Lied der Mexikanischen Bohnensuppe (in sieben rührenden Zeilen)

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N. Valen

Mitglied
„Danke dir, @Aniella – genau das war’s: dass man den Topf sieht und es beim Lesen riecht. Schön, dass es für dich so lebendig wurde.“

„Da hast du recht, @mondnein – fürs Metrum stolpert das ‚Kreuz‘. Aber in der Küche wollte ich es nicht weglassen: Kümmel und Kreuzkümmel sind für mich zwei Welten. Hier musste das Aroma gewinnen – manchmal geht Würze vor Form.“
 

Rachel

Mitglied
Mir fehlt irgendwie die achte Zeile, es hört so ... nicht abrupt, eher unvollendet auf. Aber ich trau deinen Kochkünsten insofern, dass du das womöglich willst, damit ... hm ... mehr sei ... damit es am End nicht einfach abgerundet satt macht. Mais fehlt der abschließende Punkt. Das lässt hungrig

Und irgendwo singt still der Mais
Ich esse meine Suppe nicht. Und jedes Böhnchen poppt ein märchenhaftes Tönchen. :)

Und so hoffe ich, nicht zuviel rumgerührt zu haben.

Es gefäälllt mir.
 

N. Valen

Mitglied
„Danke dir, @Rachel – ja, die kleine Unvollständigkeit ist Absicht. Ich wollte, dass der Mais leise weitersingt, ohne Punkt, damit ein Rest Hunger bleibt. Das Offene soll ein Stück Nachklang erzeugen, nicht satt machen.“
 

zurabal

Mitglied
Ich glaube, da ist Textarbeit angesagt.
Ich jedenfalls habe beim Lesen echte Verständnisschwierigkeiten mit dem "feurigen Bohnenball", dem "sanften Hauch Chili", und dem "still singenden Mais" in der mexikanischen Bohnensuppe.

Viele Grüße zurabal
 

sufnus

Mitglied
Hey Valen!
Müssen es unbedingt 7 Zeilen sein? Ich finde, dass die Wendung vom Bohnenball eine ganz besonders schöne Idee ist, dito auch der Maiskreisschluss am Schluss, ich könnte mir da aber vorstellen, dass man durch eine Dreizeilenerweiterung die Verständlichkeit der Bilder noch etwas erhöhen könnte (wenn denn "Verständlichkeit" hier überhaupt ein erstrebenswertes Ziel sein soll - was es ja nicht muss :) ).
Meine Gedanken für eine (womöglich aber dann nicht mehr Deinen Intentionen entsprechende?) "aufgeräumtere" Fassung sehen ungefähr so aus:

Am Herd regiert der Küchenfleiß
der Sous-Chef schwitzt und rührt im Kreis:
Der Koch lud ein zum Bohnenball
ein heißer Tanz, ganz klarer Fall
mit Chilihauch, der nun ganz sacht
den Cumin aus dem Schlaf gebracht.
Tomaten flüstern, dick und rund:
„Vergesst nicht, Suppe macht gesund!“
Und irgendwo singt still der Mais
und schließt den Kreis.


Küchen- und Rezeptlyrik hat ja (nebenbefundlich angemerkt) eine wahrlich ehrwürdige Tradition, man denke an das Moretum-Gedicht aus der Appendix Vergiliana - jene Belobigung des Landlebens resp. eines rustikalen Käsegerichts (irgendwo zwischen Pesto und Obazda) ist allerdings deutlich länger als die hier vorliegende Chiliade - nunja... die Ganz-Alten hatten wohl mehr Zeit... beim Sprung in die Neuzeit, etwa zu Goethes Sardellensalat oder - zeitgenössisch - Reimanns Leipziger Allerlei werden die Rezeptgedichte doch deutlich prägnanter. :)

LG!

S.
 

