"man merkt die Absicht und man ist verstimmt" (Tasso) - Sensibelchen?
Liebe Rogathe,
Du formulierst den common sense, aber ich widerspreche dem schon seit langem, bürste die Idee von der "Absicht des Autors" gegen den Strich, probiere eher den Gedanken: "Alle Bedeutung eines Gedichts liegt im Leser", ohne den Autor als "ersten Leser" seines Gedichts auszuschließen; er gehört durchaus zum ersten Kreis der Leser, und so überprüft er ja sein Gedicht, indem er es erst einmal sich selbst so vorliest, als sei er sich fremd wie ein mißverständiger Idiot.
Die Spielkraft (sanskrit "lila shakti"), der natürlich-geniale Impuls, der den ästhetischen Reiz ausmacht, durchzuckt den Dichter und zündet eine Art Anamnesis im Leser - so meine Idee.
Natürlich hast Du im herkömmlichen Sinne recht - was Dir natürlich nicht genügen kann. Der Leser will etwas verstehen. Er will nicht, daß mit ihm gespielt wird. Ich gestehe: Ich bin im Zweifel mit meiner asymmetrischen Lesergewichtung.
Bedenke: Wenn der Autor etwas beabsichtigt (worüber ein Goethescher Tasso verstimmt wäre ...), dann droht er Reklame zu machen, zu agitieren, zu propagieren. Für den klaren Gedanken, der nicht spielen, sondern überzeugen will, eignet sich ein Essay oder sonst ein gut argumentierendes Prosastück gewiß besser als ein Lied. Mit Gefühlen zu argumentieren, hat oft eine unbarmherzige Parteilichkeit, sucht die Voreingenommenheit der Gefühle. Deshalb trennen wir lieber die Gefühlsäußerungen von den Argumenten, wenn wir redlich sein wollen, oder?
Aber ich befinde mich in einer Art "innerer Diskussion" mit mir, muß noch viel darüber nachdenken. Ich finde es anregend, und zugleich wichtig.