Mein Transgender-Fantasyroman : Die Beschützer...

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Juliakoebke

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Prolog

Etwas ist anders! Schmerzhaft, nebelig und voller Matsch.
Nebel in meinem Kopf, der schon lange nicht mehr da war, zusammen mit dem Matsch, der mich am Denken hindert.
Trotzdem träume ich!
Nicht so klar, wie sonst immer, doch durch den Nebel und den Matsch sehe ich deutlich Figuren. Menschen, zwei Kinder, die mir bekannt vorkommen, schon immer da waren, vertraut aber doch fremd.
Meine Brust schmerzt. Da wo mein Herz liegt, ist noch etwas anderes, fremd und kalt.
Als es aufhörte zu schlagen, nach Stunden wieder zum Leben erweckt wurde, war es nicht mehr das Alte. Jetzt macht es Geräusche, lässt mich immer wissen, ob ich noch am Leben bin. Und jetzt plötzlich höre ich es im Traum laut pochen und weiß:
Ich lebe!
Abrupt wache ich auf und starre an die Decke, die ich in der Dunkelheit nicht sehen kann.
Die beiden Kinder sehe ich immer noch vor mir.
Klar und deutlich.
Ich sehe mich, ein Mädchen mit langen blonden Haaren, zu einem Zopf geflochten, das ich immer sein wollte.
Und ich sehe mich, einen Jungen mit kurzen Haaren, der ich bin. Beide sehen gleich aus. Es sind Zwillinge. Zwei Personen aber doch irgendwie eins.
Ich bin verwirrt.
„Das ist nur ein Traum, die Schmerzen und die Tablette gaukeln mir etwas vor!“, rede ich mir ein.
Aber dann fallen mir wieder die Augen zu.
Der Schmerz bleibt. Der Nebel verschwindet. Und auch der Matsch trocknet und lässt meine Gedanken wieder frei laufen.
Die beiden Kinder sehe ich immer noch vor mir. Ich sehe zu ihnen herüber und es fühlt sich gut an. Vertraut, voller Wärme und Geborgenheit. Als komme man nach Hause, nach langer Zeit des Herumirrens in der fremden Welt und verliert sofort den Schmerz des Alleinseins.
„Komm!“, sagen sie beiden und laufen voraus, über eine Wiese voller Blumen, hinein in diesen perfekten Frühlingstag.
Ich laufe hinterher, kann nur schwer Schritt halten. Aber die beiden nehmen Rücksicht und warten.
„Komm, wir zeigen dir, wer du bist. Wir zeigen dir, dass wir du sind!“
Ich starre sie nur an. So einen Traum hatte ich noch nie, aber sie laufen weiter und ich muss es wissen.
Ich muss wissen, wer ich bin. Ich muss wissen, wer die beiden sind. So schnell ich kann, laufe ich hinterher, stolpere und wache auf.
An diesem Morgen bleibe ich lange im Bett liegen, denke über die beiden Kinder nach, die immer noch da sind, in meinen Gedanken.
Sonst sind meine Träume immer schnell vergessen.
Nur die elendig langen Träume, die ich in dem zweiwöchigen Koma hatte, bleiben. Aber die will ich nicht haben.
Diesen einen schönen Traum möchte ich behalten, bin traurig, dass er vorbei ist und ich nicht mehr erfahre, wer die beiden sind. Wer ich bin!
Ich schleppe mich über den Tag und falle früh wieder ins Bett.
„Schön, dass du wieder da bist!“, sagen die beiden und lächeln mich an.
Ein Traum in Fortsetzung. Sehr seltsam!
Ohne Zögern nehme ich die Hand, die mir der Junge reicht und laufe mit ihnen wieder über diese wundervolle Wiese.
