liebespaare am fluss

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rogathe

Mitglied
Hallo anbas,
ich lese deinen Text als Tagebucheintrag, nicht als Gedicht:

ich wagte mich ins abendrot dort am fluss wo liebespaare tiefste augenblicke erleben an unserem platz stand ich alleine und schaute
in das letzte licht des tages


LG rogathe
 

anbas

Mitglied
Hallo kad,

schön, dass Dich dieser Text anspricht. Danke für die Rückmeldung und die Wertung.



Hallo rogathe,

sehe ich etwas anders. Tagebuch passt schon mal nicht - zumindest in meinem Verständnis von Tagebuch - weil es diese Situation so nicht gegeben hat.

Zum anderen werden durch die Zeilenumbrüche und das Auseinanderschreiben von "Augeblicke" an mehreren Stellen verschiedene Türen für weiteren inneren Bildern und Gedanken geöffnet.

Nee, nee - ich hab mir hier schon etwas mehr dabei gedacht, als nur einen Satz auf ein paar Zeilen zu verteilen ;).

Danke auch für Deine Rückmeldung.


Liebe Grüße an Euch beide

Andreas
 

wüstenrose

Mitglied
Hi anbas,

schön stimmungsvoll (nicht zuletzt der Zeilenumbrüche wegen) - ja, so wirkt es auch auf mich.
Meine Lieblingsstelle:

an unserem platz
stand ich
alleine
Klar, keine gedrechselten Worte, nicht besonders raffiniert gesagt, aber: "an unserem Platz" - das ist sehr griffig, viele kennen dieses Gefühl, dass ein Platz nicht nur ein Platz ist, sondern ein Ort des Zusammenwachsens, des Aufbruchs, ein Ort, der ein Versprechen in sich trägt ...
Dadurch, dass in dieser Zeile nichts anderes steht als eben

an unserem platz

ist hier Raum für eine Rückblende, Raum zum Innehalten, Raum, den der Leser mit eigenen Assoziationen füllen kann, Raum, um noch einmal nach der Hoffnung und dem Aufbruch greifen zu können ...

Schön auch der Titel, der erst mal suggeriert: Das alles geht LyrI unmittelbar rein gar nichts an, es glotzt ja nur so ein bisschen um sich.
Gerade die vorgegaukelte Distanz ist es, die, als sie kippt, die Angelegenheit umso schmerzlicher offenlegt.


lg wüstenrose
 
F

Frodomir

Gast
Hallo anbas,

ich sehe das ganz wie wüstenrose und gerade weil der von ihr hervorgehobene Bereich des Gedichtes soviel Raum bietet, fände ich es eine Überlegung wert, dem Leser diesen Raum auch ganz zu überlassen und das Gedicht nach "alleine" enden zu lassen. Jedenfalls bei mir würde das die Wirkung deiner Zeilen noch einmal sehr erhöhen und das Bild, welches mein inneres Auge entwirft, noch eine Weile in mir nachtönen lassen:

liebespaare am fluss

ich wagte mich
ins abendrot
dort am fluss
wo liebespaare
tiefste augen
blicke erleben
an unserem platz
stand ich
alleine
Des Weiteren empfinde ich das Enjambement (Zeile 5/6) etwas, wie soll ich sagen, zu künstlich. Es fällt einfach allzu sehr auf, weil der Rest des Gedichtes in einer solchen Schlichtheit gehalten wurde, dass dieser Kunstgriff die Schönheit des klaren und einfachen Bildes konterkariert. Klar, ich halte als Leser einen "Augenblick" inne und ich bin mir sicher, dass das auch gewollt ist, aber mir persönlich ist die Dramatik des Bildes wichtiger als diese Unterbrechung. Die leichte Wehmut und Trauer, die dieses Gedicht umweht, sollte sich bei diesem Gedicht meiner Meinung nach nur aus dem Inhalt speisen.

Trotzdem gern gelesen!

