Menschliches Gelände (Sonett)

4,80 Stern(e) 6 Bewertungen

James Blond

Mitglied
Was sind die Menschen doch ein seltsames Gesindel,
das sich dem Untergang verschrieben hat! Den Neid
zu wecken, säen sie und ernten dann im Leid
das eigne Blut aus einem Stich an ihrer Spindel.

Erst schreit das Kind aus Not in seiner vollen Windel,
schon bald verlangt es mehr als nur ein neues Kleid,
im Joch der Sitte schwört man laut den Treueeid,
der uns schon bald verdirbt zu scheinheiligem Schwindel.

Was Tugend sich ersann, schmelzt Leidenschaft zusammen,
wie Schnee, der jählings an den heißen Herd geriet,
die Eifersucht entfacht im Herzen tausend Flammen,
aus denen Liebe als ein feiner Rauch entflieht.

Mir scheint, sie würde von des Dichters Sternen stammen
und nicht verstehn, was ihretwillen hier geschieht.
 
Zuletzt bearbeitet:

Anni123

Mitglied
ich denke, James, das Gelände wird gerade besetzt von so Allerlei. Neid, Eugfersucht, Eigennutz, das ist nicht neu, aber die Aggression, mit der es heute ausgetragen wird,n wird, die ist neu.
LG von Anni
 

mondnein

Mitglied
der uns schon bald verdirbt zu scheinheiligem Schwindel.
drei Unbetonte? oder eine flüchtig betonte Zwischenbetonung (li)? wohl letzteres, wie die nicht so stark betonten dritten Taktschläge eines Vierertaktes (oder hier das Wort "Unbetonte" auf der dritten Silbe)

wenn die Tugend das tätige Subjekt ist, brauchts hier transitives "schmelzt" statt des intransitiven "schmilzt"s vor dem Objekt "Leidenschaft"

grusz, hansz
 

Scal

Mitglied
Die Weisheit der (barocken) Melancholie.
Bei den Schlusszeilen zögerte ich. Wäre nicht eine Frageform zu bevorzugen, z.B.:
"Ist's nicht, als würde sie aus Dichtersternen stammen
und nicht verstehn, was ihretwillen hier geschieht?"


LG
Scal
 

James Blond

Mitglied
Danke für die Hinweise!

Zu "scheinheiligem"
eine flüchtig betonte Zwischenbetonung (li)? wohl letzteres,
Genau so, meine ich.

brauchts hier transitives "schmelzt" statt des intransitiven "schmilzt"s
Richtig. Transitives "schmelzen". Habs korrigiert.

Bei den Schlusszeilen zögerte ich. Wäre nicht eine Frageform zu bevorzugen, z.B.:
"Ist's nicht, als würde sie aus Dichtersternen stammen
und nicht verstehn, was ihretwillen hier geschieht?"
Ginge auch. Aber warum hier am Ende die (rhetorische) Frage bevorzugen?
Im barocken Sonett wurden ja traditionell Einsichten transportiert. Da ist auch eine Subjektivierung (wie 'mir scheint') schon zu viel.

Gryphius endet in 'Menschliches Elende' :

Was itzund Athem holt / muß mit der Lufft entflihn /
Was nach uns kommen wird / wird uns ins Grab nach zihn
Was sag ich? wir vergehn wie Rauch von starken Winden.


Liebe Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 28334

Gast
Guten Abend @James Blond

Ein sehr schönes elisabethanisches Sonett!

Die Kohärenz der Sprache sticht mir in das Auge. Strophe eins kommt relativ nüchtern und roh daher und bedient sich einer zeitangemessenen Sprache und mündet im Reim der "Spindel", die die Sprache marignal heraustellt und den Stil bricht. (Inkohärenz)

In Strophe zwei geschieht genau das Gleiche: Die Windel des Kindes, das Kleid, der Eid, der Schwindel, all dies setzt sich bis in Strophe drei fort. Zum Zeilenende hin altert die Sprache.
"die Eifersucht entfacht im Herzen tausend Flammen," empfinde ich persönlich im Kontrast zum sonstigen Konstrukt, etwas zu schwülstig.
Meine Empfindung liegt aber daran begründet, dass ich diese Art der Methaphern nur schwer verdauen kann, weil ich Konstruktionen dieser Art millionenfach gelesen habe. Der Eindruck ist also sehr subjektiv.
Das Sonett bietet zu viel Raum für Füllwörter und Adjektive. Diese dadurch besetzten Silben könnte man vielleicht besser nutzen, lieber James-Blond.