Ich fühle mich stark, voller Energie. Einfach wundervoll.
Schließlich liegen wir im Gras und schauen den Wolken zu, wie sie über den blauen Himmel ziehen.
Der beste Tag meines Lebens!
„Wenn du bei uns bleibst, zeigen wir dir unsere Geschichte“, sagt das Mädchen. Unsere Geschichte ist auch deine Geschichte, vielleicht nicht ganz so märchenhaft, aber wenn du auf meinen Bruder achtest, wirst du auch dich finden.“
Ich schaue das Mädchen einfach nur an, versuche zu lächeln und weiß nicht, ob es mir gelingt
„Ich versteh nicht ...?“, dann wach ich auf.
So gut ich mich gerade noch gefühlt habe, so schlecht fühle ich mich jetzt!
Wach, voller Schmerzen und total verwirrt.
Wieder schleppe ich mich durch den Tag, falle kaputt ins Bett.
„Jetzt musst du gut aufpassen, wir zeigen dir alles ...!“, sagt der Junge und nimmt mich wieder an die Hand. Wir rennen los und ihre Geschichte beginnt. Meine Geschichte beginnt, in der ich mich finde, wie das Mädchen versprach.
Sie haben die Wahrheit gesagt, zeigen mir alles. Nehmen mich an die Hand und lassen mich teilhaben. Der Junge lässt sein wahres Ich zu, dass ich selbst für mich immer suchte. Zeigt mir, dass man es finden kann.
Einfach so!
Das Mädchen zeigt mir alles andere, das, was ich bislang verpasst habe. Bestimmt zehn Nächte sind wir zusammen. Ich lernte aus dem, was die beiden lernten.
Nach diesen zehn Nächten geht es mir besser.
Sehr viel besser, sogar erstaunlich gut.
Ich habe mich gefunden, durch zwei Kinder, die mich führten, in einem Traum, der zehn Tage anhielt und noch immer nicht zu Ende ist. Er geht weiter, wenn ich wieder bereit bin. Manchmal brauche ich Zeit zu verschnaufen. Sie nehmen beide Rücksicht, warten, reichen mir die Hand, wenn ich wieder Schritt halten kann.
Zu fantastisch ist die Geschichte, die ich im Traum immer weiter erlebe. So fantastisch, dass ich sie aufschreibe.
So fantastisch, dass ich nicht aufhören kann. Die beiden sind immer noch bei mir und zeigen mir so viel mehr.
Dinge, die schon immer in mir waren.
Dinge, die ich zum ersten Mal erkannte, als mich mit elf Jahren meine innere Stimme anschrie und mir klar wurde, wer ich eigentlich bin. Über die Jahre verblasste diese Stimme, wurde zu einem unverständlichen Gemurmel, zugedeckt von den Wirren des Alltages, bis ich sie vergaß.
Jetzt war sie wieder da! Nicht nur eine Stimme, es sind zwei und sie haben Gesichter, zeigen mir alles und sind geduldig.
Ich schreibe es auf, weil es wichtig ist, sich selbst zu finden, es zuzulassen und nicht wieder zu vergessen. So wie ich es in den Jahren vergessen habe.
Jahre, die ich nicht aufholen kann, die mein wahres Ich verloren hat.
Es ist wichtig, es zu bewahren!
Ich schreibe es auf, weil ich es bin.
Es ist meine Geschichte, nicht so märchenhaft, wie das Mädchen sagte. Aber die Geschichte der Zwillinge ist es umso mehr.
Es fühlt sich gut an, ihre Geschichte mitzuerleben, voller Wärme, Liebe und Geborgenheit. Und dann sind da noch Magie, Fabelwesen und so viel mehr.
Ich habe mich gefunden, im Traum durch zwei Kinder und lasse euch alle teilhaben, an dieser fantastischen Geschichte!


