Papiertiger
Mitglied
Es ist so wenig, was wir wirklich brauchen. Warum zur Hölle ist das so oft unter Unmengen von Unnützem verborgen? Wäre es nicht schön, nicht nur eine Suchmaschine fürs Internet zu haben, tatsächlich hilfreiche personalisierte Werbung und richtig gute Empfehlungen von Produkten auf einer Einkaufsplattform, sondern eine Art Vollzeit-Autopiloten fürs ganze Leben. So etwas was Jarvis für Iron Man ist oder Alfred für Batman, ein väterlicher Freund, ein bester Kumpel.
Diese Annonce hatte mich überzeugt. Gelesen hatte ich sie Sonntag um drei Uhr früh, ich konnte nicht mehr schlafen, hatte es erneut geschafft vom Stress der Arbeitswoche mit Karacho in ein Wochenende voll selbstgemachtem Freizeitstress zu wechseln. Das Programm für eine Woche in zwei freie Tage quetschen zu wollen funktionierte noch nie und dennoch gab ich nie auf es doch noch ein weiteres Mal zu versuchen. Am Montag war sie da: Melanie, meine persönliche Mentorin. Ich schob mir den Empfänger ins Ohr und setze die Linsen auf meine Augen so wie ich es vorher bereits von Kontaktlinsen kannte.
„Guten Tag, Max, meine Name ist Melanie. Möchtest Du das ich Dir das Tutorial vorführe?“.
Ich verzichtete ungeduldig, war ich doch nie jemand, der sich lange mit Bedienungsanleitungen aufhielt.
„Soll ich Dich vollständig durch deinen optimalen Tagesablauf führen, Max?“.
„Ja, gerne“, erwiderte ich mit einer Mischung an Anspannung und Vorfreude.
„Was tust Du da, Max?“.
„Ich wollte noch in Ruhe aufschreiben, was ich heute alles erledigen wollte. Das ist mein tägliches Ritual. Tagebuch führen, langsam in den Tag starten…“.
„Max!“, unterbrach mich Melanie in höflichem, aber strengen Ton. „Ich habe vollen Zugriff auf deine elektronischen Dateien, deine Tagebücher, deine zahlreichen To-Do-Listen. Ich kümmere mich darum, dich auf dem optimalen Weg zur Erreichung deiner Ziele zu bringen.“.
An den Wochenenden bisher hätte ich jetzt locker zwei Stunden redundante Tagebuchtexte geschrieben, versucht eine passable Kurzgeschichte fertigzustellen, mir vorgenommen zu lernen, Sport zu treiben, ins Kino zu gehen, Computer zu spielen. Und irgendwie wurde dann einiges davon auch tatsächlich erledigt, aber gefühlt oder tatsächlich blieb immer das liegen, was eigentlich das Wichtigste wäre, abnehmen, mehr Geld verdienen und dieses klug investieren, ein Psychologiestudium endlich mal zu beginnen, die Frau fürs Leben zu finden, für die Reise nach Großbritannien zu sparen. Aber die großen Ziele opferte ich oft für die kleinen Zerstreuungen, die Ablenkungen, die schnellen Freuden, die leichten Erfolgserlebnisse, die im Grunde meist gar keine echten Erfolge waren. Am Samstag hatte ich doch tatsächlich drei Stunden nach dem Republic Gunship aus Star Wars gesucht. Ein schönes Modell für einen akzeptablen Preis, so 120 Euro hätte ich bezahlt. Aber es war nichts zu finden. Und des...BZZZ. Ich zuckte zusammen.
„Was war das?“, fragte ich erschreckt?
„Das war ein minimaler Stromstoß“, entgegnete Melanie in ruhigem, leicht säuselnden Ton.
„Wieso???“
„Eine pädagogische Maßnahme. Das elektronische Gegenstück zur Gedankenstopp-Methode. Die hilft verblüffend gut bei Menschen, die eine Sucht loswerden wollen. Wer trockener Alkoholiker ist und merkt, dass gerade Gedanken ans Trinken hochkommen, der klatscht in die Hände und ruft laut: Stopp! Alternativ hilft es auch auf eine Chilischote zu beißen.
„Okay“, murmle ich, noch etwas benommen. „Ich wollte ja auch eigentlich den Tag mit einer Einheit Sport beginnen, aber ich habe keine Lust.“. Schlagartig bin ich in einer Konzerthalle. Ariana Grande stolziert in ihren weißen, hohen Lackstiefeln über die Bühne, wirft mir ein Luftküsschen zu und plötzlich bin ich mit ihr hinter der Bühne. Sie schließt ihre Garderobentür vor meiner Nase. An der Tür hängt ein Zettel: „Viel Spaß beim Sport!“. Ich bin baff. „So etwas kannst du?“, frage ich Melanie.
„Jep. Ich habe die Videos und Songs studiert, die du dir beim Krafttraining und vor dem Laufen ansiehst. Du motivierst dich damit, dir zu sagen, wenn du für eine Frau, die so aussieht wie Ariana, Ellie Goulding oder Alicia Keys, dann musst du dich mächtig anstrengen und in Form bringen“.