N. Valen

Mitglied
„Danke dir, @zurabal bal – ich erklär dir gern die drei Bilder: die Bohne als kleiner Feuerball im Mund, die Chili nicht als Schlag, sondern als Hauch, und der Mais, der eine leise eigene Melodie trägt. Ich wollte, dass die Suppe nicht nur satt macht, sondern dass sie auch tanzt, haucht und singt. Dass es holpert, liegt vielleicht daran, dass diese Bilder gegensätzlich wirken – aber genau das war Absicht.“
 

N. Valen

Mitglied
@sufnus dein Blick freut mich sehr. Ja, die 7 Zeilen waren Absicht: kein abgerundetes Menü, sondern ein kurzer, scharfer Gang, der ein wenig offen bleibt. Deine Erweiterung zeigt schön, wie sich dieselben Zutaten in ein ganz anderes Gericht verwandeln können – fast klassisch, in Tradition der Rezeptlyrik. Ich wollte hier die Suppe lieber knapp köcheln lassen, nicht ausladend. Umso schöner, dass du Bohnenball und Maiskreis herausgehoben hast – das sind die Töne, die mir selbst am wichtigsten waren.
Ich danke dir :)
 

zurabal

Mitglied
Ich glaube Du verwechselst da was. Bohnen sind nicht freurig, egal ob als Ball im Mund oder nicht, somdern feurig ist eindeutig der Chili. Und ein still singender Mais ist auch ein ziemlich verschrobenes Bild, denn entweder det Mais singt oder er ist still. Beides zusammen geht nicht.

Die Frage lautet also, was es für eine lyrische Absicht ist, wenn Du die Subjekte in der mexikanischen Bohnensuppe mit auffällig unpassenden Adverbien verrührst? Was willst Du denn damit absichtlich ausdrücken?
 

N. Valen

Mitglied
Danke für Dein genaues Lesen, @zurabal.
Die „unpassenden“ Zuordnungen sind Absicht – man nennt das in der Rhetorik Katachrese (das bewusste „falsche“ Bild) oder auch paradoxe Kopplung.

Die Bohne ist für sich nicht feurig, stimmt – aber in der Suppe brennt sie, weil Chili und Bohne im selben Topf untrennbar werden. „Feurig“ färbt also über.
Und ein „still singender Mais“ ist kein logischer Widerspruch, sondern eine paradoxe Wendung: ein Mais, der singt, ohne Geräusch – innerlich, fast wie ein stilles Gebet.

Lyrik folgt nicht der Logik eines trockenen Sachberichts. Sie darf Bilder verrücken, Eigenschaften vertauschen, Dinge ins Paradoxe kippen.
Mit solchen Verrückungen wollte ich die Suppe nicht kulinarisch beschreiben, sondern poetisch überhöhen: sie soll lodern und klingen, nicht nur sättigen.

Das Verrühren der Adverbien ist also der Punkt – die Suppe selbst wird ein kleiner Maskenball von Eigenschaften.
 

Rachel

Mitglied
Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich zuerst einen Bohnenball, und zwar in einem aufgeheizten Ballsaal vor Augen, bevor ich mir eine tanzende Kugel in einem Topf vorstellte. Maskenball trifft es. Die Bilder tanzen fast von allein und die Metaphern springen einen an.
 

mondnein

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natürlich hast Du völlig recht, N., es war nur eine Frage, so nebenher eingeworfen

ich denke, es gibt zwei Möglichkeiten (unter den vielen weiteren), so einen Stolperstein einzupassen:
1. er soll eben die Stelle im Gehweg besonders markieren, mit "Absicht"
2. er hat eine Art Gegengewicht bzw. eine Entsprechung dadurch, daß man etwas Ähnliches findet, hier also einen zweiten Daktylus inmitten der Iamben, wodurch die Singularität zum Normalfall egalisiert wird, z.B.:

hat Kreuzkümmel aus dem Schlaf gebracht.
Tomaten flüstern, fleischig und rund:
das sind natürlich nur Voranmerkungen, und jetzt müßte eine Besprechung des Gedichts und seiner Sprache folgen, aber Du hast das erhellende Wesentliche
Katachrese (das bewusste „falsche“ Bild) oder auch paradoxe Kopplung
schon gut ausgeführt, wunderbar, exemplarisch-vorbildhaft!

grusz, hansz
 



 
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