Kapitel 1

„Ganz ruhig liegen und atmen … !
Ganz ruhig --- ein - aus - ein - aus!“
Ari lag mitten im Jungenschlafsaal des Waisenhauses auf seinem Bett. Ganz leise hauchte er die Worte, die ihn bislang IMMER beruhigten.
Sein Bett war eher eine Pritsche. Die einfache Metallkonstruktion, eigentlich dafür gedacht, schnell einmal ein wenig zu schlafen, nicht auf dem Boden, sondern auf etwas, das an ein richtiges Bett erinnere. Und auch nicht für Jahre, wie es viele Kinder in diesem Waisenhausen aushalten mussten.
So wie Ari!
Bei jeder noch so kleinen Bewegung quietschten und ächzten die dünnen Metallrohre.
„Ganz ruhig --- ein - aus - ein - aus!“
Er versuchte ruhig zu bleiben und das gleichmäßige Atmen der anderen Jungen, die schliefen, nachzuahmen, obwohl sein Herz wild bis in den Hals pochte und er das Rauschen seines Blutes in den Ohren zu hören glaubte.
Gleich kommt die mitternächtliche Kontrolle und geht durch die Reihen der unzähligen Betten!
Danach konnte er sich mit seiner Zwillingsschwester Sérenne aus dem Staub machen!

Sérenne hatte ähnliche Probleme wie ihr Bruder. Sie lag still und hellwach in ihrem Bett und wartete auf die richtige Gelegenheit. Auch sie war aufgeregt, glaubte das schnelle und scheinbar laute Pochen ihres Herzens, könne alle aufwecken.
Erst nach Mitternacht konnte sie versuchen, vorsichtig aufzustehen, um sich aus dem Saal zu schleichen.
Erst musste die Mitternachtskontrolle bei ihrem Bruder die Runde gemacht haben.
Im Mädchenschlafsaal wurden keine Kontrollrunden gedreht. Eine ständige Aufsicht saß in einem kleinen Glaskasten in einer Ecke des Raumes und kämpfte jede Nacht tapfer gegen die Müdigkeit.
Warum die Mädchen ständig überwacht wurden und die Jungen nicht, war den Zwillingen schon lange ein Rätsel.
Normalerweise saß die Aufsicht nur ihre Zeit ab und tat nichts. Ging auch nicht durch die Reihen. Irgendwann döste sie gelangweilt und müde ein.
Darauf hoffte Sérenne auch diese Nacht!
Die Turmuhr des Waisenhauses schlug in langsamen dumpfen Schlägen Mitternacht.
Da dieses Gebäude ursprünglich einmal ein großzügiger Herrensitz gewesen war, gab es auch eine Kapelle mit kleiner Turmuhr.
Dong - Dong - Dong ... .