Das Ungleichgewicht der Kohärenz hingegen finde ich sehr spannend. Es rüttelt mich beim Lesen etwas durch und sorgt dafür, dass ich die Neugier für das Weiterlesen nicht verliere.

Alles in allem ist das Werk für mich, bis auf kleinere Mäckelungen meinerseits, gelungen und bot eine sehr schöne Leseerfahrung.

Logi
 

James Blond

Mitglied
Guten Abend @logica89,

vielen Dank für deine umfassende Beschäftigung mit meinem Sonett, sie hat mir wichtige Informationen geliefert.
Ja, es stimmt, dass das Sonett im Sprachstil Zeile für Zeile altert, als suchte es seine Ursprünge zu ergründen.

Die Motivation, etwas derartig Veraltetes zu erdichten, rührt aus meiner Vorliebe für die gediegene, auch deftige Sprache des Barock - und an der damaligen Verwendung des Alexandriners im Sonett, der in seiner Schlagkraft den fünfhebigen Jamben überlegen ist. Somit handelt es sich hier um einen Versuch, die alte Form nachzuempfinden.

Ob das geglückt ist? Mir fehlt ja die Verzweiflung eines Gryphius angesichts der Kriegsgreuel. Auch wenn uns die Medien eine tägliche Portion davon in Bild und Wort servieren, so besitzt das nicht die Unmittelbarkeit des eigenen Erlebens. So habe ich mich hier auf die menschlichen Schwächen konzentriert, die zumindest auf eigenen Erfahrungen beruhen und ihnen ein historisches Gewand verpasst. So entsteht eine Bühnenwirkung, als deklamierte ein Schauspieler auf einer Provinzbühne. Um diesen schwerlastigen Moralappell selbstironisch aufzufangen, bringt das Schlussresumee die 'Sterne des Dichters' ins Spiel, um damit seinen etwas abgehobenen Standpunkt anzudeuten. Das Gedicht ist also auch ein Spiel mit der Zeit, der Sprache, mit Form und Klang – und mit der eigenen Person.
Ob es inhaltlich auch Betroffenheit auslösen kann? Das war hier eben nicht mein Ziel und so habe ich auch nicht vor allzu geläufigen Metaphern zurückgeschreckt, im Gegenteil die Überladungen geradezu gesucht.

Was die zu zahlreichen Füllworte und Adjektive anbelangt, so kann ich deine Kritik nicht ganz nachvollziehen, dazu bräuchte ich konkretere Hinweise oder Verbesserungsvorschläge. Ich habe mich trotz der Alexandriner um eine klare, unverdrehte Sprache bemüht.

Danke für deinen Beitrag und die Sternchen!

JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 28334

Gast
dazu bräuchte ich konkretere Hinweise oder Verbesserungsvorschläge.
Guten Abend, James!

Ich kann Dir Hinweise, aber keine Verbesserungsvorschläge liefern.
Für mich "kritische" Wörter hebe ich hervor und diese Hervorhebung unterscheide ich inhaltlich und stilistisch.

Was sind die Menschen doch ein seltsames Gesindel, *1
das sich dem Untergang verschrieben hat! Den Neid
zu wecken, säen sie und ernten dann im Leid
das eigne Blut aus einem Stich an ihrer Spindel.

Erst schreit das Kind aus Not in seiner vollen Windel, *2
schon bald
verlangt es mehr als nur ein neues Kleid, Anm.: *3
im Joch der Sitte schwört man laut den Treueeid, *4
der uns schon bald verdirbt zu scheinheiligem Schwindel. *5

Was Tugend sich ersann, schmelzt Leidenschaft zusammen,*6
wie Schnee, der jählings an den heißen Herd geriet, *7
die Eifersucht entfacht im Herzen tausend Flammen, *8
aus denen Liebe als ein feiner Rauch entflieht. *9

Mir scheint, sie würde von des Dichters Sternen stammen
und nicht verstehn, was ihretwillen hier geschieht. *10

*1 Anm.:
Das Naturell des "Gesindels" ist seltsam, "doch" Silbenschlucker
*2 Anm.: Umgangssprache, "volle Windel" ist keine Hochsprache
*3 Anm.: "schon bald", beides Füllwörter, "verlangt es mehr als nur ein Kleid" reicht nicht aus? Silbenschlucker.
*4 Anm.: "laut" ist überflüssig, wichtig ist der Bezug zum Schwur
*5 Anm.: "schon bald, verdirbt, scheinheiligem" Füllwörter und ein Schwindel ist verdorben und scheinheilig. -> Die Silben, die du für diese Wörter herausstellst, rauben den Raum für Silben mit tieferer Bedeutung oder Raum für schönere Bilder.

