Liebe, ganz einfach.

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Klaus K.

Mitglied
Liebe, ganz einfach.

Die Jolle machte gute Fahrt. Er hatte zwar keine Erfahrung im Segeln, aber so eine drei-Meter-fünfzig Kunststoffschale mit einem einzigen Lateinersegel war
leicht zu bedienen. Der Wind kam schräg von der Seite, es war kalt, aber wirklich unangenehm waren die Nebelschwaden auf dem Wasser. Wie weit er jetzt
wohl von der Küste weg war? Vielleicht einen Kilometer, oder waren es schon zwei? Die Flics würden jetzt bereits den ganzen Strand, ja die ganze Küste
zwischen St.Malo und Cancale nach ihm absuchen. Und das Hinterland natürlich. Auf die Idee, dass er auf dem Wasser war, würden sie nie kommen.

Freund Zufall war wirklich im richtigen Moment aufgetaucht. Da wurde er in einem dieser Kastenwagen transportiert, zum Verhör im Kommissariat.
Das mit dem Banküberfall in Cancale war Pech gewesen - haut der Kerl ihm doch die Spielzeugpistole glatt aus der Hand und springt ihn an. Na ja, mit solchen
Helden mußte man anscheinend immer rechnen. Helden waren auch die beiden Experten, die ihn dann gefahren hatten. Setzt doch der Fahrer den Wagen
nach einer leichten Kurve in den Graben, und glücklicherweise auch noch vor einen Baum. Der Aufprall war ordentlich, zumindest so ordentlich, dass bei ihm
hinten die Tür von alleine aufsprang. Und bis sich die beiden Schlafmützen vorn aufgerappelt hatten, war er natürlich längst weg. Schnell durch die Felder, über
die Straße, Richtung Strand, bloß weg. Dann am Campingplatz vorbei, hauptsächlich mit Wohnwagen belegt, kaum noch Zelte. Viele holländische
Autonummern darunter, Landsleute. Die machten noch Urlaub jetzt, Mitte September, genau wie er. Nur, dass er eben die Urlaubskasse etwas aufbessern
wollte, die Idee war ihm plötzlich gekommen, als er die kleine Bankfiliale gesehen hatte.

Weiter, am Campingplatz vorbei, runter an den Strand. Kein Mensch war zu sehen, als er die Jolle entdeckte, die auf den Strand gezogen worden war.
Das Segel lag drin, alles war vorbereitet, beinahe wie vorher bestellt. Keiner hatte seine Flucht bemerkt, und jetzt war er weit genug draußen. Woher nur der
Nebel kam? Das Ufer konnte er nicht mehr sehen, rings um ihn nur Wasser. Anscheinend war Flut, das Boot klatschte stark auf die Wellenkämme.
Aber langsam mußte er sich Gedanken machen, wohin die Reise gehen sollte. Nur weg von der Küste?
Nein, das war nicht egal. Langsam, nur nichts überstürzen. Vor seinen Augen tauchte das Bild aus seinem Autoatlas auf. Also, er befand sich im Golf
von St.Malo, das war klar, und er segelte geradewegs von der Küste weg, gen England. Rechts von ihm folglich die Halbinsel Cotentin, immer noch Frankreich.
Aber direkt vor ihm die Kanalinseln, königlich-britisches Territorium. Jersey, Guernsey, Sark, Alderney....diese vier fielen ihm ein. Eine davon genügte ihm.
Der verdammte Nebel! Die verdammte Kälte! Das Boot machte gute Fahrt, sehen konnte er nichts, aber wenn doch nur diese Kälte nicht wäre!

Er wußte nicht, wie lange er bereits völlig übermüdet und ausgelaugt in der Jolle zusammengesunken gelegen hatte. Plötzlich knirschte Sand unter dem Kiel.
Das Boot stoppte abrupt, das Segel flatterte jetzt lose im Wind, da er instinktiv sofort die Halteleine losgelassen hatte.
Mit Mühe öffnete er seine von Salz und Meerwasser verkrusteten Augenlider. Er sah zwei Personen, einen Mann und eine Frau. Sie kamen angerannt.
Die Frau zog die Jolle höher auf den Sand, raus aus dem Wasser. Schnell zupackend, sie wußte was sie zuerst tun mußte. Den Mann hatte sie mit einem
kurzen Satz weggeschickt, er rannte sofort los. Dann erst blickte sie ihn an.

"Mein Bruder holt etwas zu trinken und Gebäck. Bleiben Sie ganz ruhig! Sie wirken völlig dehydriert - einen kleinen Moment noch, er kommt gleich zurück!"
Sie sprach englisch. Das verstand er sofort, wie viele andere Holländer auch beherrschte er die Sprache nahezu perfekt.

