mein traum

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anbas

Mitglied
mein traum

da war ein traum
in jungen jahren
man hielt ihn viel zu abgefahren
er blieb trotzdem
nur fehlte glauben
ich konnte ihn mir nicht erlauben

dann fehlte zeit
den traum zu leben
ich musste nach realem streben
die zeit verging
kann heut nicht klagen
wieso soll ich jetzt noch was wagen

da gibt’s den traum
der träumt sich weiter
und das ist sicherlich gescheiter
schlaf gut mein traum
lass dich nicht wecken
sonst könnte ich mich noch erschrecken
 

Tula

Mitglied
Hallo Andreas

Weitaus kunstvoller als der Traum vom Tor, meine ich ganz ehrlich.

Der Abriss der verlebten Träume kommt hier glaubwürdig und mit dem notwendigen Funken scheinbar gleichgültiger Heiterkeit herüber. Die Pointe machte mich zunächst stutzig. Ich sehe nun allerdings, man kann sich sehr wohl über seine eigenen Träume erschrecken, d.h. über sich selbst.

Gern gelesen

LG
Tula
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
man hielt ihn [strike]viel[/strike] zu abgefahren

man hielt ihn für zu abgefahren
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Tja, die Träume der Jugend. Wer hatte damals, lange her, keinen Traum von sich, von der Welt und wie er sie erobern würde? Ein Thema, nicht neu, aber eines, über das es sich nachzudenken lohnt, Anbas.

Dein Ich spricht als Erwachsener, als der "Erfahrene", der glaubt, die Welt zu kennen, ein wenig wehmütig, ein wenig spöttisch über seinen Traum als junger Mensch. Worum es bei diesem Traum geht, wird nicht erwähnt.

Bereits in S1V6 redet sich der nunmehr Erwachsene raus: Er konnte sich den Traum nicht erlauben. Als ob er für einen Traum die Genehmigung von irgendwem brauchen würde. Auf gut Deutsch: Er hatte kein Fleisch in der Hose.

In S2 noch eine Ausrede: Keine Zeit. Man erfährt aber, dass das ganz in Ordnung war, man hat sich angepasst und will nicht mehr, als irgendwie unbelästigt durchzukommen.

In S3 wird der Erwachsene wehmütig: Es war ein schöner Traum,
den jetzt andere junge Menschen träumen. Er darf nicht an diese Jugendtorheit denken, aber ganz vergessen ist der Traum nicht, jetzt hat er Angst vor seinem Jugendtraum.

So dein Plot.

Ich glaube, dein Gedicht würde gewinnen, wenn der Erwachsene in S1 noch einmal zum Jugendlichen würde und seinen Traum verteidigen würde. Wobei ich mir vorstellen könnte, dass man erfährt, worum es sich bei diesem Traum handelt.

In S2 dann die Ausreden, warum aus dem Traum nichts geworden ist.

In S3 würde ich mir die Angst vor diesem Traum, dass er wiederkehren könnte und das ein- und angepasste Leben des Erwachsenen gefährden könnte, konkreter vorstellen.

Aber noch ein Wort zur Technik:
Das Gedicht ist in Jamben geschrieben. Allerdings gerätst du in V4 aus dem Metrum: Er blieb trotzdem. Trotzdem enthält die Hebung auf der ersten Silbe. Gesprochen kann man das natürlich überspielen, indem man "dem" betont als Hinweis auf das vorher Gesagte. Aber korrekt ist es nicht.

blackout
 

anbas

Mitglied
Hallo blackout,

ich danke Dir für die ausführliche Auseinandersetzung mit meinem Gedicht (so sehr ich mich darüber freue - mich setzen solch ausführlichen Textbesprechungen auch immer etwas unter Stress, da ich dem in meiner Antwort auch gerecht werden will - aber auf diesen persönlichen Stressfaktor von mir, sollte niemand Rücksicht nehmen :D).

Mit Deiner Analyse gehe ich d'accord - wobei ich es nicht ganz so streng formulieren würde. "Ausreden", "kein Fleisch in der Hose" - ja, so ist es - doch auch dafür gibt es Gründe (und das muss nicht immer unbedingt immer die gern genommene schlechte Kindheit sein ;)). Junge Menschen lassen sich schnell und einfach von der Meinung der anderen beeinflussen - sowohl positiv als auch negativ. Und wie schnell man in die Mühlen eines stressigen Alltags gerät, merke ich immer wieder mal - was u.a. dazu führt, dass mir dann z.B. die Energie fehlt, zeitnah auf Kommentare in der Leselupe zu antworten ;).

Was den Inhalt des Traumes betrifft, so möchte ich dies ganz bewusst offen lassen - jeder Mensch hat seine Träume. Manchen gelingt es, sie ganz oder teilweise zu leben, andere schaffen es nicht - aus welchen Gründen auch immer. Mir geht es mehr um das Prinzip an sich: Träume vor sich herzuschieben und dann irgendwann zu merken, dass es zu spät ist, sie zu verwirklichen (in meiner Familie hatte zum Beispiel jemand den Traum, mit einem Ballon zu fliegen und wünschte sich dies zum 70. Geburtstag - doch dann wurde sie zu krank, um sich den Traum, den sie ihr Leben lang hatte, zu erfüllen) oder sie als Gefahr für das so schön in ordentlichen bahnen verlaufende Leben zu sehen.
Im weiteren Sinne steht hier der Traum auch von einer Lebensplanung, die nicht umgesetzt wird, da man sich von äußeren Faktoren immer wieder bestimmen lässt, anstatt das Ruder selbst in die Hand zu nehmen.

Was die Betonung von "trotzdem" betrifft, so war ich mir unsicher und habe Herrn Duden gefragt. Der meinte, dass zwei Formen der Betonung möglich sind: Nur die erste Silbe betonen oder beide gleichwertig - im letzteren Falle passt es dann.

Nochmals vielen Dank für Deine Rückmeldung.

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
mein traum

da war ein traum
in jungen jahren
man hielt ihn für zu abgefahren
er blieb trotzdem
nur fehlte glauben
ich konnte ihn mir nicht erlauben

dann fehlte zeit
den traum zu leben
ich musste nach realem streben
die zeit verging
kann heut nicht klagen
wieso soll ich jetzt noch was wagen

da gibt’s den traum
der träumt sich weiter
und das ist sicherlich gescheiter
schlaf gut mein traum
lass dich nicht wecken
sonst könnte ich mich noch erschrecken
 



 
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