Ari wartete angespannt auf das Verhallen des letzten Glockenschlages. Normalerweise war das das Zeichen!
Er wartete auf den Kontrolleur, das Knarzen der Dielen, wenn er über den Flur schlurft, und das leise Quietschen der großen zweiflügligen Tür beim Eintreten.
„Leise .... ruhig atmen!“, hauchte er wieder!
Diesmal musste Ihre Flucht gelingen!
Sie hatten es schon oft versucht, wurden aber nur einmal erwischt und schwer bestraft.
Alle anderen Versuche brachen sie rechtzeitig ab und schlichen unbemerkt zurück in ihren Schlafsaal.
Immer war etwas dazwischengekommen!
Eine umhergeisternde Aufsicht oder nur eine nicht zu öffnende Tür. Immer blöde Kleinigkeiten, sonst wären sie schon längst über alle Berge!
Da ...!
Das Knarzen im Flur, leises Schlurfen und das Quietschen der Tür!
Ein kleiner Lichtstrahl fiel durch den sich öffnenden Spalt, der massiven Eichentür des Schlafsaals.
Ihr Aufseher schlurfte so leise wie möglich und gelangweilt durch die Reihen der annähernd 150 Betten.
Nur beleuchtet von ein paar Nachtlichtern, die verstreut im Saal einen schummrigen Schein verbreiteten, damit nicht doch einmal jemand über ein Bett stolpere.
Das Schlurfen schien diesmal endlos und stoppte ein paarmal.
Ari wagte aber nicht, sich aufzurichten!
Er hatte die Augen geschlossen und versuchte nur zu hören und zu erahnen, was der Aufseher diesmal so lange trieb.
Endlich!
Die Runde war vorbei!
Das Türquietschen und einrasten des Türschnappers in das Gegenstück, entließ ihn aus seiner Starre.
Das Knarzen der Flurdielen schien sich für Ari diesmal in Zeitlupe zu entfernen. Dehnte sich zu endlosen Versuchen, ruhig zu atmen!
Noch kurz warten und dann langsam, ganz langsam, vom Bett auf den Boden herabsinken.
Warten ... , atmen ...!
Sein Puls wurde langsamer!
Das quietschende Bett hatte heute Mitleid mit ihm gehabt.
Es hat nur leise gestöhnt, als sich die Last, die auf ihm lag, herabgleiten ließ.
Ari hielt sich flach am Boden! Er hatte schon oft bemerkt, wenn er selber nicht schlafen konnte, dass andere Kinder auch nachts wach lagen und leise weinten.
Er kroch ganz langsam in Richtung Tür.
Flankiert von den in regelmäßigen Abständen stehenden metallenen Bettpfosten.
Sie gaben ihm das Gefühl, durch einen Geisterwald zu kriechen, den Hexen schön gleichmäßig angepflanzt hatten.
Nur gespenstischer Nebel fehlte!
Noch ein paar Meter bis zur Tür ...!
Geschafft!
Vorsichtig tastete er in seiner Tasche nach einem kleinen Ölfläschchen, das er schon vor einiger Zeit bei einem Arbeitseinsatz in der Metallwerkstatt hatte mitgehen lassen.
Schnell war es gefunden und er tropfte etwas Öl auf das untere Scharnier.
Langsam und leise Aufstehen und das mittlere Scharnier ölen!
Oben kam er nicht dran. Die Tür war mit gut drei Metern Höhe nicht gerade klein!
Es musste so gehen!
Vorsichtig drückte er die Klinke und der Flügel der Tür öffnete sich fast geräuschlos.
Ari huschte auf den Flur und schloss vorsichtig wieder den schweren Eichentürflügel.
In dem feuchten Gemäuer würde sie morgen wieder quietschen, das hatte er schon mehrfach probiert.
Langsam schlich er über den Flur in Richtung Mädchenschlafsaal. Alle knarzenden Dielen vermeidend, die er den letzten zwölf Jahren auszumachen gelernt hatte.