"Wo bin ich?"
Es fiel ihm schwer, diese kurze Frage zu artikulieren. Denn auch seine Lippen und seine Mundwinkel waren mit Salz überzogen.

"Auf Alderney! Mein Gott, warten Sie! Erst trinken Sie, und dann sprechen Sie.."
Sie trug abgewetzte hellblaue Jeans, gelbe Gummistiefel und einen dicken blauen Wollpullover. Darüber eine dunkle Jacke.
Diese Jacke zog sie jetzt aus und beugte sich zu ihm in das Boot.
"So, Moment...."
Mit ihrer rechten Hand griff sie vorsichtig hinter seinen Kopf und hob ihn sanft an. Mit der anderen Hand schob sie dann ihre zusammengefaltete Jacke
behutsam darunter.
"So, das ist doch besser, oder? Da kommt er endlich, mein Bruder..."
Er sah jetzt erstmals ihr Gesicht, ganz nah. Ungeschminkt, die braunen Haare vom Nieselregen nass, sie klebten ihr rechts und links an den Wangen.
Sie war in seinem Alter. Sie roch nach Salz, Meerwasser und Seeluft.
"Ich bin geflüchtet....ich hab' eine Bank überfallen wollen....ich...."
"Pschsst....gleich....oh, ich liebe Geständnisse!"
Und, sich zu ihrem Bruder umdrehend:
"Danke, David! Jetzt wird unser Bösewicht aber erst einmal etwas trinken....!"

Sie öffnete die Thermoskanne mit dem Tee. Dann hielt sie den Becher an seine Lippen und blickte ihn dabei erneut an.
Und in diesem Moment passierte es. In diesem einen göttlichen Moment, da passierte es. Diesen Moment konnte man nicht künstlich erschaffen.
Man erlebte ihn einmal, oder vielleicht nie. Es gab ihn, aber er war sehr selten. Und er war unbezahlbar, mit Geld konnte man ihn nicht kaufen.
Ihre Augen trafen sich. Er blickte ihr in ihre Augen. Sie blickte ihm in seine Augen. Vier gemeinsame, jetzt ganz tief miteinander verbundene Augen, wie
versteinert verharrend. Zeit und Raum standen plötzlich völlig still. Ihre Gesichter waren sich ganz nah. Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig,
vierundz.....
Es dauert nur drei, vielleicht vier Sekunden. Maximal fünf. Nur wer es selbst erlebt hat, der weiß, dass das stimmt.
 

GerRey

Mitglied
Nun, Klaus,

dieses Werk ist gut, wenn erzählt wird. Stellenweise fühlte ich mich an alte französische Filme erinnert. Ziemlich schlecht wird es aber dann bei den Begründungen. Wenn man hier nicht in die Tiefe geht, wird es unrealistisch. Die Psychologie von Personen ist schon auch wichtig. Warum überfällt einer eine Bank mit einer Spielzeugpistole? Ist er ein "Scheiß-mich-nichts"? Wie wurde er ein solcher? Und ein Blick in die Augen ist nur eine Möglichkeit, ein Anfang - noch lange keine Liebe. Und da spreche ich aus Erfahrungen, als einer, der schon einige solcher Blicke gewechselt hat. Trotzdem gefällt mir der Schwung der Erzählung.

Freundlichst
GerRey
 
Hallo Klaus,

ja, der Titel sagt es ja schon. Es geht um Liebe, die Liebe auf den ersten Blick. Und das ist das Momentum. Die Geschichte, wie es zu dieser Begegnung kommt, ist allerdings trotzdem nicht nebensächlich. Freilich ist sie gut erzählt. Aber ab da, wo er erfährt, wo er ist, sollte auch über die Gedanken der Frau erzählt werden. Ihre Fürsorge aktiviert die Sinne. Und diese, in Worte gefasst, müssten den Leser dann ebenfalls erfassen, ihn mitnehmen zu jenem Ziel, das der Titel verspricht.

Schöne Grüße,
Rainer Zufall
 

Klaus K.

Mitglied
@ GerRey

Gerade eben beigetreten und schon so viele Kommentare abgegeben, Kompliment!
Der Frankfurter Hauptbahnhof war für den Kauf eines passenden Schießeisens leider für ihn zu weit weg, als bei unserem Urlauber die Idee des Überfalls aufkam.
Wenn man das aufmerksam beachtet erkennt man daran u.a. sofort, wie harmlos er eigentlich ist, und dass der Begriff bewußt verwendet wurde.
Nein, er ist kein "Bösewicht", Frauen haben da wohl eher ein ganz besonderes Gespür dafür.- Und persönliche Erfahrungen sind bei einem Blickkontakt sicher unterschiedlich. Offensiv "ausprobiert" wird man damit scheitern. Gruß, klaus k.
 

