Lied im Februar

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nisavi

Mitglied
Wenn es mein letzter Frühling wäre:
zu den Pappelkindern ginge ich,
an den Weiher.
Noch einmal streichelte ich sie. Und
ihren Duft, der den Morgen weckte,
die Amseln und mich.
Auf Handgelenken trüg`ich ihn in
Erinnerung.

Wenn es mein letzter Sommer wäre:
in den Süden zöge ich mit ihm.
Gläsernem Blau,
Gezeiten vertraute ich mich an.
Hibiskusdunkel wärmte mich
mit Blütenstaub.
Möwenschreie zählte ich auf Vorrat
für die Nacht.

Gäbe es noch diesen einen Herbst:
eine Gingkofährte legte ich
in meinen Schlaf.
Die Kraniche, sie sammelten auf
meinen Feldern sich, ihr Grau wär`in
den Abenden.
Und der Geruch verkohlten Laubes
trüge mich davon -

in einen letzten Winter.
 

Perry

Mitglied
Hallo nisavi,
gefallen mir deine Vergleich des scheidenden Lebens mit den Jahreszeitbildern. Es ist zwar nicht neu, doch in den einzelnen Bildern stecken gelungene Metaphern (Möwenschreie zählte ich auf Vorrat für die Nacht).
Im dritten Vers stolpere ich ein wenig bei der Formulierung "eine Gingkofährte legte ich /in meinen Schlaf", weil Ginkofrüchte ja eigentlich einen üblen Geruch von sich geben (lächel).
LG
Manfred
 
T

Thys

Gast
Hi nisavi,

gefällt mir ausgesprochen gut. Besonders das Ende "in einen letzten Winter" hat es mir angetan. Es schliesst es den Text für mich schon ab aber lässt gleichzeitig auch noch einiges offen um seine Gedanken weiter laufen zu lassen.

Irgendwie, ich lese wieder und wieder, zieht sich für mich eine Linie durch den Text, der in diesem Winter endet. Und nichts kommt mehr. In der Realität und auch nicht in Deinem Text. Winter des Lebens. Der Winter ist sowieso die beste Zeit für den Abgang. Wer will sich schon im Sommer davon machen, bei Wärme, Sonne und Leben. Nein, nur im Winter.

Bin froh, dass wieder Sommer wird :)

Gruß

Thys
 



 
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