Sérenne hatte kurz nach dem letzten Schlag der Turmuhr damit begonnen, den Zustand ihrer Bewacherin im Glaskasten in Erfahrung zu bringen.
Dazu musste sie sich langsam im Bett aufrichten!
Obwohl sie auf einer Metallpritsche, wie die ihres Bruders lag, machte das Bett bei ihren Bewegungen keine Geräusche.
Sie war schon immer eine Meisterin der lautlosen Bewegung gewesen. Vielleicht lag das an ihrem zarten Körperbau! Oder hatte sie eine besondere Gabe, von der sie nichts wusste?
Auch im Anschleichen und Verstecken war sie schon immer besser als ihr Bruder gewesen.
Wenn sie einmal eine seltene Gelegenheit zum Spielen zusammen hatten, ärgerte ihn das manchmal, weil er bei den anderen Jungs bloßgestellt wurde, von seiner Schwester übertroffen.
Einem hübschen Mädchen!
Insgeheim war er aber stolz auf seine Schwester und beneidete sie sogar ein wenig. Das dumme Geschwätz der anderen Jungen ärgerte ihn, aber er sagte nichts.
Die Aufseherin war, wie erhofft, über ihrem Buch eingedöst! Sie hing etwas unbequem auf dem Stuhl, drohte fast herunterzufallen. Ihr offener Mund sah lustig aus und Sérenne hörte sogar ein leichtes Schnarchen. Die brennende Schreibtischlampe im Glaskasten und die Nachtlichter in den Ecken gaben genug Helligkeit zum Orientieren.
Jetzt oder nie!
Der letzte Ton der Turmuhr verhallte dumpf in einem leisen Echo und nur Sérenne schien das Schlagen der Uhr im Schlafsaal mitbekommen zu haben.
Nichts regte sich.
Jetzt!
Sie drehte vorsichtig ihren Körper und setzte die Füße auf den Boden. Langsam aufrichten!
Quietsch, ächz. Aber nur leise!
Wie immer fast geräuschlos!
Sérenne schlich lautlos und schnell, wie ein Schatten, in Richtung Tür. Auch hier versperrte eine riesige zweiflügelige Eichentür den Weg in den Flur.
Die Mädchen schliefen im ehemaligen Ballsaal und so imposant ihr Schlafsaal bei Licht war, so imposant war die Tür, auch als dunkler Schatten.
Sérenne atmetet noch einmal tief durch!
Heute Nacht musste Ihnen die Flucht unbedingt gelingen.
Morgen oder besser heute hatten die Zwillinge ihren 14. Geburtstag. Und nach dem 14. Geburtstag mussten alle Kinder das Waisenhaus verlassen.
Alle zwei Monate lud die Leiterin die interessierten Handwerker, Bauern und Anwerber für Bedienstete besserer Herrschaften aus den umliegenden Dörfern und Städten ein, damit sie sich aus den Kindern geeignete Arbeiter aussuchen konnten.
Dummerweise war genau heute dieser besagte Tag!
Gerade an ihrem Geburtstag!
Dass die Zwillinge zusammen in einen Haushalt oder zu einem Handwerker kämen, war ziemlich unwahrscheinlich. Auch ein Bauer würde nicht gleichzeitig eine Magd und einen Knecht benötigen, die er beide durchfüttern musste.
Also fliehen oder ihren geliebten Bruder verlieren!
Fliehen!
Nur weg hier!
Die Schlafsaaltür ...!
Sérenne drückte die Klinke und die Tür schwang geräuschlos auf. Wie immer hatte sie Glück beim Anschleichen, diesmal Davonschleichen.
Im Flur huschte sie, die knarzenden Dielen wohl wissend umgehend, zu der Ecknische, dem Treffpunkt mit ihrem Bruder.
Ari wartete schon ungeduldig auf sie.
Für Geburtstagsglückwünsche hatten sie keine Zeit, das wussten beide.
Ari nickte ihr nur kurz zu, nahm seine Schwester an die Hand und zusammen schlichen sie über den dunklen Flur in Richtung Treppenhaus. Sie mussten nur eine Etage nach unten und in den hinteren Flügel gelangen.
Dort wo die Küche und Vorratsräume lagen!
Im Flur zur Küche befand sich eine kleine Tür nach draußen in den Garten.
An ihr wurden zu herrschaftlichen Zeiten die Leute empfangen, die nicht am imposanten Haupttor klopfen durften.
Ari hatte sich erst kürzlich den Schlüssel zu eben dieser Tür „geborgt“ und in der Metallwerkstatt einen Nachschlüssel gefeilt.
Jetzt würde sich zeigen, ob die Ausbildungen, die den Jungen und Mädchen bis zum 14. Geburtstag aufgezwungen wurden, auch etwas taugten.
Ohne Zwischenfälle erreichten Sérenne und Ari die Hintertür. Keiner hatte nächtens Hunger und trieb sich in der Küche herum.
Ari schob langsam den Schlüssel in das Schloss.