*6 Anm.: Leidenschaft wird zusammengeschmolzen? Oder soll es heißen: "Was Tugend sich ersann, schafft Leidenschaft?" Achtung: Es ist etwas provokativ ausgedrückt, die Absicht ist aber eine helfende. Erkläre mir nicht, was das Bild bedeutet, finde es selbst heraus. :)
*7 Anm.: "jählings, Füllwort" -
*8 Anm.: Wieso nicht 1002 Flammen? ;)
*9 Anm.: Silbenschlucker
*10 Anm.: Silbenschlucker

Jetzt streichen wir die Wörter und ignorieren das zerstörte Metrum und lassen das Werk mit 25 Silben weniger erneut auf uns wirken:

Was sind die Menschen ein Gesindel,
das sich dem Untergang verschrieben hat! Den Neid
zu wecken, säen sie und ernten dann im Leid
ihr Blut aus einem Stich an ihrer Spindel.

Erst schreit das Kind aus Not in seiner Windel,
verlangt es mehr als nur ein Kleid,
im Joch der Sitte schwört man den Treueeid,
der uns verführt zu neuem Schwindel. *1a

Was Tugend sich ersann, schafft Leidenschaft, *1b
wie Schnee, der an den Herd geriet,
die Eifersucht entfacht im Herzen Flammen,
aus denen Liebe als ein Rauch entflieht.

Mir scheint, sie würde von des Dichters Sternen stammen
und nicht verstehen, was ihretwillen geschieht.

*1a Anm.: (Kein Vorschlag, nur ausgefüllt der Form wegen, Veränderungen am Werk oder Vorschläge sind nicht meine Aufgabe)
*1b Anm.: (Kein Vorschlag, nur ausgefüllt der Form wegen)

Das Sonett kannst du etwas ruhen lassen und später entscheiden, ob diese Wörter das Werk stärken oder schwächen.
Solltest du den Eindruck gewinnen, dass es dadurch schwach würde, kannst du überlegen, wie du die freigewordenen Silben stärker und dichter nutzen kannst.
Wenn dir die Sprachnatur des Barock gefällt, könnte sich folgende Formulierung von "ihretwillen" auch "ob ihrer" anbieten.

Vielleicht hilft es dir, James Blond.

Logi
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

James Blond

Mitglied
Oha, du hast dir viel Arbeit gemacht, lieber logica89,
vielen Dank für diese ausführliche stilistische Analyse!

Ich verstehe jetzt auch besser die unterschiedliche Herangehensweise. Was uns im Sprachgebrauch wesentlich unterscheidet: Ich suche nicht nach einer Reduktion der Sprache auf das Wesentliche, sondern nach Formulierungen, die über die reine inhaltliche Aussage hinausreichen, die z. B. auch etwas über die Haltung des Sprechers verraten, die oft auch einem typischen Sprachgebrauch entnommen sind.

*1
"Was sind die Menschen doch ein seltsames Gesindel," *1
Das Naturell des "Gesindels" ist seltsam, "doch" Silbenschlucker :
"Was sind die Menschen ein Gesindel,"
-> Sicher wird damit das Gleiche ausgedrückt, nur mit dem Unterschied, dass der emotionale Appellcharakter der Zeile einer (fast schon) neutralen Feststellung geopfert wird, so schreibt Gryphius im ersten Vers seines "Menschliches Elende" : "Was sind wir Menschen doch ein Wohnhaus grimmer Schmertzen.", um neben dieser Erkenntnis auch seiner Bestürzung Ausdruck zu verleihen.

*2:
Erst schreit das Kind aus Not in seiner vollen Windel,
Umgangssprache, "volle Windel" ist keine Hochsprache
-> Stimmt. Doch ist es ein drastischer Ausdruck, der die Not verdeutlicht. Wäre eine 'nasse Windel ' hier besser?