Klaus K.

Mitglied
@ Rainer

Hallo Rainer,

das Unausgesprochene, das offene Ende hat hier Priorität. Eigene Gedanken zulassen, die kreative Phantasie herausfordern, "wie geht es weiter"?
Vielleicht sogar Vergleiche mit eigenen Erfahrungen anstellen können, wer weiß? Und letztlich ist es eine verdeckte Liebeshymne an die weibliche Intuition.
Mit Gruß, klaus
 

GerRey

Mitglied
Klaus,

danke ... Ist nicht mein erstes Literaturforum.

Ich nehme mal an, dass man am Frankfurter Hauptbahnhof solche "Werkzeuge" auch nur "unter der Hand" bekommt. Das erinnert mich an den Jugoslawienkrieg. Seinerzeit wurden sogar Handgranaten für 50 DM das Stück angeboten ... wird sicherlich in Frankfurt nicht anders gewesen sein wie in Wien.

Gruß

GerRey
 

He de Be

Mitglied
Das erinnert mich sofort an Garance' "Liebe ist so einfach" .. aber leider leider .. wenn es dann auch ausgelebt werden will...
Ich bin gespannt, wie es für die beiden Glücklichen in Deiner Geschichte weiter geht. Geht doch weiter, oder?
 

Klaus K.

Mitglied
@ He de Be

An eine Fortsetzung hatte ich bislang überhaupt nicht gedacht. Mir ging es darum, ein Phänomen zu schildern, welches quasi aus dem "Nichts" auftreten kann.
Ob nun seine spontan geäusserte Offenheit oder sein aktueller Zustand bei ihr dafür den Ausschlag gaben, wer weiß? Und ob bei ihm ihre Kleidung ("Erinnerung") oder ihr Geruch, ihre Frisur, ihre Fürsorge oder ihre letzte Aussage ("oh, ich liebe...") bei ihm den "Klick" verursachten, all dies muss völlig offen bleiben, man weiß es nicht. M.E. verbietet es sich, hier tiefer einzusteigen oder irgendwelche Erklärungen zu liefern, denn es bieten sich ja genügend Anker an.- So gesehen käme ich bei einer Fortsetzung nicht an einer Auflösung vorbei, ich möchte aber eher eigene Gedanken und Empfindungen des Lesers dafür zulassen. Mais peut-etre, on verra.... Mit Gruß, Klaus K.
 

He de Be

Mitglied
Ich verstehe das. An Erklärungen liefern hatte ich auch nicht gedacht. Ich bin nur neugierig, wie andere mit so was umgehen.
LG, Hedebe
 

Klaus K.

Mitglied
@ Hedebe

Keine Ahnung, ich hab' dann meine genau so Auserwählte geschnappt und bin erst einmal mit ihr in die Bretagne gefahren. Mehr Glück konnte ein Typ wie ich überhaupt nicht haben. Früh gefreit, nie bereut. Klick - die Richtige. Volltreffer, ohne sie wäre.....aber lassen wir das. Zu privat. LG, klaus k.

P.S.: Vielen Dank für das Zitat von Jean Cocteau!
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Klaus K,

angeblich braucht man sieben Sekunden für diesen Blick - entweder der- oder diejenige ist es oder eben nicht.

Das hast du überzeugend erzählt.

Die Räubergeschichte finde ich ein bisschen unglücklich in diesem Zusammenhang, da hätte ich eine andere Vorgeschichte genommen.

Ansonsten - Liebe, ganz einfach.

Genau!

Gruß DS
 

Klaus K.

Mitglied
@ docschneider

Hallo zurück,

...sieben Sekunden? Da hat wohl das Erstsemester Psychologie mit der Stoppuhr geforscht, haha! Ich habe das soeben noch mal getestet, wie verflixt lange sieben Sekunden dauern. Nun denn, kann ja sein - aber wie hat man das gemessen, die Beteiligten wussten in diesem Moment doch gar nicht so recht, was mit ihnen geschah und konnten im Prinzip danach nur schätzen. Und ein Messtrupp konnte ja nicht wissen, dass es überhaupt geschehen würde. Kurz und gut, bei mir war es (gefühlt) erheblich kürzer, und ab diesem Augenblick saß dann der liebe Klaus in der Mausefalle, na ja, für ihn zum Glück, s.o..-

Bei der Räubergeschichte sind wir auch irgendwie zusammen. Die eigentliche Geschichte war mal ganz anders konzipiert, hatte mit Liebe überhaupt nichts zu tun, endete eher dramatisch. Ich habe sie dann umgebaut, um zwei völlig verschiedene und letzlich diametral entgegengesetzte Handlungsstränge ganz bewusst gegeneinander laufen zu lassen. Zu Beginn erscheint der Titel also völlig irreal, löst sich dann aber auf. Alles Absicht! Hinweis also voll akzeptiert, aber der böse Bube will nicht hören, er meint halt, diese Geschichte bekommt daurch einen besondernen alternativen Aspekt. Dies zum Hintergrund, und jetzt brauche ich auf jeden Fall mal wieder meinen Sekundenschlaf, zumindest für weitere "magic moments"! LG, Klaus K.
 