So nahe waren sie der Flucht noch nie!
Als sie einmal geschnappt wurden, sind sie einer schlaftrunkenen Angestellten in die Arme gelaufen.
Bis heute wussten sie nicht, was sie da im Flur zu dieser Zeit gesucht hatte. Die Toiletten waren jedenfalls in der anderen Richtung!
Sie hatte gleich wie am Spieß geschrien, dachte vermutlich die beiden Hausgeister vor sich zu sehen.
Um den Herrensitz rankten sich eine Menge Geistergeschichten. Die meisten handelten von merkwürdigen Geräuschen.
Die Geschichtenerzähler hatten wohl noch nie auf einem Waisenhausbett geschlafen und keine Erfahrung mit Metallpritschen! Diese wurden nachts gleich von knapp 300 Jungen und Mädchen, bei jeder noch so kleinen Bewegung, zum Quietschen und Knarzen gebracht!
Da konnten schon einmal Geistergeschichten entstehen!
Der Schlüssel passte tadellos in das Schloss und ließ sich leicht drehen. Die Tür klemmte ein wenig, ging aber mit einem leisen Knarren sofort auf.
Die Kinder spürten die frische, feuchte Luft der Spätoktobernacht.
Dicke Wolken zogen langsam über den Nachthimmel und verdunkelten zeitweise den Vollmond.
„Es sieht nach Regen aus“, dachte Ari, schloss die Tür und zog seine Schwester an der Hand in Richtung Wald.
Früher war das hier ein beeindruckender Park gewesen, aber der Wald hat sich sein Recht bis kurz vor dem Herrenhaus zurückgeholt.
Was ihr Glück war, da es so nur eine kurzen Distanz feuchten Rasens zu überwinden galt.
Sie liefen noch ein paar hundert Meter in den Wald hinein, bevor sie sich überglücklich umarmten.
Geschafft!
Das Waisenhaus lag hinter ihnen und sie hatten immer noch die Nachthemden an.
Schnell zogen beide die Hemden aus.
Darunter trugen sie die übliche Kleidung der Waisenkinder.
Sérenne ein grob gewirktes Leinenkleid mit Strumpfhose und Stiefeln und sie hatte auch Ihre dicke Jacke in einer Tasche mitgebracht.
Ari eine ähnliche gearbeitet Leinenhose und ein Leinenhemd. Auch er hatte Stiefel an und an seine warme Jacke gedacht. Die Leinenstoffe waren alle gräulich gefärbt, Ari's Hemd etwas heller. Die Jacken fast schwarz. Ideal, um nicht im Wald aufzufallen!
Regensachen besaßen beide nicht!
Langsam gingen sie weiter. Es müsste so etwa ein Uhr sein.
Bis um fünf Uhr die Jungen und Mädchen geweckt werden, hätten sie schon ein gutes Stück zwischen sich und das Waisenhaus gebracht.
Ihr Plan war es, so weit wie möglich in Richtung Osten zu gehen. Sie hatten einmal von einer Aufseherin gehört, dass ihre Eltern in dieser Richtung gewohnt haben sollen.
Erinnerungen an Mama und Papa hatte sie so gut wie keine.
Ari konnte sich nur schemenhaft an ihr Aussehen erinnern. Im Hintergrund seiner Erinnerung loderte ein Feuer. Ein Mann versuchte, die Flammen mit einer Decke auszuschlagen. Er drehte sich immer wieder zu der Frau um und rief ihr etwas zu. Der Mann war sein Vater, das wusste er, aber an sein Aussehen konnte er sich nur undeutlich erinnern. Die Flammen blendeten ihn, aber er sah noch deutlich die schwarzen Haare vor sich, die er geerbt hatte.
Und da war die Frau, die sich lächelnd über ihn beugte und eine Kette mit einem Medaillon um seinen Hals hängte! Sie sprach ruhig und freundlich mit ihm und hielt ein Bündel im Arm. Als sie das Bündel neben ihn in den Korb legte, fiel ein langer blonder Zopf von Ihrer Schulter. Die gleichen langen blonden Haare hatte auch seine Schwester Sérenne.
Er konnte sich auch an die ebenmäßigen Gesichtszüge, die zarte Haut mit den rosigen Wangen und die großen blauen Augen seiner Mutter erinnern. All das sah er auch an seiner Schwester, die er an der Hand hinter sich herzog.
Das Bündel im Arm der Mutter war sie gewesen!
Er hatte schon ein paarmal versucht, sich mit Sérenne über diese Bilder aus seiner Erinnerung zu unterhalten, aber er merkte immer sehr schnell, dass sie nicht darüber sprechen wollte und sehr traurig wurde. Die feste Bande zwischen Zwillingen war auch bei Ihnen geknüpft. Vielleicht sogar noch stärker als sonst üblich!
Daher bemerkten sie immer recht früh, wenn bei dem anderen etwas nicht stimmte.