Viele Grüße
Frodomir
 

wüstenrose

Mitglied
Hm, ich würde alles lassen, wie's ist.
(Aber natürlich ist es anbas' Part, hier das Für und Wider abzuwägen)
Weil, irgendwie sind die beiden letzten Zeilen doch atmosphärisch wichtig. Ich kann es schlecht beschreiben. Vielleicht nur über einen Umweg, für den Meister Hölderlin herhalten muss:

Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Ich empfinde eine gewisse Analogie der Aussage: Der Hölderlin endet so, in den beiden Schlusszeilen von anbas schwingt es auch mit.
Es geht nicht nur um die verflossene Liebe, nicht nur ums Alleinesein. Es ist auch ein Erschauern in Anbetracht dessen, was zerbrochen ist und in Anbetracht dessen, was zu erwarten ist; die beiden Schlusszeilen nehmen eine neue Verortung des eingangs geschilderten Zaubers vor und zeichnen ein Bild umfassender Desillusion.
 

Tula

Mitglied
Hallo Andreas

nur eine Nuance:

ich wagte mich
ins abendrot


empfinde ich irgendwie als Widerspruch, d.h. "sich wagen" beinhaltet für mich Absicht, Ziel, Mut und Tatendrang, widerspricht somit dem seelischen Zustand des Lyrich.

Ein kleiner Vorschlag:

ich verlor mich
im abendrot


wobei selbst 'ins abendrot' noch einen interessanten Sinn ergibt.

LG
Tula
 

anbas

Mitglied
Hallo wüstenrose,

ich danke Dir sehr für diese beiden Kommentare. Zum einen freue ich mich (natürlich), dass Dir dieses Gedicht so gefällt. Noch mehr freue ich mich aber, weil ich "mich verstanden fühle". Außerdem zeigt mir Deine Rückmeldung, dass das Streichen der ursprünglich letzten zwei Zeilen, die richtige Entscheidung war (nein, ich sage nicht, wie sie lauteten ;)).

Noch kurz etwas zu Deiner Lieblingsstelle. Sie ist für mich besonders wichtig, da sie auch den Übergang zum zweiten Teil des Gedichtes bildet. Es gibt hier nämlich noch eine andere Lesart, die auch so gewollt ist:
wo liebespaare
tiefste augen
blicke erleben
an unserem platz
Der Platz des LyrIchs wurde von anderen Paaren quasi "eingenommen".



Hallo Frodomir,

auch Dir herzlichen Dank für Deine Anmerkung und die Wertung. Ich freue mich, dass Dir das Gedicht gefällt.

Ja, man könnte das Gedicht an der von Dir genannten Stelle beenden. Doch dann würde genau dieser atmosphärisch Teil, den wüstenrose anspricht, und der aus meiner Sicht dieses Gedicht erst abrundet, verloren gehen.

Was das Enjambement betrifft, so passt es aus meiner Sicht genau an diese Stelle. Grundsätzlich nutze ich dieses Stilmittel sehr selten - es kann sogar sein, dass ich es hier zum ersten Mal verwendet habe. Vielleicht ist es auch eine Geschmacksfrage.


Liebe Grüße an Euch beide

Andreas
 

anbas

Mitglied
Hallo Tula,

vielen Dank für Deine Rückmeldung.

Aus meiner Sicht passt "wagte" genau. Es ist ein Wagnis, alleine an den Ort zurückzukehren, an dem man so intensive und schöne Erinnerungen hat, die aber auch an eine Person gebunden ist, die nicht mehr da ist. Das kann verdammt weh tun - aber auch helfen, mit der Trennung klarzukommen.

Liebe Grüße

Andreas
 

Tula

Mitglied
ok, so macht es auch Sinn

vielleicht dann aber auch:

zurück zum fluss

nun, wirklich nur ein kleines Detail

LG
Tula
 

anbas

Mitglied
Hallo Tula,

ich habe lange hin- und herüberlegt. "Zurück" würde auch passen, da gebe ich Dir Recht. Im Moment möchte ich es nicht ändern - ist eher ein Bauchgefühl. Die Idee behalte ich aber im Hinterkopf.

Vielen Dank und liebe Grüße

Andreas
 



 
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