*3:
Erst schreit das Kind aus Not ...
schon bald verlangt es ...

"schon bald", beides Füllwörter, "verlangt es mehr als nur ein Kleid" reicht nicht aus? Silbenschlucker.
->Der Kontrast "erst ... schon bald" verstärkt den Eindruck der Unendlichkeit menschlicher Bedürfnisse. Es reicht eben nicht, allein die Not zu beseitigen.

*4:
im Joch der Sitte schwört man laut den Treueeid,
laut" ist überflüssig, wichtig ist der Bezug zum Schwur
-> Kontrast: Der "laute Treueeid"; das öffentlich Hörbare wird vom stillen scheinheiligen Schwindel ersetzt, nicht jeder Schwindel ist übrigens scheinheilig.

*6 und *7:
Was Tugend sich ersann, schmelzt Leidenschaft zusammen,*6
wie Schnee, der jählings an den heißen Herd geriet, *7
Leidenschaft wird zusammengeschmolzen? Oder soll es heißen: "Was Tugend sich ersann, schafft Leidenschaft?"
-> Nein. Es ist so gemeint, wie es dort steht. (Mondnein hatte bereits auf das Transitive "schmelzen" hingewiesen.): Die Leidenschaft vernichtet die
Tugend so mühelos und schnell wie ein heißer Herd den Schnee, der unvermittelt auf die Herdplatte geriet.

*8
:
die Eifersucht entfacht im Herzen tausend Flammen,
Wieso nicht 1002 Flammen?
-> Wem wäre damit geholfen? "Tausend" ist hier ein Ersatz für eine unüberschaubare große Menge.

*9:
aus denen Liebe als ein feiner Rauch entflieht.
Silbenschlucker
->Nicht unbedingt. Denn ein feiner Rauch wird leicht übersehen, schwerer Rauch hingegen lässt sich kaum übersehen. Will sagen: Die Flucht der Liebe wird oft zu spät bemerkt.

*10:
Mir scheint, sie würde von des Dichters Sternen stammen
und nicht verstehn, was ihretwillen hier geschieht.

Silbenschlucker. Wenn dir die Sprachnatur des Barock gefällt, könnte sich folgende Formulierung von "ihretwillen" auch "ob ihrer" anbieten.
-> Das 'hier' verdeutlicht den Gegensatz zu den Sternen, die ganz woanders sind. "Ob ihrer" würde sich anbieten, allerdings phonetisch eine Zumutung und metrisch unpassend.
__________________________

Vielen Dank auch für die reduzierte Fassung! Sie verdeutlicht mir, dass wir ein recht verschiedenes Sprachgefühl haben.
Wie anfangs erwähnt, geht für mich dann - neben dem Sonett - Entscheidendes verloren: Die Haltung des Dichters, der sich nach Kräften bemüht, seine Zuhörer zu beeindrucken. Sicher spielen auch metrische Überlegungen ebenso wie Reimworte ein Rolle, ich habe mich aber bemüht, diese nicht in den Vordergrund treten zu lassen und für eine möglichst flüssige Rede zu sorgen.

Vielen Dank für die Arbeit!

JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 28334

Gast
Hallo James,

ahhhja! In der Tat bin ich jemand, der Detailarbeit, und im Werk Präzision liebt und durchdachte Werke sehr schätzt.

„Ob Ihrer“ passt metrisch, mir fallen ad hoc sechs Varianten ein, wie man die Zeile in eine angemessene Barocksprache im passenden Versfuß (6er Jambus) kleiden könnte. Der Vorschlag erfolgte nur, weil du sagtest, du seist barockaffin bzw. würdest es mögen. Also erfolgte ein barockiger Vorschlag. Andererseits ist an so einem sprachlichen inkohärenten Ennui auch etwas Schickes.

Und ja, natürlich stehen tausend Flammen für eine große Anzahl respektive für Intensität. Dabei wird mir wieder klar, wie weit ich mittlerweile von solchen Bildern, zum Glück, abgekommen bin.

Dir noch ein frohes Schaffen, lieber James.
 