Ja, hübsch zu lesen, und vielleicht ist es wirklich nicht wichtig, wie es weiter geht. Aber: Das Lesen selber war gar nicht hübsch. Wegen der vielen unpassenden Absatzzeichen, die der Autor wohl wie bei der guten alten Schreibmaschine als "Wagenrücklauf" an jedem Zeilenende gesetzt hat. Es gehört aber zu den elementaren Regeln des Texterfassens, sog. Fließtext zu produzieren. Beim nächsten Text also, bitte, die Absatzmarken nur bei Absätzen.

MfG, Binsenbrecher
 

Klaus K.

Mitglied
@ Binsenbrecher

Das Attribut "hübsch" in Verbindung mit "Lesen" zu bringen ist schon eine besondere Nummer und spricht Bände bezüglich einer Präferenz, mit der ich nicht dienen kann. Ich bevorzuge inhaltliche, sprachliche und stilitische Aspekte und empfehle daher, meine Texte einfach zukünftig zu meiden und sich hübscheren Dingen zu widmen. Ein wohlgemeinter Rat: Auch zu den elementaren Regeln einer schriftlichen Erst-Kommunikation gehört eine Technik, die man beherrschen sollte. Dazu muß aber der gewünschte zu äussernde Text erst einmal inhaltlich selber erfasst werden, damit er beim Rezipienten Resonanz findet.

MfG, Klaus K.
 
@ Binsenbrecher
... empfehle daher, meine Texte einfach zukünftig zu meiden und sich hübscheren Dingen zu widmen. ...
MfG, Klaus K.
Wäre Dir denn "sehr hübsch" lieber gewesen?
Aber: Elementare Regeln der Texterfassung und -gestaltung (die falschen Absatzmarken) zu missachten, macht einen Text garantiert nicht besser und stellt, wenn es denn kein Ungeschick ist, eine Missachtung des Lesers da.

MfG, Binsenbrecher
 

Klaus K.

Mitglied
@ Binsenbrecher

Der Ton macht die Musik, mein Freund. Irgendwelche Direktiven und oberlehrerhafte Belehrungen stehen Dir doch überhaupt nicht zu. Unabhängig davon hast Du offensichtlich meinen gutgemeinten Rat überhaupt nicht verstanden, und Deine vermeintlichen Witzchen kannst Du Dir sparen, sie gehören nicht hierhin.-
Halte Dich an meine empfohlene Therapie für Dich und vermeide dadurch jegliche so empfundene Missachtung. "Sensibilibus" klingt übrigens viel hübscher (!) als Dein nickname, vielleicht denkst Du mal darüber nach. Du siehst, ich helfe, wo ich kann. Bitte erspare mir aber eine weitere Replik, vielen Dank!

MfG, Klaus K.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Binsenbrecher und Klaus K.: Bitte bei Textkritik in höflicher Form bleiben!

Ich habe nur bei zwei Übergängen etwas zu bemängeln:


Dann erst blickte sie ihn an.

"Mein Bruder holt etwas zu trinken und Gebäck.

Da hätte der Autor die wörtliche Rede gleich anschließen können - mit Doppepunkt etc.

Das verstand er sofort, wie viele andere Holländer auch beherrschte er die Sprache nahezu perfekt.

"Wo bin ich?"

Das gilt auch für diese Stelle.


Und noch etwas zu den berühmten Sekunden: Barack Obama schreibt in seinem Buch "Ein verheißendes Land", dass er von seiner späteren Frau Michelle von der ersten Sekunde an hingerissen war.

Na denn! Es geht auch ganz schnell.

:)
 

Klaus K.

Mitglied
@ docschneider

.....ist angekommen! Mir ist durchaus bewußt, dass ich nicht der Held der Texterfassung, des Umbruchs und der Formatierung bin. Entsprechend meine Bitte um Nachsicht, ich glaube, das findet sich bei mir bereits irgendwo unter "profil".
Zu Herrn Obama: Man richte ihm meinen Dank aus....da ist der Mittelwert von 4 bis 5 Sekunden zwischen 1 und 7 ja gar nicht so schlecht. You made my day!
 

onivido

Mitglied
Hola Klaus,
ich lese jetzt alle deine Geschichten, weil sie mich unterhalten und das ist fuer mich der Grund sie zu lesen.
Beste Gruesse///Onivido
 



 
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