Schon ziemlich beeindruckt beginne ich meinen einstündigen Spaziergang und male mir bereits aus, wohin Melanie mich als nächstes führen wird. Wenn ich auf meine Beine höre, dann wird es wohl ein schmerzhafter Weg. BZZT. „Ist ja gut“.
Diese Annonce hatte mich überzeugt. Gelesen hatte ich sie Sonntag um drei Uhr früh, ich konnte nicht mehr schlafen, hatte es erneut geschafft vom Stress der Arbeitswoche mit Karacho in ein Wochenende voll selbstgemachtem Freizeitstress zu wechseln. Das Programm für eine Woche in zwei freie Tage quetschen zu wollen funktionierte noch nie und dennoch gab ich nie auf es doch noch ein weiteres Mal zu versuchen. Am Montag war sie da: Melanie, meine persönliche Mentorin. Ich schob mir den Empfänger ins Ohr und setze die Linsen auf meine Augen so wie ich es vorher bereits von Kontaktlinsen kannte.
„Guten Tag, Max, meine Name ist Melanie. Möchtest Du das ich Dir das Tutorial vorführe?“.
Ich verzichtete ungeduldig, war ich doch nie jemand, der sich lange mit Bedienungsanleitungen aufhielt.
„Soll ich Dich vollständig durch deinen optimalen Tagesablauf führen, Max?“.
„Ja, gerne“, erwiderte ich mit einer Mischung an Anspannung und Vorfreude.
„Was tust Du da, Max?“.
„Ich wollte noch in Ruhe aufschreiben, was ich heute alles erledigen wollte. Das ist mein tägliches Ritual. Tagebuch führen, langsam in den Tag starten…“.
„Max!“, unterbrach mich Melanie in höflichem, aber strengen Ton. „Ich habe vollen Zugriff auf deine elektronischen Dateien, deine Tagebücher, deine zahlreichen To-Do-Listen. Ich kümmere mich darum, dich auf dem optimalen Weg zur Erreichung deiner Ziele zu bringen.“.
An den Wochenenden bisher hätte ich jetzt locker zwei Stunden redundante Tagebuchtexte geschrieben, versucht eine passable Kurzgeschichte fertigzustellen, mir vorgenommen zu lernen, Sport zu treiben, ins Kino zu gehen, Computer zu spielen. Und irgendwie wurde dann einiges davon auch tatsächlich erledigt, aber gefühlt oder tatsächlich blieb immer das liegen, was eigentlich das Wichtigste wäre, abnehmen, mehr Geld verdienen und dieses klug investieren, ein Psychologiestudium endlich mal zu beginnen, die Frau fürs Leben zu finden, für die Reise nach Großbritannien zu sparen. Aber die großen Ziele opferte ich oft für die kleinen Zerstreuungen, die Ablenkungen, die schnellen Freuden, die leichten Erfolgserlebnisse, die im Grunde meist gar keine echten Erfolge waren. Am Samstag hatte ich doch tatsächlich drei Stunden nach dem Republic Gunship aus Star Wars gesucht. Ein schönes Modell für einen akzeptablen Preis, so 120 Euro hätte ich bezahlt. Aber es war nichts zu finden. Und des...BZZZ. Ich zuckte zusammen.
„Was war das?“, fragte ich erschreckt?
„Das war ein minimaler Stromstoß“, entgegnete Melanie in ruhigem, leicht säuselnden Ton.
„Wieso???“
„Eine pädagogische Maßnahme. Das elektronische Gegenstück zur Gedankenstopp-Methode. Die hilft verblüffend gut bei Menschen, die eine Sucht loswerden wollen. Wer trockener Alkoholiker ist und merkt, dass gerade Gedanken ans Trinken hochkommen, der klatscht in die Hände und ruft laut: Stopp! Alternativ hilft es auch auf eine Chilischote zu beißen.
„Okay“, murmle ich, noch etwas benommen. „Ich wollte ja auch eigentlich den Tag mit einer Einheit Sport beginnen, aber ich habe keine Lust.“. Schlagartig bin ich in einer Konzerthalle. Ariana Grande stolziert in ihren weißen, hohen Lackstiefeln über die Bühne, wirft mir ein Luftküsschen zu und plötzlich bin ich mit ihr hinter der Bühne. Sie schließt ihre Garderobentür vor meiner Nase. An der Tür hängt ein Zettel: „Viel Spaß beim Sport!“. Ich bin baff. „So etwas kannst du?“, frage ich Melanie.
„Jep. Ich habe die Videos und Songs studiert, die du dir beim Krafttraining und vor dem Laufen ansiehst. Du motivierst dich damit, dir zu sagen, wenn du für eine Frau, die so aussieht wie Ariana, Ellie Goulding oder Alicia Keys, dann musst du dich mächtig anstrengen und in Form bringen“.
Schon ziemlich beeindruckt beginne ich meinen einstündigen Spaziergang und male mir bereits aus, wohin Melanie mich als nächstes führen wird. Wenn ich auf meine Beine höre, dann wird es wohl ein schmerzhafter Weg. BZZT. „Ist ja gut“.