Meer aus bunten Mauern

G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Hallo Franziska Eberl,

es gibt verschiedene Arten, Gedichte zu schreiben. Ernsthaft, hermetisch, wie z.B. bei Paul Celan, erzählerisch und balladenhaft, wie z.B. bei Michael Ende, wehmütig und sehnsüchtig, wie z.T. bei Hermann Hesse - und ich könnte noch einige mehr aufzählen. Deine Gedichte, die ich bisher gelesen habe, kommen allerdings aus einer überraschend seltenen Ecke: aus der glücklichen.

Ich bin der Meinung, dass die lyrische Verarbeitung von Freude, Glück und Leichtigkeit eine deutlich schwerere Übung ist als die, ausgesprochen ernsthaft und tiefschürfend zu schreiben. Vielleicht liegt das daran, dass das Leichte sich eher im Erleben zeigt, während das Schwere mühsam ausgedrückt werden will. Aber das ist nur meine Spekulation.

Ich finde es jedenfalls erfrischend, wenn sich jemand mit positiven Themen beschäftigt, aber ich gebe dabei zu bedenken, dass die Gefahr des Kitschigen hier erhöht ist. Und leider, und das tut mir Leid, das zu sagen, weil ich dich nicht in deiner Freude hemmen will, gehst du hin und wieder ein bisschen in diese Falle und benutzt Metaphern, die den Eindruck erwecken, auch in sehr oberflächlichen Texten (z.B. bei Schlagersongs) Verwendung finden zu können.

Beispielhaft dafür wären Vers 4/5 und auch die letzte Zeile. Dies sind Phrasen, die man schon sehr sehr oft gehört hat und die deshalb kaum noch Wirkung erzielen. Das Gleiche gilt für solche Wörter wie Herz, Meer und Zeit. Diese kann man meiner Meinung nach gern verwenden, aber sie haben den entscheidenden Nachteil, dass sie sehr abstrakt sind und deshalb bei einem übermäßigen Gebrauch keine Bilder erzeugen können. Z.B. kann ich mir unter einem
Meer aus bunten Mauern
nichts richtiges vorstellen, diese Metapher scheint mir nicht schlüssig zu sein und ich denke, dass das an der zu hohen Abstraktion der verwendeten Wörter liegt.

Um deine Metaphern wirksamer und kräftiger zu machen, würde ich dir also empfehlen, nach konkreteren Vergleichen und Bildern zu suchen. Diese haben den Vorteil, dass sie die Sinne des Lesers ansprechen können und damit viel fühlbarer sind als Begriffe, die man allein über den Intellekt verstehen kann und die noch dazu zahlreiche Konnotationen aufweisen.

Ich hoffe, du kannst mit meiner Kritik etwas anfangen und lässt dich nicht entmutigen!

Liebe Grüße
Frodomir
 
Lieber Frodomir,

danke, dass du dir die Mühe gemacht hast, mir so ein langes Feedback zu geben! Ich finde es sehr konstruktiv und keine Sorge - ich nehme es nicht persönlich ;)

Ich empfinde es genauso! Die deutsche Sprache ist unheimlich stark, man kann tolle Bilder damit zeichnen und Geschichten erzählen. Aber bei den Emotionen, gerade bei Glück, Liebe und Freude rutscht sie leicht ins Kitschige ab, weil der gemeine Deutsche diese Gefühle nicht so stark nach außen hin zeigt als dies in anderen Kulturen der Fall ist, z.B. Südamerika. Die Texte dort strotzen nur so vor Kitsch und doch finde ich sie nicht übertrieben. Gut, aber das ist vielleicht auch nur meine Empfindung.

Sicher hast du recht, dass Wörter wie Herz, Meer und Zeit schon oft Gebrauch gefunden haben. Dennoch kamen sie mir in dem Moment, als ich das Gedicht geschrieben habe. Es handelt von meiner Heimatstadt Regensburg. Eine farbenfrohe alte Stadt, in die ich richtig eintauchen durfte. Solltest du je dort gewesen sein, kannst du die Bezeichnung vielleicht nachvollziehen :)

Danke nochmal für deine Ehrlichkeit! Ich wünsch dir ne gute Zeit und viel Inspiration!

Liebe Grüße
Franziska
 
G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Hallo Franziska,

vielen Dank für deine Antwort. Ja, ich kenne Regensburg, vor einigen Jahren habe ich eine Rundreise durch Bayern gemacht und auch in Regensburg halt gemacht - eine Stadt, die mir sehr gefallen hat.

Es ist sehr interessant, was du über südamerikanische Texte schreibst, denn damit kenne ich gar nicht aus.

Am Ende ist jeder seines eigenen Textes Schmied und es ist nie eine gute Idee, anders zu schreiben, als man es eigentlich will. Aber in der Regel gibt es ja bei jedem Autor eine Progression im Schreibstil im Laufe der Zeit und vielleicht entwickelst du doch noch einen Hang zum Konkreten ;) Ich bin gespannt, wo deine Reise dich hinführt.

Liebe Grüße
Frodomir
 



 
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