Und Ari hasste es seine Schwester weinen zu sehen! Darum sprach er das Thema nicht mehr an, bis die Zeit dafür gekommen schien.
Sérenne war müde und ihre Beine schmerzten!
Eigentlich hätte sie sich gerne ein wenig ausgeruht, aber durch das schon lichter werdende Blätterdach des Waldes konnte man noch die wenigen Lichter des Waisenhauses, das zudem ein wenig erhöht stand, erahnen.
Sie hatten getrödelt!
Ari war wohl auch müde.
„Kannst du noch? Du scheinst müde zu sein!“
Sérenne hatte das letzte Wort kaum ausgesprochen, da flammten auf dem Hügel des Waisenhauses alle Lichter der Hofbeleuchtung auf.
Nun konnte man deutlich die Umrisse der Gebäude erkennen!
Ihre Flucht war entdeckt worden!
Ari starrte mit großen Augen in Richtung Waisenhaus.
Seine Starre löste sich aber schnell. Er wollte unter keinen Umständen wieder zurück.
Sérenne merkte, wie sich sein Griff um Ihr Handgelenk verstärkte! Es schmerzte, aber sie sagte nichts und hastete hinter ihm her.
Sein Griff wurde noch fester und er lief noch schneller!
In der Ferne hörte man einen Hund kläffen, der schnell näher zu kommen schien.
Konnte es der altersschwache Hofhund des Waisenhauses sein?
War in ihm ein Bluthund versteckt?
Sérenne hatte oft mit ihm gespielt. Zuerst hat er immer geknurrt, aber schnell wurde er zutraulich. Sie schien sich auch mit Tieren gut zu verstehen. Aber bei dem jetzt deutlich lauter werden Hundegekläff wollte sie ihre vermeintliche Gabe nicht ausprobieren.
Ari wurde noch schneller!
Sérenne hatte den Eindruck, hinter ihm herzufliegen, wie ein Kinderdrachen, der gegen den Wind im schnellen Lauf in die Höhe fliegen sollte.
Äste und Blätter peitschen in Ihr Gesicht, das feucht war von dem aufkommenden Nebel, der, je weiter sie liefen, immer dichter zu werden schien.
Auch der Wald wurde dichter und sie merkte, wie ihre Wangen durch die peitschenden Äste zu bluten anfingen.
Ari steigerte nochmals sein Tempo, obwohl man jetzt fast gar nichts mehr sehen konnte!
Der Mond war durch den Nebel, das lichte Blätterdach und Wolken nur als schwache milchige Scheibe zu erahnen.
Sérenne konnte nicht mehr!
Ihr Herz schlug so schnell, dass sich in Ihren Ohren der Trommelwirbel des Herzens mit dem Rauschen des Blutes zu vermischen schien!
Gerade als sie dachte, ihre Trommelfelle würden platzen, stolperte Ari über eine Baumwurzel und sie lief in vollem Lauf auf ihn auf, als er stürzte.
Die Zwillinge verwickelten sich im Sturz und kullerten als grau-schwarze Kugel weiter, bis sie schließlich liegen blieben.
Sérenne hörte nur das leiser werdende Rauschen und das verstummende Trommeln in ihren Ohren.
Spüren konnte sie gar nichts!
Ari erging es ähnlich!
Sein Herzschlag wurde langsam wieder ruhig und erstaunlicherweise tat ihm nichts weh.
Er drehte sich auf den Rücken und ließ sich von dem weichen Grass auffangen. Wohlige Wärme umspielte ihn und er hatte das Gefühl auf einer Blumenwiese zu liegen, sie sogar zu riechen.
Ein schöner Traum oder war er tot?
Aber konnte man spüren, wie ein Grashüpfer auf der Wange landete, wenn man tot war?
Behutsam, fast ängstlich, öffnete er die Augen.
Er lag tatsächlich auf einer Blumenwiese!
Vögel zwitscherten!
Der Morgen dämmerte!
Das Gras war weich und trocken!
Kein Tau!
Und es roch herrlich!
Sérenne?
Wo war Sérenne?
Laut rief er Ihren Namen, ganz vergessend, dass sie ja noch vor kurzem verfolgt wurden.
Er hörte kein Hundegekläff mehr, nur Vogelgezwitscher, das Zirpen der Grillen und das Stöhnen seiner Schwester.
„Sérenne, Sérenne, geht es dir gut? Bist du verletzt?“, Ari sprang eilig auf und kniete neben seiner Schwester, hob vorsichtig ihren Kopf auf seinen Schoß.
Sérenne öffnete die Augen und lächelte.
„Sind wir tot? Es ist so schön weich und warm und die Vögel zwitschern und es riecht so gut! Nicht wie der modrige Gestank in dem alten Kasten!“
„Sérenne, bist du verletzt?“, fragte Ari ängstlich.
„Nein, alles wundervoll“, seufzte sie und lächelte ihn warmherzig an, so wie er es von seiner Mutter in Erinnerung hatte!

