht professionell gestaltet, mit eleganten Enjambements, dem rheorischen "Sieh!" und vielen anderen Schmankerln, die ich hier nicht alle aufzählen möchte (Zeitfaktor.)

Wie bereits im Erstkommentar erwähnt: Für mich ein großartiges Gedicht - auf mehreren Ebenen.

orlando
 
F

Fettauge

Gast
Hallo Orlando,

wenn das Gedicht genau das aussagen würde, wäre ich ja mit dir einer Meinung. Leider tut es das nicht, du liest etwas hinein, was nicht da steht, weil du es hineinlesen willst, immerhin ist Lapismont hier Moderator, und Moderatoren schreiben immer nur das Beste, das ist selbstverständlich nicht zu bezweifeln.
Und selbstverständlich "schmiegt" sich hier wieder etwas. Aber ist es egal, was für ein Zeug hier gepostet wird, ich habe es ja nicht geschrieben. Und auf bisherige Erfahrungen fußend, bezweifle ich, dass der Autor auch nur im mindesten begreift, was eigentlich an seinem Werk kritikwürdig ist.

Wenn du aber meine Ansicht wissen willst: Das ist ein geschmackloses, wenig eigenständiges Nacherzählen eines US-Fantasy-Dramoletts, was nicht zuletzt auch auf den ästhetischen Zustand des Autors ein Licht wirft. Mehr darüber zu sagen erübrigt sich wohl, wenn man sich nicht in die hier hin und wieder anzutreffenden ästhetischen Niederungen der Lyrik begeben will.

Gruß, Fettauge
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Leibrand

Du richtest deine Blicke auf das Meer,
bist lang gewandert, ganz dem Möwenschrei verfallen,
für diese Nacht am schwarzen Ufer
mit dem Lärm der Ewigkeit
und all dem Plärren einer Kirmeswelt,
die dir das Herz zu füllen nicht vermag,
wo unter dir im weißen Schaum
dein Schatten in die Tiefe sinkt.

Mit ihm das Funkeln deiner Augen,
die spitzen Winkel eines Lächelns,
das nur für eine Nacht geformt und aufgebeben war.
Für eine, die der Nacht in sternenarme Reiche folgte,
die nie dem Flüstern deiner Stimme lauschen wollte,
als du die eine unvollendete Geschichte
in den Bauch der Flasche sprachst
und zu den Kerzen auf dem Grabstein legtest.

Und das ganze Feld der Toten
lauscht dem Wispern aus der Flasche,
das von dir und Leibrand raunt
und sieh, die Geister, wie sie in die Straßen eilen,
sich die blauen Tupfen zeigen, die nach Brooklyn führn.
Zu ihrer Königin, zu ihren leeren Fassungen
in den Laternen ihrer Stadt.

Doch das liegt hinter dir, an Land,
nur einen Atemzug entfernt,
nur einen Fall hinab.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Leibrand

Du richtest deine Blicke auf das Meer,
bist lang gewandert, ganz dem Möwenschrei verfallen,
für diese Nacht am schwarzen Ufer
mit dem Lärm der Ewigkeit
und all dem Plärren einer Kirmeswelt,
die dir das Herz zu füllen nicht vermag,
wo unter dir im weißen Schaum
dein Schatten in die Tiefe sinkt.

Mit ihm das Funkeln deiner Augen,
die spitzen Winkel eines Lächelns,
das nur für eine Nacht geformt und aufgegeben war.
Für eine, die der Nacht in sternenarme Reiche folgte,
die nie dem Flüstern deiner Stimme lauschen wollte,
als du die eine unvollendete Geschichte
in den Bauch der Flasche sprachst
und zu den Kerzen auf dem Grabstein legtest.

Und das ganze Feld der Toten
lauscht dem Wispern aus der Flasche,
das von dir und Leibrand raunt
und sieh, die Geister, wie sie in die Straßen eilen,
sich die blauen Tupfen zeigen, die nach Brooklyn führn.
Zu ihrer Königin, zu ihren leeren Fassungen
in den Laternen ihrer Stadt.

Doch das liegt hinter dir, an Land,
nur einen Atemzug entfernt,
nur einen Fall hinab.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Kommentatorinnen,

vielen Dank für eure sehr spannenden Interpretationen. Ich finde es immer faszinierend, wenn ein Gedicht im Kopf der Lesenden so eine Vielzahl an Bildern und Assoziationen auslöst.
Oft sogar ähnliche wie jene, die mich das Textlein schreiben ließen.
Da ich US-Fantasy-Dramoletts durchaus gern sehe und ihre Kunstfertigkeit bewundere, hat mir Madame Fettauge sogar unbewusst ein Kompliment gemacht. Sehr überraschend. Merci!

Den Schreibfehler und das überflüssige und habe ich entfernt, danke auch Dir, orlando!

Vielleicht wird Leibrand ja noch bekannter, ich wünsch es mir

cu
lap
 
Hallo lapismont,
ein düsteres Gedicht am Rand des Abgrundes (und der Freiheit) voller spannender Geheimnisse, die ich als Leser gar nicht aufdecken möchte, weil das Gedicht sonst an Mystik verlöre.
Mir gefällt es sehr, vor allem auch weil es ein Text zum Mehrfachlesen und Entdecken ist.
Herzliche Grüße
Karl
 
Ich bewundere orlando, Fettauge und Karl, weil sie so viel in dem Gedicht entdecken.
Für mich ist das Gedicht wie "ein Buch mit 7 Siegeln".

Viele Grüße,
Marie-Luise

Ps. Eins muss ich aber noch lobend sagen. Wenn man es laut liest, hört es sich klanglich sehr schön an
 



 
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