James Blond

Mitglied
Hallo logica89,

nochmals meinen Dank für die ausgiebige Textbetrachtung. Trotz (oder wegen) unterschiedlicher Präferenzen ist so etwas äußerst hilfreich, die Texte neu zu überdenken und sich den eigenen Entscheidungen zu stellen. Dem Reim oder dem Metrum geschuldete Wörter sind in den 'Festen Formen' an der Tagesordnung, das ist kaum zu vermeiden. Sofern es aber gelingt, sie in einen Gesamtzusammenhang zu integrieren, sehe ich darin keinen Nachteil.

Ob Sprache dann mehr zum Bauhaus oder zum Jugendstil tendiert, ist letztlich nicht nur eine Geschmacksfrage, sondern hängt auch von der jeweiligen Zielsetzung ab. Für mich bleibt die sprachliche Reduktion auf ein Minimum nur ein Stilmittel unter vielen, so bleiben die verschiedenen Ebenen von Sprache eine ständig sich erneuernde Herausforderung. Insofern unterscheidet sich eine sprachliche oder thematische Modernität auch nicht von anderen historisierenden Stilistiken, sie bezieht sich lediglich auf eine jüngere Epoche. Im Kontext einer postmodernen Kulturschau besteht hingegen eine Gleichzeitigkeit der Stilepochen, aus deren Fundus ein versierter Dichter verstehen sollte, sich bei Bedarf zu bedienen.

Auch dir noch ein kreatives Wochenende, Logicus.

JB
 

sufnus

Mitglied
Hey James,
ich find das Sonett gar sehr gelungen und solcherlei Gekonntheit läse ich hienieden gerne mehr!
Was ich mir noch an optionaler Senfbeimengung überlegt habe: Ist der recht kurvendrallige Schwenker von gryphianischer Wucht ("Was-sind-die-Menschen!?") zu beinahe tändeliger Rokkokozitizät (wenns sich ab S2Z3 um kleingeistige Ehebigotterie dreht) unbedingt nötig?
Will sagen: Wenn Du in S1 mit einer Mensch-Infragestellung loslegst, erwartet man das volle Programm an Spezieskritik und alles unter einer Generalanklage von Kriegsbesoffenheit, anthropogenem Klimakollaps und FDP-Anhängerschaft (Scherz!) bleibt folglich hinter dem gespannten Spannungsbogen zurück.... folglich eben auch, dass die Zeilen doch insgesamt "nur" die Verlogenheit von falsch-romantisierender Treueschwurbigotterie aufs Korn nehmen.
Wöre also, langen Sermons kurzer Sinn, vielleicht ein Austausch von "die Menschen" gegen z. B. "Verliebte" in S1Z1 etwas Lesererwartungsbefriedigungsfreundlicher?
... diese Bedenkung soll und darf und kann aber nicht davon ablenken, dass es einfach mal gut tut, wenn man mal wieder sprachfertige Könnerschaft am Werke sieht. Hach.
LG!
S.
 

James Blond

Mitglied
Ja, lieber sufnus, darin stimme ich dir zu:

Es wird hier mit wuchtigen Alexandrinern auf die Mücken menschlicher Schwächen eingedroschen, dabei gäbe es heuer genug gute (nämlich: richtig schlechte) Gründe für eine moralische Schelte ganz anderen Kalibers. Ich hatte gehofft, dieses Missverhältnis mit ein wenig (Selbst-)Ironie aufzufangen, aber der Erwartungshaltung einer weitaus gewichtigeren Betrachtung menschlichen Fehlverhaltens, die uns die Zeit diktiert, wollte (und konnte) ich nicht entsprechen, um den moralisierenden Dichter nicht aus dem Blick zu verlieren. Und der redet hier gerne vom Menschen, dabei hat ihn vermutlich nur die Liebste gerade verlassen oder er ist der Fischer mit einer ständig unzufriedenen Frau Ilsebill (, die nie so wie er wohl will).

Danke für die Rosen und Vorschläge, aber: Es liegt wohl an meiner (zu geringen) Größe, dass mir das Kleid des Moralisten einfach nicht passen will, stets biegt es ins Deklamatorische, geradezu ins Lächerliche. Das ist es wohl, was diesen Dichter ausmacht: Die Sprache ist sein einzig Ding, das sich aufrichtet und an dem er sich aufrichten kann. Aber wenn ihm zumindest dieses gelingt zu vermitteln, so ist er schon glücklich. :)

Lieben Dank und Gruß
JB
 



 
Oben Unten