….
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Juliakoebke, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von flammarion

Redakteur in diesem Forum
 
Interessant

Hallo Juliakoebke,

Interessante Geschichte.
Sie wirkt, wie ein Traum, den man eilig aufgeschrieben hat, bevor man ihn vergisst.
Das bewirkt, dass beim Leser (zumindest bei mir ;) ) kein angenehmer Lesefluss entsteht. Zu oft wirkt ein Satz, als würde er nicht zu dem Vorherigen gehören. Als wäre ein Gedanke eingeschoben worden, bevor man ihn vergisst.

Der Schreibstiel an sich, wirkt grob, als hättest du deinen noch nicht gefunden. Viele „Ich“ am Anfang der Sätze, die all zu oft in großer Eile geschrieben erscheinen.

Ich frage mich, wie ein Junge, der 13 Jahre in einem Weisenhaus gelebt hat und an diesem Tag 14 wird, sich so deutlich an seine Eltern erinnern kann?
Auch frage ich mich:
.... ein Mädchen mit langen blonden Haaren, zu einem Zopf geflochten, .... einen Jungen mit kurzen Haaren, ... Beide sehen gleich aus. Es sind Zwillinge.
Und dann wird der Junge plötzlich schwarzhaarig. Das scheint sich zu widersprechen.

Gruß
Helene P
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ein Roman, der nur aus einem langem Prolog und einem ersten Kapitel besteht. Hm.

Ich schließe mich Helene an und ergänze: Nicht so wahllos üppig mit Ausrufezeichen umgehen! (*) Viel öfter einfach mal einen Lesefluss erzeugen und den Text nicht in lauter kurzen Absätzen zerflattern lassen! Zeichensetzung ausbessern! Zeitfehler ausbessern!

* Eine der schlimmsten Passagen in dieser Hinsicht:
Er lag tatsächlich auf einer Blumenwiese!
Vögel zwitscherten!
Der Morgen dämmerte!
Das Gras war weich und trocken!
Kein Tau!
Und es roch herrlich!
Logik prüfen! Beispiel dafür:
Morgen oder besser heute hatten die Zwillinge ihren 14. Geburtstag. Und nach dem 14. Geburtstag mussten alle Kinder das Waisenhaus verlassen.
Wieso um Himmels willen fliehen die dann erst noch aus dem Heim? Nein, das mit der getrennten Arbeit zieht nicht: Wenn nur einer zu Bauer X kommt, aber - wenn er sich weigert - ohnhin nicht mehr ins Heim zurückmuss, warum treten die beiden nicht einfach nur ihre "Jobs" nicht an?



Und noch eine Geschmackssache: "Seerenne" klingt für mich nach einem aufgescheuchten Huhn - ist das Absicht bei dieser Namenswahl gewesen?
 



 
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